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Kulturgut

https://infobib.de/blog/2006/12/04/autograph-von-froberger-versteigert/

Für das neue Weblog infobib ein "Beispiel von Kulturgutverschleuderung".

Wieso ist das kein nationales Kulturgut?

"Der Band war bisher im europäischen Besitz (der Verkäufer möchte anonym bleiben) und trägt auf beiden Einbandseiten das Wappen des römisch-deutschen Kaisers Leopold I. Vermutlich wurde er von Froberger selbst gebunden, um ihn dem Kaiser zu überreichen. Wahrscheinlich hat der Kaiser ihn jedoch nie erhalten, da der Komponist die Seite mit der Widmung unvollendet ließ.

Froberger, 1616 in Stuttgart geboren, war von 1637 an Hoforganist in Wien." (StZ 30.11.).

Pressemitteilung 01.12.2006, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Ein siebenköpfiges Expertengremium, das vom Wissenschaftsministerium zum Thema „Kulturgüter aus dem Haus Baden“ eingerichtet wurde, hat unter dem Vorsitz von Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg seine erste Arbeitssitzung absolviert. Hierbei sollen Historiker und Archivare sowie Juristen Hand in Hand arbeiten, um die Sach- und Rechtsfragen bezüglich des Eigentums an den badischen Kulturgütern abschließend zu klären. „Dabei gilt der Grundsatz Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Ergebnisse werden deshalb erst in einigen Monaten zu erwarten sein“, erklärte Frankenberg am 1. Dezember in Stuttgart.

Die Gruppe der Historiker und Archivare besteht aus Dr. Peter Michael Ehrle, Prof. Dr. Dieter Mertens und Prof. Dr. Volker Rödel. Die Gruppe der Rechtshistoriker besteht aus Prof. Dr. Adolf Laufs, Prof. Dr. Ernst-Gottfried Mahrenholz, Prof. Dr. Jan Schröder und Prof. Dr. Dietmar Willoweit.

Quelle: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Prof. em. Dr. Adolf Laufs ist ehem. Direktor des Instituts für geschichtliche Rechtswissenschaft der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und war in den 80er Jahren Rektor der Universität, Prof. Dr. Jan Schröder ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht an der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen, zu den übrigen genannten vgl. a. die Glosse "An die Arbeit!" der F.A.Z. vom 30.11./1.12.
https://archiv.twoday.net/stories/3007992/

Aus Anlass der kleinen Debatte zweier hochgeschätzter Contributoren
https://archiv.twoday.net/stories/3013603/
über die Zuweisung von Schenkungen in der Zeit der Monarchie ergeht folgende Stellungnahme.

Privatbibliothek

Erhalten heutige Amtsträger wertvolle Geschenke, so werden diese selbstverständlich nicht in das Privatvermögen eingegliedert. Amtsträger dürfen nur geringwertige Geschenke behalten, ihnen wird aber meist die Möglichkeit eingeräumt, Gegenstände eher privaten Charakters oder mit persönlichem Erinnerungswert vom Staat zu kaufen. Von einem rechtlich geregelten Zugriffsrecht historischer Museen (z.B. Haus der Geschichte der Bundesrepublik) ist mir nichts bekannt.

Zur Schenkungsproblematik bei umstrittenen Domänen des griechischen Königshauses siehe Mußgnug in ARCHIVALIA
https://archiv.twoday.net/stories/2915676/

Aus der Zeit vor 1918 sind mir leider keinerlei juristische Stellungnahmen oder Urteile bekannt, welche Grundsätze gewohnheitsrechtlich bei Geschenken an regierende Monarchen und ihre Ehefrauen bestanden.

Aus heutiger Sicht muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass Schenkungen an den Regenten (etwa von Kommunen anlässlich der Hochzeit oder eines Regierungsjubiläums) im Zweifel dem Amtsträger und nicht der Privatperson galten.

Schenkte eine badische Kommune oder ein Verein Altertümer dem Regenten und ausdrücklich nicht dem Staat (Stichwort: Sinsheim), so wurden diese mit Annahme des Geschenkes durch das ALLERHÖCHSTE WOHLWOLLEN UND DIE UNENDLICHE GNADE in den Augen der Schenkgeber weit wirksamer geschützt als wenn sich ein Kanzlisten-Schwengel in einem staatlichen Ministerium darum kümmerte. Wenn Wessenberg, Kopf oder Jüncke ihre Kunstsammlungen dem Großherzogtum (unter Auflagen) übertrugen, so erhofften sie sich ein allerhöchstes Protektorat für diese unselbständigen Stiftungen, die sie aus anderen Geschenken heraushob. Schenkgeber durften damit rechnen, dass solche Geschenke, auch wenn sie als Privateigentum deklariert wurden, beim Land und der Öffentlichkeit gewidmet blieben.

Auch mit einer rein privaten Nutzung mochten die Schenker vielfach einverstanden sein. Dass der Regent die Gegenstände aber außer Landes verkaufen würde, damit mussten sie nicht rechnen.

Auf die Frage, ob den badischen Schenkern die Rechtsverhältnisse des unveräußerlichen Hausfideikommisses, dem das Mobiliareigentum des Regenten - soweit dieser nicht durch Verfügungen zu Lebzeiten oder testamentarisch anderes bestimmte - bei jedem Erbfall durch Hausobservanz zufiel, bekannt waren, kommt es nicht entscheidend an.

Durch die Regelung über die vom Regenten genutzten Schlösser des Domänenvermögens und der Zivilliste gelangten 1919 auch Geschenke staatlichen Charakters (samt Säkularisationsgut) in das Privateigentum des Hauses Baden.

Gleiches gilt auch für die angeblich eindeutigere Regelung in Württemberg, die ebenfalls zu Lasten des Kulturgutes des Landes Württemberg ging. Das Herzogsschwert Eberhards im Bart ist eindeutig eine Kroninsignie, die nach allen staatsrechtlichen Grundsätzen zur Krone, also zum Staat gehört. Da aber das Haus Württemberg das Land im 19. Jahrhundert enteignet hat, indem es das Stück (ebenso wie den Kalender Eberhards) dem von der Hofkammer verwalteten Privatvermögen zuwies, muss das Land alle in Deutschland erfolgenden Verfügungen des Hauses Württemberg dulden.

Zwar verhindert die erfolgte Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts den Auslandsverkauf der einstigen Kroninsignie, aber das Haus Württemberg ist aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, das Stück zu vernichten oder einem deutschen Privatsammler zu verkaufen, der es längst nicht so liberal wie das Haus Württemberg für Ausstellungen zur Verfügung stellen würde.

Es sei zugestanden, dass man vielleicht zwischen einzelnen Geschenkgattungen differenzieren muss, aber aus Sicht eines strikt rechtlichen Standpunkts begegnet die faktische Machtvollkommenheit, mit der der Souverän Inhalt und Grenzen seines Privateigentums festlegen konnte, durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die ein Gericht in die Waagschale zu werfen hätte, soweit es - wie im Fall Baden - um der Öffentlichkeit seit langem gewidmete Kulturgüter geht.

Hinsichtlich der seit 1918 in Privatbesitz befindlichen Stücke (etwa den jetzt bei Nagel verscherbelten Kunstwerken und Gebrauchsgegenständen) sind die jeweiligen Häuser durch Verjährung Eigentümer geworden, soweit man ein 1918 fortbestehendes staatliches Eigentum etwa am Herzogsschwert bejahen wollte.

Der paternalistische Diskurs des Landesvaters sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Untertanen und Staatsbehörden gegenüber dem Monarchen nichts anderes als Würmer waren. Eigentumsrechtliche Verfügungen des Monarchen waren sakrosankt und durften de facto nicht beanstandet werden.

Der Mythos vom "liberalen Baden" erhät doch einige Kratzer, wenn man etwa den in der neuen ZGO enthaltenen Aufsatz Schlechters über den Gervinus-Prozess liest, der wegen Hochverrats 1853 zu Festungshaft verurteilt wurde (die höhere Instanz kassierte das Urteil), weil er für die Demokratie eintrat. Zu knapp insoweit:
https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Gottfried_Gervinus

Da sich die Herrscherhäuser des 19. Jahrhunderts skrupellos über die wohlbegründeten Eigentumsrechte des Volks hinwegsetzten (etwa hinsichtlich der Enteignung des Staats durch § 59 der badischen Oktroy-Verfassung von 1818), besteht nicht der geringste Grund, das Argument wohlbegründeter Eigentumsrechte hinsichtlich nunmehr strittiger Kulturgüter, die seit langem dem öffentlichen Anstaltsgebrauch gewidmet sind, zuzulassen. Wenn es vernünftige Zweifel gibt (wie sie Mußgnug, Klein, Willoweit und andere Juristen formuliert haben), dass die badischen Kulturgüter in dem vom Haus Baden beanspruchten Gesamtumfang nach 1918 Privateigentum geblieben sind, dann muss das Gericht der gegen den Herausgabekläger streitenden Vermutung zugunsten des Besitzers Rechnung tragen und die Klage abweisen.

F.A.Z., 02.12.2006, Nr. 281 / Seite 49, Kunstmarkt
Bürgernähe (rmg)

Es beginnt wie ein Märchen der Brüder Grimm: "Zu der Zeit, als das Auktionshaus Nagel gegründet wurde, war das Königreich Württemberg schon Geschichte." Und es geht weiter mit sehr zeitgemäßer Deutlichkeit: "Der vierte und letzte württembergische König Wilhelm II. hatte nach den November-Revolutionen am 30. November 1918 seine Abdankung erklärt. Die Besitzverhältnisse in Württemberg ließen sich eindeutig regeln, hatte doch schon sein Großvater, König Wilhelm I., in weiser Voraussicht eine Trennung von Kron- und Hausgut eingeführt. Nach dem Ende der Monarchie also wurde das Krongut in freies Staatseigentum überführt. Die Hofkammer existierte weiter und verwaltete das private Vermögen der Familie." Die Sonderauktion am 6. Dezember bei Nagel in Stuttgart ist wohl die erste im beliebten Genre der Adelshausbesitzversteigerung, die - in weiser Voraussicht - mit einer solchen Erklärung eingeleitet wird. (...) rmg

Fine Art and Antiques (402S)
6th -8th December 2006, Nagel-Auktionen, Stuttgart
6.12.2006, 17h Königliches Württemberg (Special Auction Fine Art from the Royal House of Württemberg). Vorbesichtigung: 1.-3.12.2006, 11h-18h, 4.12.2006, 11h-20h. Katalog

Nur wenige Württembergica u.a. Drucke (Nr. 625-627, 689-705, 1000-1003), u.a.
  • Bambergische Peinliche Halsgerichts-Ordnung, Bamberg 1580 (Los 1001),
  • Johann Oettinger, Wahrhaffte Historische Beschreibung der Fürstlichen Hochzeit ... Friedrich Hertzog zu Württemberg und Teck ...In der Fürstlichen Haubtstatt Stuttgardten Anno 1609... , Stuttgart 1610 (Los 696),
  • Kirchenordnung für das Herzogtum Württemberg, Stuttgart 1660. Provenienz: Schloß Leipheim (Los 692),
  • Topographia Sueviae, Merian: Franckfurt am Main 1643 (Los 691),
  • Topographische Geschichte des Herzogtums Württemberg, Stuttgart 1784, Exemplar aus der ehem. königlichen Handbibliothek (Los 690),
  • Topographischer Atlas des Königreichs Württemberg in 55 Blättern nach den Ergebnissen der Landesvermessung bearbeitet ... 1821-1851. Rectificiert 1867. (Los 697),
  • The Sacred Books of the Old and New Testaments Vol. I, Pt. 3 The Book of Leviticus, Leipzig 1904 [die sog. "Polychrome Bibel", Ed. Paul Haupt. Portions of the the text and some of the illustrations are set off in various colors to highlight certain features. First color coded bible ever printed, using a process patented in 1897. Translation based, according to the introduction, on the "new critical edition of the Hebrew text of the Old Testament, published under the auspices of the Johns Hopkins University, Baltimore. Anm. BCK nach Dan Wyman Books, Katalog Judaica Americana]. Goldgeprägter Ledereinband mit Widmung "Seiner Majestät Wilhelm II. König von Württemberg ehrfurchtsvoll überreicht von der Johns Hopkins University, Baltimore", auf der Innenseite ExLibris "Wilhelm II. Privat-Bibliothek" sowie bekrönter Stempel "Wilhelm II. Privateigentum" auf der Titelseite. Goldschnitt. In leinenbezogener Kassette. (Los 662).

https://www.nmz.de/kiz/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=14055

Berlin, Senatsverwaltung Justiz
Pressemitteilung Nr. 30/2006 vom 01.12.2006:

Teilerfolg der Kläger im Streit um die Musiksammlung „Peters“
Das Verwaltungsgericht Berlin verhandelte gestern (29.11.) über die Klage von Nachkommen des jüdischen Verlegers Henri Hinrichsen gegen die Einleitung des „Unterschutzstellungsverfahrens“ und gegen die Eintragung von 206 Stücken der Musiksammlung „Peters“ aus der Musikbibliothek Leipzig in das Berliner Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach dem Kulturgutschutzgesetz von 1955.

Der Musikverlag Peters hatte diese Handschriften, Erstausgaben, Bilder und Briefe im Sommer 2004 von der Musikbibliothek Leipzig herausverlangt und nach Berlin verbracht. Daraufhin leitete die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur das Eintragungsverfahren ein. Am 24. Februar 2006 wurde die Eintragung im Berliner Amtsblatt sowie am 9. März 2006 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Mit der Einleitung des „Unterschutzstellungsverfahrens“ gilt für die betroffenen Kulturgüter ein absolutes Ausfuhrverbot. Nach der Eintragung muss jede Ausfuhr vom Bundesbeauftragten für Medien und Kultur genehmigt werden.

Die Kläger sind der Auffassung, dass sie nach der Enteignung und Ermordung Henri Hinrichsens durch die Nationalsozialisten und die erneute Enteignung in der DDR nunmehr durch die Unterschutzstellung gleichsam ein drittes Mal enteignet würden. Das „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung“ sei im Lichte der Washingtoner Erklärung der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1998 und der Zusatzerklärung der Bundesregierung, der Länder und der Kommunen aus dem Jahr 1999 dahin auszulegen, dass im 3. Reich enteignete Kulturgüter nicht unter seinen Anwendungsbereich fallen würden.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Die Einleitung des „Unterschutzstellungsverfahrens“ blieb erfolglos, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Kulturgutschutzgesetz, das auf eine Verordnung von 1919 zurückgehe, sei auch auf solche Gegenstände anwendbar, die nach nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung in der DDR an die Berechtigten zurück übertragen worden seien. Die sog. Washingtoner Erklärung vom Dezember 1998 stehe dem nicht entgegen. Den Besonderheiten des Verfolgungsschicksals sei im Rahmen der Entscheidung über die Ausfuhrgenehmigung Rechnung zu tragen.

Die Eintragungsentscheidung hingegen hat das Gericht wegen formeller Mängel aufgehoben. Diese sieht es darin, dass das im Gesetz vorgeschriebene „Verzeichnis national wertvollen Kulturguts“ im Lande Berlin nicht gesondert geführt wird; laut Mitteilung der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung gibt es nur die Akten zu den einzelnen unter Schutz gestellten Kulturgütern. Das vom Bundesbeauftragten für Medien und Kultur für alle Bundesländer zu führende Gesamtverzeichnis sei zuletzt 1919 [rechte: 1999] aktualisiert worden. Die somit fehlende Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts könne zwar durch die zusätzlich zur Eintragung erforderliche öffentliche Bekanntmachung der Eintragung im Amtsblatt von Berlin ersetzt werden. Die –hier erfolgte – Bekanntmachung sei indes zu unbestimmt. Die Eintragung und Bekanntmachung begründe ein für alle geltendes Verbot, die betroffenen Kulturgüter ohne Genehmigung auszuführen. Deshalb müsse für jedermann erkennbar sein, welche Objekte unter Schutz gestellt seien. Der generelle Hinweis in der Bekanntmachung auf die „Musikbibliothek Peters“, deren Hauptbestand sich nach wie vor in Leipzig befinde und dort ebenfalls unter Schutz gestellt werden soll, und die Angabe, dass von der Eintragung „ca. 204 Stücke“ betroffen seien, genüge den Anforderungen an die Bestimmtheit der Bekanntmachung nicht.

Die Berufung zum OVG Berlin-Brandenburg wurde zugelassen.

Urteil der 1. Kammer vom 29. November 2006 - VG 1 A 162. 05 -

s. auch: https://www.nmz.de/nmz/2005/04/leiter-duemling.shtml

Die SPD-Bundestagsfraktion läd ein zu einer Podiumsdiskussion in Karlsruhe:

Sonnabend, 09.12.2006
10:00 Uhr - 11:30 Uhr
Ständehaus Karlsruhe / Stadtbibliothek
Ständehausstr. 2, 76133 Karlsruhe

Veranstalter: SPD-Bundestagsfraktion
Johannes Jung, MdB, Jörg Tauss, MdB
Um Anmeldung per Fax oder E-Mail wird gebeten

Programm
  • 10:00 Uhr Begrüßung
    Johannes Jung, MdB
  • 10:10 Uhr Die Handschriften und die Folgen – Wer schützt die Kultur?
    Dr. Norbert H. Ott, Bayerische Akademie der Wissenschaften,
    Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters
  • 10:30 Uhr Diskussion mit
    Dr. Norbert H. Ott,
    Prof. Dr. Alfried Wieczorek, Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim,
    Vorstandsmitglied Museumsverband Baden-Württemberg,
    Gerlinde Hämmerle, Regierungspräsidentin a.D.,
    Johannes Stober, MdL
    Moderation: Johannes Jung, MdB
  • 11:30 Uhr Schlusswort
    Jörg Tauss, MdB

In Frankreich werden historische Bauwerke an Hinz und Kunz verkauft: France is selling historical buildings to pay off debt (International Herald Tribune, 30. November 2006).

via frogsmoke

Da liest man in einer hochoffiziellen Landtagsdrucksache
( https://archiv.twoday.net/stories/2905478/#2911255 ) in einer Zusammenstellung des Finanzministeriums zu den Gutachten, auf die sich die Landesregierung stützte:

(3) Gutachter:
Prof. Dr. Otto Meyer
Datum des Gutachtens:
31. Juli 1959
Auftraggeber:
vermutlich Haus Baden


Ach, das ist der Fluch der bösen Tat, wenn man Gutachten aus den Akten entfernt, zu denen sie gehören wie das Amen zur Kirche. Einmal falsch beschriftet und die Fehler pflanzen sich fort. Auf dem Gutachten steht handschriftlich Meyer, diese Namensform wählten demzufolge alle Gutachter (Reicke, RA Dr. Heinrich Wagner, Dolzer, Wax/Würtenberger). Man kann natürlich nicht verlangen, dass teure Gutachter recherchieren, wer dieser Meyer war (Dolzer: "Gutachten eines Präsidenten a.D. Dr. Meyer (zu seiner Person ist hier nichts bekannt )"), der im Finanzministerium zu allem Überfluss zu einem Professor mutierte (es gab einen Würzburger Historiker Prof. Dr. Otto Meyer).

Man kann natürlich auch nicht verlangen, dass im Finanzministerium die Akten über die Erstellung der Gutachten aus dem Archiv angefordert werden. Hätte man das getan, dann hätte man den von mir heute durchgearbeiteten zwei dicken Akten des Kultusministeriums (nun: Hauptstaatsarchiv Stuttgart) zur Zähringer Stiftung (EA 3/203) die Information entnehmen können, dass Präsident a.D. Otto Mayer vom Kultusministerium mit dem Rechtsgutachten beauftragt worden war (Auftragsbestätigung 1. März 1958, Werkvertrag 1960 über 1200 DM). Da Schreiben Mayers in der Akte sind, kann an der korrekten Namensform kein Zweifel bestehen. Mayer, damals wohnhaft in Stuttgart (Baumrente 9), wird mit der Anschrift der Architektenkammer Baden-Württemberg angeschrieben, was die Vermutung nahelegt er sei Präsident dieser Institution gewesen.

Natürlich haben auch Wax/Würtenberger diese Akten nicht herangezogen, sonst hätten sie nicht ihre abwegigen Spekulationen über eine mangelnde Übereignung der Gegenstände an die Zähringer Stiftung angestellt.

Damals ist man doch recht sorgfältig vorgegangen, in den Akten befindet sich auch eine detaillierte juristische Ausarbeitung zu den erbrechtlichen Fragen. Der Markgraf hatte sich zwar mit Präsident Schuhmann, dem Testamentsvollstrecker der ehemaligen Großherzogin Hilda, überworfen und durch Camill Wurz ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, demzufolge der Testamentsvollstrecker des Markgrafen zuständig sei, scheint sich letztlich aber doch mit Schuhmann abgefunden zu haben. Am 23. November 1956 wird vermerkt, der Markgraf, Präsident Schuhmacher als Testamentsvollstrecker und das Kultusministerium hätten sich über die Satzung geeinigt. Schuhmann habe als Testamentsvollstrecker der Satzung zugestimmt.

Daraus lässt sich wirklich nur der Schluss ziehen, dass die dingliche Übereignung zugunsten der Stiftung tatsächlich formgerecht stattgefunden hat, denn die Verfügung über den Nachlass hat nach dem BGB der Testamentsvollstrecker zu treffen, soweit einer eingesetzt wurde. Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, dass die Stiftung errichtet wird und der Stiftung die ihr zuständigen Vermögensgegenstände zu übertragen, heisst es in einer Stellungnahme vom 12. Mai 1953 ausdrücklich.

Es leuchtet ein, dass sich durch die Existenz eines Testamentsvollstreckers, der für die Übereignung des ursprünglich vom ehemaligen Großherzog der Stiftung zugedachten Vermögens, die Sachlage gänzlich anders darstellt als bei Wax/Würtenberger, die lediglich die Testamente des Großherzogs, nicht aber weitere Akten herangezogen haben.

Die Übereignung (hinsichtlich der Karlsruher Bestände) könnte allenfalls am sachenrechtlichen Bestimmtheitsgebot scheitern, aber nicht daran, dass Berthold nicht klar war, dass er den schuldrechtlichen Anspruch der Stiftung zu erfüllen hatte. Berthold sah sich explizit durch die Verfügung des Großherzogs gebunden, denn am 24. November 1952 schrieb er dem OB von Rastatt, der die Türkenbeute dauerhaft in seine Stadt holen wollte:

Zu meinem größten Bedauern bin ich aber nicht mehr in der Lage, über diese Gegenstände zu verfügen, da ich mit dem Tode der Großherzogin über den Besitz dieser Sammlung nicht zu bestimmen habe.

Am 3. März 1960 gab Berthold, der in seiner Festansprache zur ersten Sitzung des Verwaltungsrats die kulturelle Verpflichtung seiner Familie gebührend herausgestrichen hatte, seiner Überzeugung Ausdruck, die angestrebte Abgrenzung zwischen Staatseigentum und Stiftungseigentum hätte mehr theoretischen Charakter. Es solle sich nicht "um die Aneignung bestimmter Gegenstände" handeln oder um Änderungen der Verwaltungsreform.

Nach dem Studium dieser Akten erscheint es nachgerade absurd anzunehmen, dass die Stiftung ein "leerer Mantel" war. Man inventarisierte im Landesmuseum fleissig, unter anderem erhielt ein junger Volontär Volker Himmelein damals Werkverträge.

Hinsichtlich der damals in Baden-Baden magazinierten Kopfschen Kunstsammlung und Jünckeschen Stiftung kann kein Zweifel bestehen, dass das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht verletzt war, da man damals keine Probleme im Zusammenhang mit diesen Bestandteilen sah. Gleiches gilt für die Wessenberg-Sammlung in Konstanz, die von Altgraf zu Salm inventarisiert werden sollte.

Die Zähringer Stiftung ist rechtsgültig errichtet worden (sogar das Landes-Kabinett hat am 22. März 1954 zugestimmt) und hat zumindest diese drei genannten Sammlungen einwandfrei als Vermögen übertragen erhalten. Auch wenn man sie auflöst, hat man dem Stifterwillen von Wessenberg, Kopf und Jüncke Rechnung zu tragen.

Durch die Genehmigung der Stiftungssatzung hat das Land das Eigentum der Zähringer Stiftung anerkannt hinsichtlich
der Türkensammlung in Karlsruhe (also der "Türkenbeute") sowie von Beständen im staatl. Münzkabinett, von hofeigenen Beständen der früheren vereinigten Sammlungen sowie von hofeigenen Beständen der Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe.

Da die Türkenbeute seit den 1920er Jahren unbestritten als Leihgabe des Hauses Baden galt und ihre Abgrenzung keinerlei Probleme aufwirft, kann sie dem eindeutigen Vermögen der Stiftung ohne weiteres zugewiesen werden.

Die pragmatische Lösung, zu der sich das Kultusministerium am 28. April 1960 verstand, dass nämlich alle vor dem 1.1.1872 in Großherzoglichem Kunst- und Bibliotheksbestände als Stiftungsbesitz anzusehen sind, ist durch das vehemente Insistieren der Landesbibliothek auf der Säkularisations-Problematik gegenstandslos geworden. Man beauftragte Prof. Dr. Siegfried Reicke mit einem neuerlichen Gutachten.

Hätte man sich auf besagter Basis geeinigt, hätte es wohl die Causa Karlsruhe nie gegeben und man hätte nun ein Problem weniger, auch wenn man dafür die Säkularisationsbestände der BLB hätte zugunsten der Stiftung "opfern" müssen. Es war klar, dass die Verkaufsklausel in der Satzung wegen der Erbschaftssteuer bedeutungslos geworden war (so Mayer 1961). Die Stücke wären öffentlich benutzbar geblieben und - was angesichts der Entwicklungen von 2006 nicht zu verachten gewesen wäre, UNVERÄUSSERLICH.

Die Behauptung des Hauses Baden, es habe keine gültige Übereignung des Vermögens an die Stiftung stattgefunden, ist haltlos. Ungeachtet der strittigen Bestände hat sie einen klar definierten Mindestvermögensbestand.

Vielleicht wäre es ratsam, das Land würde den seinerzeit ins Auge gefassten Vermögensbestand der Stiftung anerkennen. Dann müsste eine Herausgabeklage des Hauses Baden gegen die Stiftung gerichtet werden und die für den Besitzer sprechende Vermutung durch Gegenbeweis widerlegt werden. Es darf bezweifelt werden, dass dies gelänge. Das kostbare Stiftungsvermögen aber wäre auf Dauer gegen Veräußerungen ("Profilbildung") gesichert. Aber das wäre eher ein zu cleverer Schachzug als dass man ihn der herumstümpernden Ministerialbürokratie zutrauen dürfte.

Stuttgarter Nachrichten, 30.11.2006
Baden contra Oettinger.
Streit um Kulturgüter

Karlsruhe (win) - Im Streit um den Verkauf badischer Kulturgüter meldet sich nun auch die Landesvereinigung Baden in Europa zu Wort.

Abgesehen davon, dass man sehr enttäuscht sei, weil das markgräfliche Haus sein eigenes Erbe verkaufen will, stellt sich für Robert Mürb die Frage, ob es sich bei den strittigen Handschriften und Kunstgegenständen denn überhaupt um Besitztümer des Hauses Baden handelt. Falls dies der Fall sei, dann hätten nicht die badischen Beamten unsauber gearbeitet, wie Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) behauptet habe, sondern Beamte des Landes Baden-Württemberg. "Die badischen Beamten haben sehr sorgfältig gearbeitet und die Eigentumsverhältnisse nicht nur eindeutig geklärt, sondern dies auch in Gesetze gegossen", erklärte der Vorsitzende nun.

Das Land Baden-Württemberg könne sich vielmehr ein Beispiel am früheren Land Baden nehmen, denn 1930 - auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise - sei kein Landeserbe verkauft, sondern sogar Kunstgegenstände vom Haus Baden erworben worden. Mario Wachter, von Haus aus Jurist und Mitglied in der Landesvereinigung, kann sich über den Rechtsstreit nur wundern. Bereits 1919 sei in einem Staatsvertrag eindeutig geregelt worden, was als Privatbesitz dem Großherzog von Baden erhalten bleibe und was künftig in Besitz des Landes Baden übergehen sollte. Damit seien alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten. In dem Vertrag wurde unter anderem festgelegt, was als unveräußerliches Eigentum in Besitz des Großherzogs im Badischen Generallandesarchiv unterzubringen sei und was in die Badische Landesbibliothek gebracht werden sollte. (...)

Vgl. a. Zähringer-Stiftung als Schwarzes Loch
https://archiv.twoday.net/stories/3001171/

F.A.Z., 01.12.2006, Nr. 280 / Seite 37 (Glosse Feuilleton)
30.11.2006, via FAZ.Net

An die Arbeit!
30. November 2006
Vor zwei Tagen nahm das Wunder von Baden Gestalt an: Ein Expertengremium traf sich in Stuttgart zu seiner ersten Arbeitssitzung über ein Thema, in das alle Teilnehmer bestimmt schon bestens eingearbeitet sind. Das Treffen wurde mit dem Schleier eines Staatsgeheimnisses umhüllt; tatsächlich geht es um Aufklärung im Fall der Besitzverhältnisse an Kulturgütern, die zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem markgräflichen Haus Baden umstritten sind. Und darum soll es auch so lange gehen, bis unumstößliche Ergebnisse gefunden sind - wenn man das Wissenschaftsministerium richtig versteht, dem außerdem die Namen der beteiligten Experten ungefähr so schwierig wie einem Geheimbund zu entwinden waren: Neben Peter Michael Ehrle, dem Direktor der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, steht der Historiker Dieter Mertens, dem das Land schon die Einsparung von geschätzten zehn Millionen Euro verdankt, weil er wertvolle Gemälde durch den Akt schierer Akteneinsicht als dem Land bereits gehörig identifizierte. Hinzu kommen der Historiker Volker Rödel, Direktor des Generallandesarchivs in Karlsruhe, wo gewiß Erkenntnisquellen sprudeln, und Ernst Gottfried Mahrenholz, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Außerdem steht - von juristischer Seite - mindestens noch Dietmar Willoweit zu erwarten, der Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; der prominente Rechtshistoriker Willoweit ist ein Verfechter jener Ansicht im sogenannten "Kulturgüterstreit", die schon Siegfried Reicke in seinem Gutachten von 1967 vertrat und die zuletzt sein Nachfolger Reinhard Mußgnug in dieser Zeitung formuliert hat. Willoweits Sicht der Lage macht die Sorge gegenstandslos, bei einem etwaigen Rechtsstreit werde das Risiko beim Land liegen. Die genannten Namen nähren keine Hoffnung auf die freundliche Erwägung möglicher Szenarien, wie sie Oettinger in den Sparhaushalt-Kram gepaßt haben mögen. Es mag Oettinger daher nicht leichtgefallen sein, seinem Finanzminister, in dessen Ressort das zu rettende Salem fällt, die Causa abzunehmen, um sie der Federführung des Wissenschaftsministeriums zu unterstellen. Es gibt wahrlich viel zu tun, und anfangen ließe sich bei der 1954 gegründeten "Zähringer-Stiftung" des letzten badischen Großherzogs; denn mancher spricht der Stiftung ihre Rechtskraft ab, ohne sich indessen selbst in Frage zu stellen: So tat das gestern Harald Siebenmorgen, der Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe. Bloß, Siebenmorgen selbst sitzt im Stiftungsrat ebender "Zähringer-Stiftung", als Vertreter der baden-württembergischen Museen und wird dort ja eine Funktion erfüllen. Die Experten sind pünktlich in Stuttgart eingetroffen; denn Kulturgut ist kein Spielzeug. rmg

 

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