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Kulturgut

Landtag von Baden-Württemberg, Pressemitteilung 084/2006, 12.12.06
Sondersitzung zum etwaigen Erwerb badischer Kulturgüter

Stuttgart. Der von der SPD beantragte Untersuchungsausschuss zum etwaigen Erwerb badischer Kulturgüter ist rechtlich nicht zulässig. Diese Rechtsauffassung hat der Ständige Ausschuss des Landtags in einer Sondersitzung am heutigen Dienstag, 12. Dezember 2006, mit der Stimmenmehrheit von CDU und FDP/DVP eingenommen. Wie der Vorsitzende des Gremiums, der CDU-Abgeordnete Winfried Mack, mitteilte, basiert die gutachtliche Äußerung des Ständigen Ausschusses hauptsächlich auf verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach Untersuchungsausschüsse nur gestattet sind, wenn sich ihr Gegenstand auf eine so genannte Ex-Post-Kontrolle, also auf eine Überprüfung abgeschlossener Vorgänge bezieht. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so Mack.
(...)
Der Ausschussvorsitzende führte vor allem „die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung“ ins Feld, wonach die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraussetzt. Dieser Kernbereich, mit dem die Funktionsfähigkeit von Regierung und Verwaltung sichergestellt werden solle, umfasse einen auch von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich. „Einen solchen Handlungsspielraum muss man der Landesregierung auch im Zusammenhang mit dem Erwerb der badischen Kulturgüter zugestehen“, betonte Mack. Der von der SPD beantragte Ausschuss sei gegenwärtig unzulässig, weil er einen Informationszugriff auf die Vorbereitung von Vergleichsverhandlungen beanspruche, die ausschließlich in der Eigenverantwortlichkeit der Landesregierung stehen.

Über die gutachtliche Äußerung des Ständigen Ausschusses wird der Landtag laut Mack voraussichtlich in der Plenarsitzung am kommenden Donnerstag, 14. Dezember 2006, befinden, und zwar mit einfacher Mehrheit.

SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, Pressemitt. v. 12.12.2006 (txt, pdf)
CDU verweigert Aufklärung im Kulturgüterskandal
Ute Vogt: „Mit vorgeschobenen rechtlichen Begründungen versucht die CDU das Minderheitenrecht auszuhebeln und so eine effiziente Aufklärung zu verhindern“

Mit scharfen Worten reagierte die SPD-Fraktionsvorsitzende Ute Vogt auf die Entscheidung von CDU und FDP im Ständigen Ausschuss, den von der SPD beantragten Untersuchungsausschuss zum Kulturgüterstreit für rechtlich unzulässig zu erklären. Dies sei nichts weiter als der Versuch, eine wirksame politische Aufklärung des Versagens der Landesregierung mit vorgeschobenen Rechtsgründen zu verhindern. Vogt wörtlich: „Die Angst der CDU vor einem Untersuchungsausschuss ist offenbar so groß, dass sie eine effiziente Aufklärung über einen Untersuchungsausschuss unter allen Umständen verhindern will. Dass sie aus diesem Grund auch nicht davor zurückschreckt, Hand an die verfassungsrechtlich verbrieften Minderheitenrechte der Opposition zu legen, ist ein Schlag gegen den Parlamentarismus und offenbart mangelndes Demokratieverständnis.“

Geradezu absurd sei die Behauptung des von der CDU beauftragten Gutachters, Professor Paul Kirchhof, wonach die öffentliche Kritik der Medien einen Untersuchungsausschuss erübrige. Wörtlich heißt es dazu in dem heute im Ständigen Ausschuss vorgelegten Gutachten: „Demokratie erschöpft sich nicht in der parlamentarischen Kontrolle, stützt sich vielmehr wesentlich auch auf die Kritik von Öffentlichkeit und Medien. Soweit hier öffentliche Kritik wirksam geworden ist, rechtfertigt diese demokratische Effizienz nicht eine parlamentarische Untersuchung, dürfte sie eher erübrigen.“

Vogt: „Nach dieser Auffassung wären Untersuchungsausschüsse künftig generell nicht mehr zulässig, soweit auch Medien über politische Skandale berichten. Anders als Medien können Untersuchungsausschüsse aber Zeugen vernehmen und unter Wahrheitspflicht stellen, wie vor Gericht. Genau dies will die CDU offenkundig verhindern.“

Die CDU-Fraktion müsse sich auch fragen lassen, warum sie sich nicht die gutachterliche Stellungnahme der Landtagsverwaltung zu Eigen gemacht hat. In diesem seit gestern vorliegenden Gutachten werden deutliche Indizien dafür geliefert, dass der von der SPD beantragte Untersuchungsausschuss rechtlich zulässig ist.

Unter anderem heißt es in dem Gutachten der Landtagsverwaltung: „Im vorliegendem Fall kommt es also bei der Beurteilung darauf an, ob sich Verfahrensstufen abschichten lassen, die ihrerseits den Charakter in sich abgeschlossener Vorgänge tragen. Der Kabinettsbeschluss vom 9. Oktober 2006 könnte dafür ein Anhaltspunkt sein. Die Landesregierung hat nämlich im Anschluss daran ihre darin festgelegte Haltung dem Landtag und der Öffentlichkeit präsentiert. Soweit die Landesregierung von sich aus öffentlich ihre zwischenzeitliche Beschlusslage und ihre Verhandlungsziele dargelegt hat, würde sie sich in Widerspruch zu ihrem früheren eigenen Verhalten setzen, wenn sie jetzt unter Berufung auf den Grundsatz der Ex-Post-Kontrolle die Auskunft verweigern wollte.“ (Gutachten der Landtagsverwaltung Seite 6)

Vogt: „Die CDU und die Landesregierung haben wieder einmal ein ihnen genehmes Gutachten bestellt, weil die Stellungnahme der Landtagsverwaltung für eine Ablehnung des Untersuchungsausschusses nicht ausgereicht hat. Aus Angst vor Aufklärung sind der CDU offenbar alle Mittel recht, um einen Untersuchungsausschuss zu verhindern.“

Helmut Zorell
Pressesprecher

Fraktion GRÜNE im Landtag von Baden-Württemberg
Pressemitteilung Nr. 344/2006, 12.12.2006
Verbrieftes Recht der Opposition nicht ohne Not in Frage stellen

Trotz erheblicher Bedenken, ob ein Untersuchungsausschuss zum geplanten Verkauf Badischer Kulturgüter in der von der SPD angestrebten Form einen Sinn hat, unterstützen die Grünen im Landtag die Sozialdemokraten in ihrem Ansinnen.

Jürgen Walter, kulturpolitischer Sprecher der Landtagsgrünen: "Das verbriefte Recht der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu initiieren, sollte nicht ohne Not in Frage gestellt werden. Es ist schon bezeichnend, dass die CDU-Fraktion ein zweites juristisches Gutachten beim Heidelberger Profosser Paul Kirchhof in Auftrag gegeben hat, nur weil ihnen die Stellungnahme des juristischen Dienstes des Landtags nicht weit genug gegangen ist."

"Nichtsdestotrotz werden wir weiterhin versuchen, den Fall aufzuklären und insbesondere die Rolle der Zähringer-Stiftung zu untersuchen. Die Landesregierung ist nun aufgefordert, uns die notwendigen Akten zur Verfügung zu stellen und die notwendige Aufklärung nicht zu behindern", kündigte Walter an.

--
Es wird erwartet, dass der Antrag der SPD auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses aufgrund der gutachterlichen Äußerung des Ständigen Ausschusses am kommenden Donnerstag im Plenum abgelehnt wird. Dagegen könnte die SPD-Fraktion nur vor dem Staatsgerichtshof klagen. Die Grünen waren zwar gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, votierten aber im Ständigen Ausschuss mit der SPD, um deren Recht als parlamentarische Minderheit zu verteidigen. Vgl. auch
swr.de, 12.12.2006, Untersuchungsausschuss zum Kunstverkauf fraglich

Pressemitteilung 8.12.2006 (auch als pdf)
Preisträger des puk-Journalistenpreises 2006 wurden ausgewählt

Berlin, den 08.12.2006. Heute hat die Jury des puk-Journalistenpreises die Preisträger für den puk-Preis 2006 ausgewählt. Der puk-Journalistenpreis wird von politik und kultur (puk), der Zeitung des Deutschen Kulturrates, vergeben. Mit dem puk-Journalistenpreis wird die allgemeinverständliche Vermittlung kulturpolitischer Themen ausgezeichnet. Laut den Ausschreibungsbedingungen werden einzelne Beiträge oder auch Themenschwerpunkte ausgezeichnet. Alle Medien, d.h. sowohl Print- als auch Hörfunk-, Fernseh- und Internetbeiträge sind zugelassen. Das Erscheinungsdatum bzw. der Sendetermin musste zwischen dem 01.10.2005 und dem 30.10.2006 liegen.

Von der Jury wurden ausgewählt:

Wilfried Mommert (dpa-Redakteur) ...

Tamara Tischendorf (freie Hörfunkjournalistin) ...

Feuilletonredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die Beiträge zum Streit um den Verkauf der Handschriften der Badischen Landesbibliothek. Die Feuilletonredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat mit der Berichterstattung um den Verkauf der Badischen Handschriften in eine aktuelle kulturpolitische Debatte eingegriffen. Sie hat gründlich recherchiert und Sachverhalte zu Tage gefördert, die die kulturpolitische Diskussion nachhaltig beeinflusst haben.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber von politik und kultur, Olaf Zimmermann, sagte: „Kulturpolitik führt im Feuilleton immer weniger ein Schattendasein. Die Preisträger des puk-Journalistenpreises zeigen mit ihren Arbeiten, dass Kulturpolitik spannend aufbereitet und allgemein verständlich dargestellt werden kann. Kulturpolitikjournalismus hat Einfluss auf die Kulturpolitik und ist daher in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen.“

Die Vergabe des puk-Journalistenpreises findet am 27. Januar 2007 im Rahmen eines von DeutschlandRadio Kultur Konzertes des Festivals Ultraschall im Radialsystem Berlin statt. Die Laudatio hält Gitta Connemann, Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags. (...)

Herzlichen Glückwunsch!

Pressemitteilung Landesvereinigung Baden in Europa 6.12.2006 (pdf)
Kulturausverkauf vom Tisch?. Landesvereinigung Baden in Europa übergab mehr als 20000 Unterschriften.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger aus aller Welt haben sich in die Unterschriftenlisten eingetragen, mit der die Landesvereinigung Baden in Europa e.V. gegen den Ausverkauf badischen Kulturguts protestiert hat. Insgesamt 20210 Unterschriften konnten der Vorsitzende der Landesvereinigung, Prof. Robert Mürb, seine Stellvertreterin, die ehemalige Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle, sowie weitere Mitglieder der Landesvereinigung am Mittwoch im Landtag von Baden-Württemberg in Stuttgart übergeben. Die besonderen Nikolausgeschenke, zwei gelbe Pakete mit roten Schleifen, nahmen Landtagspräsident Peter Straub und Wissenschaftsminister Peter Frankenberg entgegen. Interessierte Beobachter waren sieben Landtagsabgeordnete aus allen Parteien, darunter die Fraktionsvorsitzenden Ute Vogt (SPD) und Dr. Ulrich Noll (FDP).

Mürb betonte bei der Übergabe, dass sehr viele Unterzeichner Unverständnis für das Verhalten der Landesregierung wie des Hauses Baden geäußert hätten. Der Staat, so der Tenor der Kommentare, sei dazu verpflichtet, Kulturgut zu bewahren. Der Vorsitzende erinnerte daran, dass der Freistaat Baden im Jahr 1930, also mitten in der Weltwirtschaftskrise, dem markgräflichen Haus für die damals enorme Summe von vier Millionen Mark Kulturgüter abgekauft habe, statt sie dem Verkauf Preis zu geben. Er appellierte an den Landtag und die Landesregierung, diesem Beispiel zu folgen, falls es überhaupt noch Kulturgüter gebe, die dem Land nicht ohnehin schon gehörten. Und er forderte das Land dazu auf, das Kloster Salem in seine Obhut zu übernehmen.

Landtagspräsident Straub dankte ausdrücklich für das bürgerschaftliche Engagement der Landesvereinigung und der unterzeichnenden Bürger. Er freue sich, dass in dieser Aktion die Demokratie lebe. Wissenschaftsminister Frankenberg schloss sich dem an und meinte, dass ein Weg gefunden werde, der den Vorschlägen der Landesvereinigung weitgehend entsprechend werde. Jetzt würde in aller Ruhe und ohne Zeitdruck von einer Kommission, die er eingesetzt und die bereits getagt habe, der gesamte Fragenkomplex untersucht. Frankenberg bestätigte die Forderung der Landesvereinigung auf Erhalt des gesamten Kulturguts, einschließlich des Klosters Salem. Robert Mürb: „Damit scheint der Ausverkauf vom Tisch zu sein.“ Ob dies tatsächlich zutrifft wollen die Aktiven der Landesvereinigung aber auch in den nächsten Wochen und Monaten sehr kritisch verfolgen.

https://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/baden/markgf/krone.htm

Bis zur Auflösung der Staatsschuldenverwaltung in Karlsruhe wurden die z.T. aus Säkularisationsgut 1811 hastig angefertigten drei Kroninsignien (Krone, Zepter, Schwert) von dieser, seither vom Badischen Landesmuseum verwahrt.

Krone

Die in der großherzoglichen Silberkammer aufbewahrten Kroninsignien bildeten einen Fideikommiss zugunsten des jeweiligen Regenten. Dass dieser einen privaten Charakter gehabt haben könnte, wird man aus staatsrechtlichen Erwägungen völlig ausschließen können.

Bereits der (nicht erhalten gebliebene) Churhut von 1803 war von Karl Friedrich "zu ewigen Zeiten für den Gebrauch der jeweiligen Regenten als Fideicommiß erklärt" worden (ZGO 1977, 207, wie unten).

Nach 1918 war das Eigentum an ihnen umstritten. Obwohl es sich als Symbole der Landeshoheit um eindeutig zum Staat gehörende Gegenstände handelte, beanspruchte sie das Haus Baden.

Ein Ankauf vom Haus Baden erfolgte in den letzten Jahren nicht.

Was geschah nach 1918 mit den Kroninsignien, wie kamen sie in den Tresor der Staatsschuldenverwaltung?

Jegliche Andeutung darüber fehlt bei:
Johann Michael FRITZ und Hansmartin SCHWARZMAIER, Die Kroninsignien der Großherzoge von Baden (Krone, Zepter, Zeremonienschwert), in: ZGO 125, 1977, S. 201-223

Es war damals durchaus "unerwünscht", darüber ein Wörtchen zu verlieren.

Weitere Literatur zu den badischen Kroninsignien:
Mit 100 Sachen durch die Landesgeschichte, KA 2002, S. 120f. Nr. 48
Baden und Württemberg 1987 Nr. 213
1848/49 Revolution. Baden-Baden 1998 Nr. 144

Wie bei den Staatlichen Sammlungen für Naturkunde wurden keine Ansprüche des Hauses Baden auf die Kroninsignien in jüngster Zeit bekannt. Aber sind solche Ansprüche ausgeschlossen, wenn eine ungünstige Formulierung der ins Auge gefassten Vereinbarung sie nicht berücksichtigt?

Da sie einen erheblichen materiellen und geschichtlichen Wert besitzen (ebenso wie der Thronsessel Karl Friedrichs, der sich leider im Privateigentum des Hauses Baden befindet, siehe Katalog: Carl Friedrich und seine Zeit, KA 1981, S. 168f.), dass sie keinen fremden Eigentumsansprüchen unterliegen. Durch die gesonderte Verwahrung in der Staatsschuldenverwaltung wird man sie wohl nicht der Zähringer-Stiftung zurechnen können.

Update zu: https://archiv.twoday.net/stories/3046029

https://www.chd.dk/dismembra/index.html

Erik Drigsdahl schlägt vor, digitale Bilder derjenigen zerlegten Handschriften zusammenzutragen, die von historischem Wert sind.

Er macht zugleich Auszüge aus einem Artikel von Peter Kidd im AMARC-Newsletter 2004 zugänglich:
https://www.chd.dk/dismembra/norwich.html#AMARC

Aus diesen Materialien geht hervor, dass Tuscany Books wohl nicht selten solche Manuskripte ankauft um sie zu zerlegen.

Ich stimme mit Drigsdahl und Kidd darin überein, dass alles unternommen werden sollte, die zerlegten Manuskripte wenigstens virtuell zu rekonstruieren. Ob das gelingt, wird man aber bezweifeln dürfen.

Das Übel muss aber an der Wurzel gepackt werden, die Praxis des Zerlegens von Manuskripten muss geächtet werden.

Durch die internationalen Anstrengungen von Archäologen hat sich ein Bewusstseinswandel hinsichtlich des Handels von Antiken aus Raubgrabungen ergeben. Der Prozess gegen die Getty-Kuratorin True in Italien ist da nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt eine Selbstverpflichtung des Handels, die natürlich letzten Endes auch nur auf Druck zustandekam.

Freunde von Kleindenkmälern wie alten Grenzsteinen schliessen sich zusammen und fordern, unterstützt durch die Denkmalämter, lautstark den Denkmalschutz für jedes Marterl.

Wieso ist ein wertvolles mittelalterliches Manuskript, auch wenn es nie die Chance hat, einen gesetzlichen Schutz nach einem Denkmalschutzgesetz oder nach dem Abwanderungsschutzgesetz zu genießen, weniger Rechte auf öffentlichen Beistand als irgendwelche Grabungsfunde oder Grenzsteine?

Wieso halten sich Handschriftenexperten vornehm zurück statt Proteste zu lancieren (was ja, wie man im Fall Karlsruhe sehen kann, durchaus erfolgreich sein kann)?

Weitere Vorschläge in den Kommentaren zu
https://blog.pecia.fr/post/2006/12/09/Sacrilege-Largent-mene-a-tout

Link. Mit 2500 Euro kein Schnäppchen, 0 Bieter bisher, noch 4 Tage. Identifizierung des Orts, soweit möglich, bitte in den Kommentaren.

Ortsname Hielgersdorff könnte Hilgersdorf in Nordböhmen sein.

Update: Weiterführendes in den Kommentaren!

Ein mittelalterliches französisches Stundenbuch wird in Einzelteilen auf ebay verscherbelt. Das ist nun leider keine Seltenheit. Interessant ist aber, dass der Ablauf der Geschäftemacherei sich gut nachvollziehen lässt. Jean-Luc Deuffic beschreibt im Blog PECIA zunächst die Auktion eines Einzelblattes auf eBay noch als überraschend und freut sich über seinen "Fund", den er immerhin für einen wichtigen Bestandteil des bretonischen Kulturerbes hält. Doch ein paar Tage später hat er die Quelle entdeckt und ist zurecht entsetzt: das Buch wurde - noch vollständig - im September 2006 für 6200 Dollar bei ebay verkauft (Link).

https://blog.pecia.fr/post/2006/12/09/Sacrilege-Largent-mene-a-tout

Sacrilège!!! "Dépecage" d'un Livre d'Heures à l'usage de Nantes...

Par jean-luc deuffic le samedi 9 décembre 2006, 17:28

Dans le billet précédent nous avions fait état de l'heureuse surprise de trouver sur le site ebay quelques fragments d'une Livre d'Heures à l'usage de Nantes. Une investigation plus poussée nous a fait découvrir le sacrilège qui se trame sous nos yeux. Le dépecage sans mesure d'un manuscrit précieux de notre patrimoine breton sur le net.

Voici ci-dessous l'endroit d'où a été enlevé le f. du mois de juin:

nantes

Voir encore en ligne, à cette adresse le manuscrit au complet vendu initialement en septembre 2006... pour 6200 $... Le nouvel acheteur, sous le pseudo de Tuscanybooks continue ainsi de vendre à bon prix les 121 f. de cet ouvrage à cette adresse...

Commentaires

1. Le samedi 9 décembre 2006, 18:07 par George Ferzoco

This is very sad. I hope that the vendor can be convinced to make a little less money and thus to save a bit of history and culture intact. My only worry, is how can we prevent the purchaser from destroying the manuscript buy slicing it into separate folios himself/herself? Perhaps the best safeguard would be if a Breton or a medievalist of sufficient means could purchase it, and arrange for it to be housed in a collection accessible to those who wish to see it and to study it.

2. Le samedi 9 décembre 2006, 18:40 par Brenda M. Cook

The dismembering of books, but especially of illustrated books, and particularly of manuscript books, is a wicked act of vandalism and should be made illegal by international law. Those responsible for these outrages should be punished by a level of fines that would make it unprofitable to repeat such an offence.

KOMMENTAR:

Der Eigentümer kann mit seinem Eigentum machen, was er will. In Deutschland könnte man eine solche Handschrift zwar in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eintragen, wenn man sie als hinreichend wertvoll einstuft, aber gegen eine Versteigerung von Einzelblättern kann das Gesetz nichts ausrichten. Auch ausländische Interessenten können bedient werden, sie müssen ihre Erwerbungen nur in Deutschland lassen.

Der Schutz gegen Abwanderung ins Ausland ist kein Denkmalschutz!

MATERIALIEN ZUM ZERLEGEN VON MANUSKRIPTEN

Folgende Hinweise finden sich auf https://log.netbib.de (siehe Suche nach zerleg)

https://log.netbib.de/archives/2005/01/23/destroying-a-treasure/
Houghton zerlegte eine eine der kostbarsten persischen Handschriften

https://log.netbib.de/archives/2004/08/06/zerlegen-von-handschriften-bei-ebay/
Powerseller bei Ebay zerlegt Handschriften und Drucke

https://log.netbib.de/archives/2004/08/05/antiquare-als-kriminelle/
Antiquare als Kriminelle, Hinweis auf ein kleines Dossier
https://palimpsest.stanford.edu/byform/mailing-lists/exlibris/2004/08/msg00028.html
"There is an good article by Christopher de Hamel on the
history of this abominable practice: Cutting Up manuscripts
for Pleasure and profit, The 1995 Sol M. Malkin Lecture in
Bibliography (25 pp.)."

https://log.netbib.de/archives/2004/05/07/historische-besucherbcher-gefleddert/
Historische Besucherbücher werden gefleddert

https://log.netbib.de/archives/2004/01/29/zerlegung-einer-inkunabel/
Zerlegung einer Heldenbuch-Inkunabel

https://log.netbib.de/archives/2002/09/12/zobel-von-giebelstadt-als-kunstsammler/
Antiquar Meuschel erforscht Kupferstichmappe und verkauft sie dann einzeln

Zerlegte Atlanten, ein Zitat:
"Es sind nur wenige alte Einzelkarten im Umlauf. Ohne zerlegte Bücher wäre das Geschäft mit alten Karten praktisch am Ende. Doch mittlerweile sind so viele Atlanten auseinander genommen worden, dass diese Methode immer weniger Gewinn bringt, selbst für Graham Arader. “Ich zerlege keine Bücher mehr. Ich muss nicht mehr”, sagt er. “Zurzeit sind ganze Bücher mehr wert als die Summe ihrer Teile. Ob ich damit am Anfang mein Geld verdient habe? Darauf können Sie Ihren Arsch verwetten. Ob ich deswegen jetzt ein ungutes Gefühl habe? Ja, hab ich. Wenn ich jetzt aus sicherer Höhe darauf zurückblicke, sage ich: Hätt ich das bloß nicht gemacht! Aber ohne das hätte ich es nicht geschafft. Ich habe einen Atlanten für 10000 Dollar gekauft, ihn auseinander genommen und für 100000 Dollar verkauft. Es war Wahnsinn. Heute zahlt man für so ein Buch 150000 Dollar, wenn man es dann zerlegen würde, brächte es nur 90000 Dollar. So was tut man natürlich nicht.”" (Miles Harvey, Gestohlene Welten, ²2001, S. 71f.)

Bildergalerie

Koelitz 87

Alles weitere unter https://archiv.twoday.net/stories/2918302/

Die Porträts Christophs besprach der Numismatiker Friedrich Wielandt: Porträtstudien zum Stundenbuch Markgraf Christophs I. von Baden, ZGO 128 (1980), S. 463-475 (S. 464 A. 2 erwähnt er am Rande Kircher Nr. 27, 276).

Sollte man angesichts der aktuellen Debatte um Museumsverkäufe (siehe etwa https://archiv.twoday.net/stories/2897008/ ), die aus Anlass des Krefelder Monets und der glücklicherweise verhinderten Handschriftenverkäufe aus der Badischen Landesbibliothek (mit der ministeriellen Aufforderung zu mehr "Profilbildung" in den Museen) geführt wird, nicht erwarten, dass ein Stadtmuseum und ein Museumsverein sich des Themas mit äußerster Sensibilität annehmen und vor dem Tabubruch zurückschrecken? Nichts da, ausgerechnet meine Heimatstadt Schwäbisch Gmünd, der ich mich nach wie vor eng verbunden fühle, wird eine alte Zinnfiguren-Sammlung versteigern lassen.

Alles weitere entnehme man dem folgenden offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Gmünd.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

als heute der Rundbrief des Gmünder Museumsvereins e.V., unterzeichnet vom 1. Vorsitzenden Ulrich Fischer, im Briefkasten lag, traute ich meinen Augen nicht, als ich die folgende Passage las:

"Bei der letzten Mitgliederversammlung [im Oktober] hatte ich Ihnen unter anderem erläutert, dass der Verein die Zinnfigurensammlung unseres Museums zur Verwendung übernehmen wolle. Dies ist inzwischen geschehen, und die wesentlichen Teile wurden einem Spezialisten für Zinnfiguren in Nürnberg übergeben. Dieser wird die erste Hälfte der Sammlung, die insgesamt aus 30.000 bis 35.000 Stück besteht, Ende März 2007 versteigern lassen; den Rest später. Er erwartet einen guten Erlös, der voll unserem Museum zu Gute kommen wird." Angekündigt wird ein Verkauf von ca. 3000 zurückbehaltenen Figuren für lokale Interessenten am 16./17. Dezember im Museum.

Ich habe sofort mit der Leiterin des Museums Frau Dr. Gabriele Holthuis telefoniert und meine Empörung zum Ausdruck gebracht. Zugleich habe ich sie gebeten, Herrn Fischer zu übermitteln, dass ich mit sofortiger Wirkung unter Protest aus dem Museumsverein austrete. Es ist mir nicht gelungen, umfassende Informationen von Frau Holthuis zu erhalten. Auf die Frage, in welcher Form die Zinnfigurensammlung im Museum dokumentiert war, erklärte sie, diese Frage sei inquisitorisch. Nachdem ich ihr bestätigt hatte, dass mich die ganze Sache nichts angehe, sah ich mich genötigt, das Gespräch zu beenden.

Der Gedanke, dass meine geliebte Heimatstadt Schwäbisch Gmünd, der ich einen wesentlichen Teil meiner wissenschaftlichen Arbeit als Historiker gewidmet habe (ablesbar an unzähligen Publikationen, zuletzt im Sammelband über Dominikus Debler), in dieser Weise ein wohlbegründetes Tabu bricht, lässt mich emotional nicht kalt. Hier geht es um den Kern des Kulturauftrags von Archiven, Bibliotheken und Museen. Als Archivar, tätig in Aachen, kann ich nur aufgebracht reagieren, wenn eine historische Museums-Sammlung in einem Auktionshaus landet.

Tag für Tag dokumentiere und kommentiere ich in dem Weblog ARCHIVALIA https://archiv.twoday.net den Stand des Karlsruher Kulturgutdebakels, und auch dieser offene Brief ist dort nachzulesen. Mehrfach haben Vertreter der Museumsverbände in der Presse oder bei Interviews unterstrichen, dass Museumsbestände nicht zur Disposition der klammen Stadtkämmerer und Finanzminister stehen. Sie finden Materialien zur Diskussion unter
https://archiv.twoday.net/stories/2897008/

Es spricht für sich, dass die Museumsleiterin sich nicht sofort auf das Positionspapier des Museumsbundes 2004 und die ICOM-Richtlinien zur Abgabe von Sammlungsgut beziehen konnte, auf die ich sie ansprach.

Ich kann es Ihnen nicht ersparen, aus diesen Richtlinien, die für das fachliche Arbeiten in deutschen Museum die gültige Leitlinie darstellen, zu zitieren. Sie finden Sie unter
https://www.icom-deutschland.de/docs/positionspapier.pdf

"Der Auftrag der Museen und ihrer für die Sammlungen verantwortlichen Träger gilt damit der Bewahrung des kulturellen Erbes in ihren Sammlungen. Vor diesem Hintergrund geht es grundsätzlich darum, Sammlungen zu erhalten und auszubauen. Die Objekte der musealen Sammlungen sind bewusst und endgültig dem Wirtschaftskreislauf entzogen, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie für nachfolgende Generationen zu bewahren. Die Abgabe von Sammlungsgut kann dementsprechend nur ausnahmsweise und unter geregelten Voraussetzungen erfolgen, die diesem Auftrag nicht widersprechen. Dieser Grundsatz gilt für alle Museumstypen und alle Museumssparten und ist weltweit verbindlich festgelegt im „Code of Ethics for Museums“ des Internationalen Museumsrates (ICOM)."

Aufgrund des Telefonats mit der Museumsleiterin habe ich keinerlei Anhaltspunkte davon auszugehen, dass diesen Richtlinien Rechnung getragen wurde.

Ich habe zu dem Themenkomplex, da ich mich mit Zinnfiguren nicht auskenne, noch ein ergänzendes Telefonat mit dem Leiter des Nürnberger Spielzeugmuseums Dr. Helmut Schwarz geführt. Dieser erklärte, ein Verkauf auf dem Wege der kommerziellen Versteigerung könne nur als "allerletzter Notnagel" in Betracht kommen. Er hoffe, dass er nie in Verlegenheit kommen werde, Sammlungsbestände in dieser Weise zu veräußern.

Ich kenne die Gmünder Zinnfiguren-Sammlung nicht und habe nie von ihrer Existenz gehört. Auch war ich bei der Mitgliederversammlung im Oktober nicht anwesend, sonst hätte ich damals bereits protestiert.

Es handelt sich um eine historische Sammlung durchaus beträchtlichen Umfangs (im Museumskontext wohl als "Sammlung mittlerer Größe" einzuschätzen), die im Jahr 1930 von einem Privatsammler dem Museum geschenkt wurde. Die Figuren stammen aus der traditionellen Nürnberger Firma Heinrichsen.

Die Sammlung ist über 75 Jahre alt, sie hat schon von daher einen gewissen Altertumswert. Würde es sich nur um wertlosen "Erster-Weltkriegs-Schrott" mit riesigen Schlachtenszenen handeln, so könnte nicht die Rede davon sein, dass der Spezialist einen "guten Erlös" erwartet. 100 "Feldgraue" sind schon für unter 20 Euro zu haben.

Ich zitiere nochmals aus dem Schreiben von Herrn Fischer: "Bitte beachten Sie, dass Zinnfiguren kein Kinderspielzeug sind, sondern liebevoll handbemalte Kunstgewerbegegenstände, die mindestens 80 bis 120 Jahre alt sind und von einer ernsthaften Sammlergemeinde zum Teil hoch bezahlt werden. Dementsprechend sind einzelne Figurengruppen in Originalverpackung relativ teuer".

Bei dem guten Erlös wird man also an einen Betrag von weit über 1000 Euro zu denken haben. Damit fällt das auf dem Markt angebotete Konvolut unter die Kategorie B des Positionspapiers (Versicherungswert über 1000 Euro), für die verbindlich geregelt wurde:

"Die fachlich verantwortliche Museumsleitung - in Abstimmung mit der Trägerinstitution - wählt die entsprechenden Objekte aus und schlägt eine Ausgliederung vor. Die Entscheidung im Sinne eines gutachterlichen Votums darüber wird durch eine externe Kommission getroffen, der ausdrücklich kein Angehöriger des betroffenen Museums und auch kein Angehöriger der jeweiligen Trägerinstitution angehört. Für die Objekte nach Kategorie b ist eine „kleine Kommission“ zu bilden, die sich aus drei Fachleuten aus dem Museumsbereich zusammensetzt; diese „kleine Kommission“ wird jeweils im Einzelfall zusammengerufen und ihre Zusammensetzung variiert je nach Museumskategorie und je nach regionalem Standort des Museums."

Zwar sprach Frau Holthuis davon, dass sie die Entscheidung nicht allein getroffen habe, aber ich denke nicht, dass es zur zwingend gebotenen Einsetzung einer externen Kommission gekommen ist.

Auch wenn bei einer Diskussion im Wissenschaftsausschuss des Landtags das Positionspapier als "überbürokratisch" kritisiert wurde ( https://archiv.twoday.net/stories/2843831/ ), so war man sich dort doch über die Notwendigkeit einer Expertenkommission einig.

Keine Museumsleiterin, kein Stadtkämmerer und kein Museumsverein hat das Recht, den traditionellen Bewahrensauftrag der Museen aufs Spiel zu setzen - und wenn es sich auch "nur" um Zinnfiguren handelt, die ja keine Unikate darstellen.

Es ist sinnvoll, dass unabhängiger Sachverstand in einem transparenten und fairen Verfahren beteiligt wird.

Es ist genauso sinnvoll, bei historischen Museumssammlungen die Öffentlichkeit zu beteiligen, auf deren Hilfe und Unterstützung jedes Museum angewiesen ist.

Wieso hat man die zum Verkauf vorgesehenen Stücke nicht ausgestellt, so wie man den Krefelder Monet ausgestellt hat, um den Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Bild zu machen, ob die Zinnfigurensammlung tatsächlich alter Ramsch ist, der Schwäbisch Gmünd ohne Schaden verlassen kann?

Es gibt eine ganze Reihe von Zinnfigurenmuseen, die teilweise als touristische Attraktionen ihres Standorts gelten. Wurde überhaupt geprüft, ob eine touristische Nutzung in Gmünd außerhalb des Museums in Betracht kommt? Mit 30.000-35.000 Figuren wäre die Sammlung sicher groß genug, um sie wenigstens teilweise auszustellen.

Und selbst wenn sie nicht ins Sammlungskonzept eines modernen Stadtmuseums passt: Wo kann ich die "schriftlich formulierte() und langfristig fortzuschreibende(), verbindlichen()
SAMMLUNGSKONZEPTION für das betreffende Museum" einsehen, die von den genannten Richtlinien als Voraussetzung für jede Abgabe von Sammlungsgut betrachtet wird?

Stadtmuseen sind ihrer Geschichte nach meistens "Heimatmuseen", und der heute belächelte Rumpelkammercharakter war ihnen inhärent. Eine große Zinnfigurensammlung auch ohne lokalen Bezug wurde 1930 offenbar als Bereicherung des Museums gesehen. Auch wenn sie wohl nie ausgestellt wurde, ist die Teil doch Zeugnis der Sammlungsgeschichte des Schwäbisch Gmünder Museums, sie spiegelt nur als Ganzes den (womöglich militaristischen) Zeitgeist der Jahre, in denen sie der Sammler vor 1930 zusammengetragen hat.

Die Reaktion von Frau Holthius auf die nur zu berechtigte Frage nach der Form der Dokumentation lässt erwarten, dass eine hinreichende museumsgeschichtliche Aufarbeitung der Sammlung (etwa anhand umfangreicher Fotos der Zinnfiguren-Gruppen) nicht mehr möglich sein wird.

Wenn keine ausreichende Dokumentation vorhanden ist, ist es auch sinnlos, andere Museen zu kontaktieren, da diese nur über etwas entscheiden können, was sie anhand von Beschreibungen und Fotos beurteilen können. Offenbar hat man zwar andere Museen kontaktiert. Dass aber das Germanische Nationalmuseum angefragt wurde, zeigt nur, dass hier keinerlei Fachwissen vorhanden war, denn Museumsfachleute wissen, dass eine solche Anfrage angesichts des Umfangs der Bestände des GNM aussichtslos war.

Wieso wurde nicht die Möglichkeit einer Dauerleihgabe an ein Zinnfiguren-Spezialmuseum erwogen?

Rechtfertigt die Aussicht auf einen "guten Erlös", den man angesichts der kommunalen Finanzengpässe natürlich gut gebrauchen kann, den traditionellen Auftrag des Bewahrens über Bord zu werfen?

Ich bin also durchaus nicht der Ansicht, dass die Sammlung auf Biegen und Brechen in den Magazinen des Städtischen Museums verbleiben müsste. Aber ich sehe keine verantwortungsvolle Prüfung der Frage, die dem Stand der öffentlichen und der museumsfachlichen Debatte auch nur im entferntesten gerecht wird.

Eine Auktion, bei der andere Museen die Gebühren des Versteigerers tragen müssen, ist immer der schlechteste Weg, sich einer solchen Sammlung verantwortungsbewusst zu entledigen. Auktionen zerstreuen gewachsene Sammlungen!

Der hier gewählte Weg sendet für die Bürgerinnen und Bürger ein denkbar schlechtes Signal aus. Zwar konnten offenbar keine Nachfahren des Schenkers mehr ermittelt werden, und irgendeine besondere Auflage hat er wohl nicht gemacht - aber heisst das, dass alles zur Disposition steht, was für die Nachwelt bewahrt werden soll, nur weil Zinnfiguren in Stadtmuseen aus der Mode gekommen sind? Wissen wir wirklich, dass der Sammler mit der Zerstreuung seiner liebevoll zusammengetragenen Sammlung einverstanden gewesen wäre? Muss man nicht auch ohne ausdrücklichen Vertrag annehmen, dass ein Stifter ein Museum bedenkt, weil er annimmt, dass sein Geschenkt dort gut und vor allem dauerhaft aufgehoben ist? Ist es nicht im Gegenteil so, dass man bei älteren Schenkungen grundsätzlich annehmen muss, dass mit der Annahme des Geschenks die stillschweigende Zusicherung verbunden war, die Sammlung als Ganzes zu bewahren?

Wenn Bürgerinnen und Bürger sehen, dass unmodern gewordene Sammlungsteile eines Stadtmuseums verscherbelt werden, sind sie dann wirklich motiviert, generöse Stiftungen zu machen?

Wer kann wirklich die Hand dafür ins Feuer legen, dass in ökonomisch weniger angespannten Zeiten dereinst der Verkauf der Zinnfigurensammlung ebenso bedauert werden wird, wie wir heute entsprechende Museums-Fehlentscheidungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bedauern?

Ich bin nicht der Ansicht, dass es sinnvoll war, aus den Gemeindeordnungen den Passus über den Genehmigungsvorbehalt bei der Veräußerungen von Gegenständen mit wissenschaftlichen, künstlerischem oder geschichtlichen Wert zu streichen. Im vorliegenden Fall und bei allen vergleichbaren Verkäufen aus Museen würde ich mir wünschen, dass eine Aufsichtsbehörde den Verkauf kontrolliert und dass auch Verbände über ein Verbandsklagerecht im Einzelfall die Veräußerung von offenkundig Erhaltenswertem verhindern könnten.

Wenn ich recht sehe, hat das Museum (wohl unentgeltlich) das Eigentum dem Museumsverein übertragen hat, der die Vermarktung übernimmt. Da die Sammlung städtisches Eigentum war, kann ich nicht erkennen, dass bei dieser Konstruktion der Vorschrift von § 92 Gemeindeordnung BW, wonach Vermögensgegenstände "nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden" dürfen, Rechnung getragen wurde. Die Kommune kann sich der Geltung der Haushaltsgrundsätze nicht dadurch entziehen, dass sie Verkäufe von Museumsgut an einen privaten Verein "outsourct".

Museen sind keine modischen Ausstellungsbetriebe, die das abstoßen dürfen, was gerade nicht en vogue ist. Museen sind "Sacharchive" mit unveräußerlichen Beständen, aber eingebunden in ein Netz fachlicher Kooperationen. Es muss durchaus möglich sein, Bestände zwischen Museen auszutauschen oder in jeder Hinsicht Wertloses zu entsorgen. Museen müssen aber auch in Zukunft die stillschweigende Vereinbarung mit Schenkern einhalten, dass Geschenktes nicht verkauft und geschlossene Sammlungen nicht zerstreut werden, dass sie dem Kulturgut und sei es auch so bescheiden wie eine Zinnfigurensammlung bleibend schützende Obhut gewähren.

Abgaben von Museumsgut sind nur dann verantwortbar, wenn sie mindestens nach den Vorgaben von ICOM und der Museumsverbände und in Absprache mit diesen erfolgen. Und es ist den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich mit ihren Meinungen an einem transpartenten und ernsthaften Dirskurs zu beteiligen.

Ich werde mir daher erlauben, die örtliche Presse und die Museumsverbände zu informieren.

Ich bin bei aller rationalen Argumentation gegen Abgaben von Museumsgut entsetzt darüber, wie leichtfertig und unsensibel hier eine historische Sammlung des Stadtmuseums dazu benutzt werden soll, Haushaltslöcher des Museums zu stopfen.

Ich habe eine Reihe von kritischen Fragen gestellt und wäre Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister dankbar, wenn Sie mir eine zufriedenstellende Antwort darauf geben könnten.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Klaus Graf

 

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