Kulturgut
Wenn man aber liest: "Kloster (1652-1802) aufgehoben durch Bayern. Der Band lag nacheinander in mehreren Kapuzinerklöstern, zuletzt in Rottenburg.", so scheint die Funktion einer Provenienzdatei nicht verstanden worden zu sein. Und Immenstadt wurde keinesfalls 1802 aufgehoben (siehe hier).
KARLSRUHE (lsw). Ein wegen Diebstahls vorbestrafter Freigänger hat aus dem Landesarchiv in Karlsruhe Akten, Dokumente und Urkunden im Wert von etwa 100 000 Euro gestohlen. Der Mann, der als Hilfskraft für Packarbeiten im Archiv arbeitete, hatte im vergangenen August über 500 Stücke entwendet, bestätigte gestern Archivleiter Volker Rödel. Nur 28 Dokumente seien wieder zurückgegeben worden. Zwei Auktionshäuser sowie Kunden bei einem Internet-Versteigerer hatten sich beim Landesarchiv gemeldet, nachdem ihnen die Herkunft der angebotenen Stücke dubios erschien. Der Mann war danach verhaftet worden.
¸¸Den Rest werden wir wohl schwerlich zurückerhalten", sagte Rödel weiter. Vermutlich habe der Täter die Dokumente vor allem auf Flohmärkten und bei einschlägigen Händlern verhökert. ¸¸Das bekommt man dann nur selten wieder", sagte der Archivleiter. Er habe aber noch Hoffnung, dass der Dieb nach der Eröffnung des Verfahrens gestehen werde und das eine oder andere Dokument wieder auftauchen werde.
Bei den gestohlenen Schriften handelt es sich nach Angaben des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums ¸¸wohl um Eigentum des Hauses Baden, das als Dauerleihgabe im Archiv lagerte". Vor allem sind es Stücke aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert zur Geschichte Badens und der Adelsfamilie.
Freigänger aus der Justizvollzugsanstalt Bruchsal wurden seit 2001 im Karlsruher Archiv eingesetzt, um die empfindlichen Dokumente neu in licht- und luftdichte Kartons zu verpacken. ¸¸Meine Bedingung damals war, das wir keine wegen Eigentums- und Sittendelikten vorbestraften Arbeiter zugeteilt bekommen", sagte Rödel. Nach dem Diebstahl habe er die Zusammenarbeit eingestellt. Inzwischen würden Hilfskräfte auf Ein-Euro-Basis die Arbeiten erledigen.
Dagegen berichtet die ka-news vom 9.3.2007:
https://www.ka-news.de/karlsruhe/news.php4?show=tst200739-11E
Dokumente im Wert von 10.000 Euro entwendete ein Freigänger der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, der als Hilfsarbeiter beim Generallandesarchiv in Karlsruhe gearbeitet hat. Wie der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Rainer Bogs, gegenüber ka-news klarstellt, hatte der 54 Jahre alte Täter 28 Dokumente entwendet, "und nicht 500 oder 550 Dokumente, wie es die Runde macht". Diese Zahl war in verschiedenen Medienberichten genannt worden.
Zwar fehlen im General-Landesarchiv tatsächlich 500 Dokumente, doch gibt es "keine hinreichenden Verdachtsmomente" gegen den ehemaligen Freigänger, weiß Bogs zu berichten. Begründet werden konnte hingegen der Verdacht, dass der ehemalige Hilfsarbeiter Dokumente an einen Karlsruher Antiquitätenhändler verkauft hatte. Dieser Händler erregte durch den Versuch, eines der gestohlenen
Dokumente Ende August vergangenen Jahres in einem Internet-Auktionshaus zu versteigern, die Aufmerksamkeit des Generallandesarchivs. Dieses schaltete sofort die Staatsanwalt ein. Die entwendeten Schriftstücke sollen überwiegend aus dem Besitz des Hauses Baden stammen.
Dokumenten-Dieb in Untersuchungshaft
Zwei weitere Dokumente aus dem Landesarchiv konnten daraufhin beim besagten Antiquitätenhändler aufgefunden werden. Zur Zeit laufen Ermittlungen gegen fünf Personen, die der Hehlerei verdächtigt werden, da sie ebenfalls Dokumente vom
Täter gekauft hatten. "Man konnte die Kette zurück verfolgen", erklärt Pressesprecher Bogs. Auf diese Weise konnten alle gestohlenen Dokumente wiederbeschafft werden. Der Täter, der nach Angaben des SWR seine ursprüngliche Haftstrafe in der Haftanstalt Bruchsal verbüßte und dessen ursprüngliche
Haftstrafe seit Dezember vergangenen Jahre als verbüßt gilt, befindet sich seit dem Auffliegen des Diebstahls in Untersuchungshaft. (tst)
Der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Peter Frankenberg, erklärte dazu in der Plenarsitzung des Landtags BW vom 14.03.2007, dass eine Wiederbeschaffung der Archivalien fraglich sei. Die Verluste würden nach derzeitigem Kenntnisstand auf 500 Blatt (aus ca. 74 Regalmetern mit 4000 Urkunden und insgesamt 730 000 Blatt) beziffert. Die Identifizierung der fehlenden Blätter sei schwierig, weil immer auch ein Ersatzblatt hineingeschoben worden sei. Für die zu klärenden Eigentumsverhältnisse zwischen dem Haus Baden und dem Land sei dies aber ohne jede Bedeutung, da die gestohlenen Archivalien verfilmt gewesen seien.
Die Diskrepanz zwischen den genannten 100.000 bzw. 10.000 EUR (Marktwert) ergibt sich offenbar lediglich aus dem Umstand, dass nur für die 28 komplett wiederaufgetauchten Archivalien der Diebstahl nachgewiesen werden konnte, es gibt keine hinreichenden Verdachtsmomente, daß auch der Rest auf das Konto des gleichen Diebes geht.
Der Großteil von Diebstählen aus Archiven dürfte wie in diesem Fall intern passieren (Archivpersonal, incl. Hilfskräften), begünstigt wird dies durch den stetig wachsenden Schwarzmarkt für Autographen und historische Dokumente jeder Art, sowie Hehlerei im Antiquitätenhandel, in Osteuropa z.T. durch die schlechte Bezahlung und soziale Absicherung und die damit verbundene Personalkrise befördert. Zum Problem des Diebstahls in Archiven, des schwunghaften Handels und der Hehlerei mit Archivalien vgl. das aufschlußreiche Position Paper von Hennadii Boriak, THEFTS IN ARCHIVES: NEW DANGER, NEW CHALLENGE. How to prevent losses (VII. Europäische Archivkonferenz in Warschau im Mai 2006). Boriak meint:
Thus, we can witness a fact of powerful illegal market having appeared at the beginning of the new Millennium, with a circulation of documents stolen both from the public and private archives.
Archival thefts are basically different from museums and libraries thefts: in most cases, archives thefts and sales of stolen documents are mainly performed by a corrupted archivist, in other words, this is mostly internal criminal.
Z.T. sind aber vermutlich selbst staatliche Stellen involviert, man vgl. etwa die gestohlenen und zerstörten Archivalien aus den National Archives in Washington ("Berger pleads guilty to theft of classified Archives papers", The Washington Times, April 02, 2005 oder die Vorkommnisse in der Ukraine, ein Fall politischer Korruption, in den Boriak möglicherweise selbst involviert war ("Thefts from historical archives in Lviv raise troubling questions", The Ukrainian Weekly, Nov 6, 2005, No. 45, Vol. LXXIII, Followup (Nov 12) unter "An update on losses from Lviv Archives", https://www.ukrweekly.com/Archive/2005/500516.shtml und "Thefts at the Lviv Archives: researchers comment",
https://www.ukrweekly.com/Archive/2005/500517.shtml ).
Zur Problematik der Hehlerei vgl. auch die Diskussion unter
https://archiv.twoday.net/stories/3435310/ (Grauzonen des Antiquariatsgewerbes) und die Warnung von FeliNo unter
https://archiv.twoday.net/stories/3046686/#3047815 (Hehlerei auf dem Markt der alten Schriften und Drucke, exzessives Verhökern von Archivalien als neue Qualität auf diesem Markt).
Gedanken zu ebay und Archivgut:
https://archiv.twoday.net/stories/2544153/
https://archiv.twoday.net/stories/2544165/
Gestohlenes Archivgut - erste Hilfe.
Oder: Ist der Edle Käufer womöglich der Dumme?
https://archiv.twoday.net/stories/2544090/
Was tun, wenn kirchliche Archivalien auf Flohmärkten oder im Internet auftauchen?
https://archiv.twoday.net/stories/3432140/
Gesammelte Werke. 15 Theile in 14 Bdn. -
Stgt.: J.B. Metzler 1845-1847
Zus. XX,4.853 Ss., 1 Bl., 1 Bl. Anzeigen. Kl.8°. Dunkelgrünes HLd. d.Z. über 4 aufgesetzten Bünden mit goldgeprägt. Rückentitel, Vergoldung mit Strichfilete an Kopf u. Fuß, Blindpräg. mit Filete u. großem blindgeprägt. Romantiker-Ornament im mittleren Rückenfeld, marmor. Bezugspapier u. Marmorschnitt (Ecken u. Kanten tls. leicht, Rücken nur vereinzelt min. berieben).
ERSTE GESAMTAUSGABE. - Die "tatsächlich erste Gesamtausgabe" (Kresse), die sogenannte 'Taschenausgabe' der Werke von Charles Sealsfield (1793-1864). - Inhalt: I-III. Der Legitime und die Republikaner. Eine Geschichte aus dem letzten amerikanisch-englischen Kriege; IV-VI. Der Virey und die Aristokraten, oder Mexiko im Jahr 1812; VII-VIII. Morton oder die große Tour; IX-XIII. Lebensbilder aus der westlichen Hemisphäre; XIV-XV. Das Cajütenbuch oder nationale Charakteristiken; jeweils in dritter ('Das Cajütenbuch' in zweiter) durchgesehener Auflage. - "Für den in der Taschenausgabe nicht enthaltenen Roman 'Süden und Norden' sind die Bde. 16-18 der Oktavausgabe (1842-1843) heranzuziehen." (Hagen 1). - Charles Sealsfield "lebte nach politischen Schwierigkeiten in Österreich über 15 Jahre in Amerika und seine amerikanischen Kulturromane, an der Spitze das 'Kajütenbuch', zeigen eine staunenswerte Vertrautheit mit den politischen, ökonomischen u. sozialen Zuständen in Amerika. Seine Romane werden zudem von einer für seine Zeit außerordentlich modernen Technik ausgezeichnet, die ihnen auch literarischen Rang geben." (Hartung & Hartung 104,2480). - Goedeke XV,631,338. - Klotz 6709/138. - Kresse 37. - Steinmann A 1.1.1.2 SK 2 AB 2889. - Wilpert-G.2 24. - Exemplar aus der Bibliothek der Kapuziner in Immenstadt, jeweils mit Bibliotheks-Exlibris, Stempel u. Signatur a.d. Vorsatz; Reihen- u. Haupttitel jeweils mit Bibliotheksstempel; durchgehend etw. stockfleckig; das erste Viertel in Thl. XIII am Kopfschnitt etw. wasserrandig; flieg. Nachsatzblatt von Thl. XIV mit kl. Eckabriß; die letzten Bll. in Thl. XV am Kopfsteg schwach knitterfaltig. - Guterhaltene Ausgabe in sehr dekorativen Romantiker-Halblederbänden.
Gibts beim Antiquariat Das Bücherhaus für 900 Euro.
Gibts NICHT in der UB Eichstätt, dort ist nur eine moderne Werkausgabe nachgewiesen.
Wenn man wissen will, was Kapuziner im 19. Jahrhundert an Belletristik gelesen haben, fällt die süddeutsche Provinz als Forschungsgebiet aus, denn solche Bände wird man in Eichstätt grundsätzlich als entbehrlich erachtet haben. Und damit erweist sich die Maßgabe des Vertrags mit den Kapuzinern, dass die Spiritualität und Seelsorgetätigkeit zu beachten sei, ex negativo als Geschichtsverfälschung. Wenn sie denn einen Hang zur Unterhaltungsliteratur hatten, der sich in ihren Bibliotheksbeständen niederschlug - in Eichstätt werden wir das gewiss nicht erfahren.
***
Immenstadt (1980 aufgegeben) war eines der Zentral- oder Aussterbeklöster in Bayern.
"1816: der Provinzverband wird offiziell aufgelöst durch ein königliches Dekret. Als Zentralklöster (Aussterbeklöster) blieben erhalten: In der Bayerischen Provinz: Burghausen, Wemding, Türkheim; dazu kamen Laufen (seit 1668 bei der Tiroler und seit 1782 bei der Kustodie Salzburg), Immenstadt (gegründet 1655 von der Schweizer Provinz, seit 1668 bei der Vorderösterreichischen, von 1782 - 1814 bei der Schwäbischen Provinz und durch den Pressburger Frieden von 1805 bei Bayern) und Altötting (gegründet 1654 als Franziskanerkloster). Als Zentralklöster blieben in der Fränkischen Provinz erhalten: Karlstadt, Königshofen, Ochsenfurt, Kitzingen; dazu kamen aus der Rheinischen Provinz: Aschaffenburg (gegründet 1620) und Lohr (gegründet 1664). Als Klöster blieben erhalten in der Schwäbisch-Pfälzischen Provinz: Eichstätt und Dillingen."
https://kapuziner-bayern.de/Aktuell/Mattenkapitel.pdf
Anderes Beispiel:
Bolanden, Conrad von
Königin Bertha. Historischer Roman aus dem XI. Jahrhundert. Mit 5 Illustrationen
Regensburg/NewYork/Cincinnati: Verlag von Friedrich Pustet, 1872
468 Seiten. Halbleineneinband. Gutes Exemplar. Stempel des Kapuzinerklosters Türkheim in Schwaben auf Vorsatz.
Nur Erstausgabe von 1860 in Eichstätt, die 3. Auflage 1872 laut KVK in Deutschland nur in der Diözesanbibliothek Köln nachgewiesen. Laut https://www.vthk.de/ auch im Priesterseminar Trier (VK 1998) und in Muri-Gries (Südtiroler Altbestandsbibliotheken).
Nebenan am Konferenztisch zerrieb Finanzminister Gerhard Stratthaus mittels eines Stößels Asche, Mäusedreck und etwas Kaliumpermanganat in einem Mörser.
"Fertig", sagte Stratthaus.
Er reichte Frankenberg die Schale. Mit einem Pinsel trug der Kunstminister das Gemisch auf das Papier auf. Dann griff er zu dem Bügeleisen, welches seine erschrocken dreinblickende Sekretärin während ihrer Mittagspause im Kaufhaus auf der anderen Seite der Königstraße besorgt hatte. Frankenberg zog das Bügeleisen über das Papier, studierte mit einem Vergrößerungsglas das Ergebnis und murmelte: "Prächtig, prächtig." Dann las er: "Wir, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden et cetera pp., schenken hiermit alle unsere Kunst-, Gemälde-, Münz- und Historische-Waffen-Sammlungen dem künftigen, nach den Gesetzen der Weltgeschichte unabweislich heraufdämmernden Volksstaat Baden und seinen republikanischen Rechtsnachfolgern." Weiter kam er nicht.
"Halt", rief Stratthaus. "Wer ist 'Wir'?"
"Na, der Großherzog", versetzte Frankenberg. "Pluralis majestatis", fügte er mit professoralem Unterton hinzu.
Stratthaus replizierte spitz: "Hat Seine Majestät auch einen Namen?"
Frankenberg stutzte. "Friedrich", erwiderte er schließlich. "Einen Friedrich gibt es praktisch in jeder Adelsdynastie." Also krakelte er "Wir, Friedrich, von Gottes Gnaden etc. pp." aufs vergilbte Papier.
Dann las Frankenberg weiter, diesmal in schroffem Ton: "Unser liebes Schloss Salem übergeben Wir, sobald Unser teures Volk zu sich selbst gefunden und die Fesseln der Knechtschaft abgestreift hat, Unserer Universität zu Freiburg, auf dass die Wissenschaft erblühe . . ."
https://archiv.twoday.net/search?q=j%C3%BCncke
und insbesondere zu
https://archiv.twoday.net/stories/2835396/
Das von Vilma Parlaghy 1895 gemalte Bildnis des Stifters der Jüncke'schen Sammlung befand sich in einem Konvolut, das 1995 bei Sotheby's veräußert wurde (Katalognummer ist nicht bekannt).
https://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Juencke_stifterbild.JPG
Frau Heike Kronenwett, Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden (vgl. auch hier und hier), teilte uns auf Anfrage folgendes mit:
Porträt des Louis JünckeEin Käufer aus der Schweiz wandte sich im Januar 1996 an die Stadt Baden-Baden, da er bei der Sotheby’s Auktion ein Bild „eines Herrn mit Federhut“ erworben hatte, zu dem er weitere Informationen suchte. Die Künstlerin und ein Ausstellungsaufkleber auf der Rückseite gaben ihm den Hinweis auf Baden-Baden.
Über Künstlerin Hinweis auf Badeblatt vom 12.07.1901:
„Hier findet sich auch ein Bildnis des Stifters der Sammlung, des Herrn Jüncke. Das prächtige, dem kraftvollen Pinsel Vilma Parlaghy’s entstammende Porträt, entstand im Jahre 1895 zu Berlin. Einer fröhlichen Stunde verdankt es seine Entstehung; in altdeutscher Rittertracht, auf dem Haupte den schweren,
federgeschmückten Schlapphut, die Linke auf den Degen gestützt, tritt uns der liebenswürdige Mäcen, trotz der seltsamen Tracht, lebensnah entgegen.“
Meiner Erinnerung nach hat der Käufer erwähnt, dass er das Bild in einem Konvolut erworben hätte und es stark verschmutzt gewesen wäre. Wir haben hier einen Farbausdruck in Originalgröße (nach Auskunft des Käufers) und dazu den Artikel aus dem Badischen Tagblatt vom 08.03.1997.
Soweit Frau Kronenwett. Im Badeblatt vom Juli 1901 heißt es laut Bericht im BT weiter: "Der Werth der hochinteressanten Sammlung, die sich als ein geschlossenes Ganzes darstellt, darf besonders darin gefunden werden, daß sich dieselbe als ein Stück internationaler Kunstgeschichte darstellt, und daß sie gewissermaßen einen großen Abschnitt der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts repräsentiert". Das von Johann Theodor Schall, Direktor der städtischen Kunstausstellung (des "Badener Salons") im Kurhaus verfaßte beschreibende Verzeichnis listet unter anderem die deutschen Maler Lenbach, Achenbach, den Hofmaler Saal und den Baden-Badener Puhonny auf. Daneben umfaßte die Sammlung Arbeiten von Künstlern aus der K.u.K. Monarchie, Frankreich, Spanien, Italien und Belgien. Das BT (Verfasserin des Artikels: Renate Dülk-Trefs) schließt mit der Frage "Ob Louis Jüncke auch so selbstsicher und entschlossen geschaut hätte, wenn er gewußt hätte, wie wenig Interesse seiner Gemäldesammlung einmal entgegengebracht wird?" (KlausGraf/BCK)
https://www.radio.cz/de/artikel/43610
Das wertvollste Ensemble im ganzen Museum ist die Kapuziner-Bibliothek. Es handelt sich um eine originale barocke Klosterbibliothek, die im historischen Mobiliar aufbewahrt wird. Sie beinhaltet 1700 Bände, gebunden im weißen Schweineleder. Man kann daran sehen, dass man bereits in der Barockzeit begann, die Bücher alphabetisch zu ordnen. Meistens handelt es sich um lateinisch geschriebene Bücher. Die Bibliothek stammt aus Roudnice nad Labem (Raudnitz).
Als Vorsitzender des "Verbandes deutscher Antiquare" werde ich daher anwaltlich prüfen lassen, in wieweit man mit Rechtmitteln gegen rufschädigende öffentliche Äußerungen von Ihnen, wie etwa "Der Antiquariatsbuchhandel ist ein halbseidenes Gewerbe, in den Randzonen offen zur Kriminalität" ( https://archiv.twoday.net/stories/3399900/ ) vorzugehen, um eine Unterlassung zu erwirken.
Ich sehe keinen Grund, diese Aussage zurückzunehmen. Sie ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Vom 2. bis 5. März 1998 versteigerte das Stuttgarter Auktionshaus Bernd Rieber das Mobiliar des Herrenhauses von "Gut Trages" (bei
Somborn/Freigericht zwischen Hanau und Gelnhausen), seit 1751 Stammsitz der bedeutenden Beamtenfamilie von Savigny. Ihr berühmtestes Mitglied: der Jurist Friedrich Carl von Savigny (1779-1861). Außer- und Gebrauchsgegenständen wurden auch Familienunterlagen und die Bibliothek mit wertvollen Altbeständen verkauft. "Ungewöhnlich schmerzhaft" sei in
diesem Fall die "Zerstörung eines Ensembles", schrieb Michael Stolleis in der FAZ vom 3. März 1998.
Eine solide Dokumentation fehlt: "Die kuriosen Beschreibungen des Katalogs zeigen, daß man sich nicht die Mühe machte, das Ausgeräumte im einzelnen zu identifizieren und zu schätzen"
(Hartwig Schultz, Savigny-Nachlaß aus Trages kam unter den Hammer, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 26 vom 31.3.1998, S. A 217-218, hier S. A 217).
Zur Geschichte von Gut Trages:
https://www.hr-online.de/website/derhr/home/presse_meldung_einzel.jsp?rubrik=4826&key=presse_lang_25636778
https://de.wikipedia.org/wiki/Freigericht_%28Hessen%29#Hof_Trages
https://www.freigericht.de/3Rathaus/B%C3%BCrgerInfo/02_Historie/206_GeschichteHofTrages.htm
(mit Bild)
Aus dem Artikel von Stolleis:
"Das Stuttgarter Auktionshaus Bernd Rieber versteigert noch bis zum Donnerstag das Innere eines Herrenhauses zwischen Gelnhausen und Hanau. Aufgerufen werden Moebel und Teppiche, Rahmen und Spiegel, Bilder und Skulpturen, Muenzen, Medaillen und Orden, Uhren und Spielzeug, Vasen und Teller, Messer und Gabeln sowie Buecher: Dichtung, Historisches, Reisen, vor allem aber Juridica. Viele alte Familien hueten solche Schaetze, und manche von ihnen koennen sie nicht zusammenhalten, so dass am Ende die Stuecke in den grossen Kreislauf der Sammlungen, der Bibliotheken und der unergruendlichen Katakomben musealer Depots zurueckkehren. Wer Geld hat, mag sie also erwerben, die Pokale und die Zuckerzangen, die Kerzenleuchter und die Vasen.
Aber in diesem Falle ist die Zerstoerung eines Ensembles doch ungewoehnlich schmerzhaft. Das Herrenhaus von "Gut Trages" (bei Somborn, Freigericht) ist nicht irgendeines. Seit 1751 war es der Stammsitz der Familie von Savigny, die Beamte und Diplomaten im Dienst der Haeuser Leiningen, Nassau-Weilburg, Kurpfalz und Wuerttemberg hervorgebracht hatte. Dann stieg ihr eigentlicher Glanz auf, der wohl beruehmteste deutsche Jurist, Friedrich Carl von Savigny (1779 bis 1861), Professor in Marburg, Landshut und Berlin, preussischer Minister und Staatsrat, verheiratet seit 1804 mit Gunda Brentano. [...]
Vor ein paar Jahren waren wir mit jungen Rechtshistorikern zu Besuch gewesen, liebenswuerdig eingeladen und bewirtet, betrachteten mit einer gewissen Scheu die Raeume und ihr Interieur, schlugen die Handexemplare der Werke Savignys auf und stiegen mit einer Kerze hinunter in die Gruft. [...]
Nun ist es zu Ende. Das Haus kann renoviert, getuencht und zu welchem Zweck auch immer genutzt werden. Die beweglichen Gegenstaende sind davongeflattert, und in vielen Faellen wird man schon nach wenigen Jahren nicht mehr wissen, welche Farben, Duefte und Historien oder Histoerchen sich damit verbunden haben. Wenige Kenner werden gluecklich sein. Aber als Ganzes wird es dies nie mehr geben. Der Geist macht sich davon. Zurueck bleiben die kahlen Waende und die Nummern im Katalog."
In der Chronik des Legal History Review 67 (1999) H. 1/2, S. 200 notierte R. Feenstra (Leiden):
"Vente de livres par les descendants de Savigny. – A la suite d’une suggestion de M.
Werner Kundert (Arlesheim) nous signalons à nos lecteurs la vente de l’inventaire du
“Schlossgut Trages”, une propriété près de Francfort-sur-le Main qui a appartenu à
Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) et qui est restée dans la famille jusqu’à nos
jours. Il en existe un catalogue publié par l’“Auktionshaus Bernd Rieber” à Stuttgart
sous le titre Auktion mit Auflösung Schlossgut Trages (mars 1998). La bibliothèque est
décrite sous les nos. 5751 à 6353. Ce n’est qu’une partie de ces numéros qui a dû
appartenir à F.C. von Savigny (provenant de ses ancêtres ou acquise par lui-même); il
y a un bon nombre d’ouvrages qui datent d’aprês sa mort. Ce ne fut certainement pas sa
bibliothêque de travail, qui, comme on le sait, est dispersée à plusieurs endroits. A la
Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz à Berlin il y a le très important “legs Savigny”,
qui est décrit d’une façon assez détaillée dans Verzeichnis der von dem verewigten
Herren Staatsminister Carl Friedrich von Savigny mittelst Legats vom 26. Mai 1852 der
Königlichen Bibliothek zu Berlin vermachten Werke (Berlin 1865). A Bonn il existe une
“Savigny-Bibliothek” assez intéressante, qui est maintenant à la Bibliothèque de
l’Université mais qui autrefois était conservée dans une maison privée (où, en 1984 et
1985, nous avons pu la consulter pour nos recherches bibliographiques concernant les
professeurs de droit aux universités néerlandaises de 1575 à 1811). Finalement une
partie importante des livres de Savigny nous est conservée dans le “Savigny-Nachlass”
à la Bibliothèque de l’Université de Marbourg. Ce qui a été vendu en mars 1998 est sans
doute beaucoup moins intéressant que ces collections à Berlin, à Bonn et à Marbourg,
mais on y trouvera quand-même quelques livres qui méritent l’attention, par exemple
des ouvrages de Savigny lui-même avec notes manuscrites."
Beschämend für Europa ist, was man in der gleichen Zeitschrift 72 (2004), S. 396 von C. J. H. Jansen (Nimwegen) liest:
SAVIGNYS VORBEREITUNG EINER ZWEITEN AUFLAGE DES ‘SYSTEM DES HEUTIGEN RÖMISCHEN
RECHTS’, hrsg. v. J. Murakami [und] K.W. Nörr. Mohr (Siebeck), [Tübingen 2003].
[III] + 47 S.
Die Toin University of Yokohama (Japan) hat 1998 die aus seinem Herrensitz des
zwischen Hanau und Gelnhausen gelegenen ‘Hofgutes Trages’ stammende Bibliothek des
Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) erworben. Diese 262 Titel in 474 Bänden umfassende
Sammlung hat insgesamt in der Bibliothek der Toin University unter der Bezeichnung
Savigny Bibliothek ihren Platz gefunden. Ein Jahr später gelang es der Universität
rein zufällig ein Exemplar des System des heutigen Römischen Rechts, das Savigny persönlich
gehörte, zu kaufen und der Savigny Bibliothek einzuverleiben. In diesem Exemplar hat
Savigny eigenhändig im Rande der Bände 2 und 4 bis 8 Korrekturen nachgetragen (z.B.
wurden Druckfehler gestrichen, Zitate verbessert und Stellen aus den Digesten und übrigen
Quellen hinzugefügt) und Ergänzungen vorgenommen (wie z.B. hinsichtlich der Verjahrung
und der condictio). Offensichtlich hatte Savigny vor, eine zweite Auflage des Systems zu
veröffentlichen. Knut Nörr, seit 1971 ordentlicher Professor an der Universität Tübingen,
hat die Transskription der Savignyschen Bemerkungen angefertigt, seine Literaturhinweise
vervollständigt, und einige kurze Bemerkungen samt neuer Literatur hinzugefügt."
Nörrs Buch, eine Einführung und ein Katalog der Bände ist online unter
https://savigny.toin.ac.jp/savigny/menu_top.jsp
"Accordingly, most of the Savigny collections were taken away from the Savigny family itself. But his personal collection was kept in a manor proprietor's home in the then Savigny family-owned Manor Trages near Hanau in the outskirts of Frankfurt. But in recent years, as the Manor Trages was being converted into a golf course, Savigny's personal collection was slated to be auctioned off along with the manor's furniture, personal ornaments, art works and other stuff. But after the auction, Toin Gakuen purchased major portions (about 480 books and 262 items) of the personal collection's legal works, thereby utilizing and exhibiting them as “the Savigny Library" at Toin Memorial Academium. They include Savigny's own writings and many other important books in a legal history. For example, one of them is the 3rd and 5th editions of Savigny's “Treatise on Possession" which contained some of his handwritten notes apparently designed to prepare for the publication of the forthcoming edition." (Greeting)
Man kann auf der Website auch als Gast einige Schriften Savignys und etliche alte Drucke (2 Inkunabeln) einsehen, die in guten Digitalisaten zur Verfügung stehen. (Nach Registrierung sieht man keine weiteren Stücke, man kann allerdings persönliche Memos abspeichern.)
Es ist skandalös, dass das Land Hessen nicht für einen gesetzlichen Schutz der hochrangigen Reste der Savigny-Bibliothek sorgte. Erfreulich ist, dass sie in Japan einen Platz gefunden zu haben scheinen, wo man sie mehr schätzt als hierzulande.
Digital ist besser
Zerstörung im Namen der Innovation: Wie Bibliotheken ihre Archivbestände entsorgen
Von Thomas Ristow
Auch im Bibliotheks- und Archivwesen sind Schlagworte wie Effektivität, Innovation oder Wettbewerb seit langem beliebt. Das Alte wird mit ihnen als Hindernis bei der Entfaltung des Neuen begriffen, folglich entwertet, vernachlässigt oder zerstört. Die Innovation ist die Mutter der Wettbewerbsfähigkeit, auch die der herbeiphantasierten. Innovationen haben immer einen Preis, dieser Preis kann beschönigend mit dem Schumpeterschen Begriff der »schöpferischen Zerstörung« gefaßt werden.
Ein Beispiel: Im Jahre 2003 empfahl der sächsische Landesrechnungshof dem Freistaat, seine jahrhundertealten Archive zu digitalisieren und anschließend mehrheitlich zu entsorgen. Ein laut Prognose ständig wachsender Magazin- und Mittelbedarf der Staatsarchive war der Grund für diese Empfehlung. Von mehreren Seiten wurde daraufhin eingewandt, daß eine umfassende Digitalisierung keineswegs kostengünstiger, sondern teurer sein würde als die Originalbewahrung – vom Verlust der Originale ganz abgesehen. Wenn der Landesrechnungshof auf der Höhe der Zeit gewesen wäre, hätte er statt der Vermüllung die Versteigerung der Bestände vorgeschlagen.
Kein Tabu mehr
Im Herbst 1999 hat zum Beispiel die British Library eine umfangreiche Sammlung älterer ausländischer Zeitungen in einer Auktion verscherbelt. Wer in Nicholson Bakers kurzweiligem, gewissenhaft recherchierten Buch »Der Eckenknick« über die »Büchermassaker im elektronischen Zeitalter« blättert, wird feststellen: Die sächsischen Verwaltungsbeamten hätten sich auf renommierte in- und ausländische Vorreiter berufen können. 1996 trug Hartmut Weber, Präsident des Koblenzer Bundesarchivs, auf einer Konferenz mit dem Thema »Choosing of Preserve« vor, daß das Ziel konservatorischer Maßnahmen durchaus darin bestehe, die »langfristige Zugänglichkeit von Kulturgut« sicherzustellen. Weber erklärte aber auch, daß eine nachträgliche Kassation (Vernichtung von Unterlagen) übernommener Bestände »kein Tabu sein« darf.
Überall werden wertvolle Inkunabeln und einzigartige Drucke aus Kirchenbibliotheken und Landesarchiven veräußert. Ein beispielhafter Fall ist die hastig angeordnete Abwicklung von geringgeschätzten Beständen einer Klosterbibliothek, die der Bibliotheksleiterin Angelika Reich an der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt überantwortet wurde. Flott landeten hier mehrere Tonnen Bücher aus Kapuziner-Archiven im Müll. Reich hatte schon früher, nach einem Verkauf von 3000 Schallplatten aus einem Nachlaß an ein Leipziger Antiquariat, extravagante Begründungen parat: »Geschenkt ist geschenkt, und mit Geschenken kann die Bibliothek machen, was sie will.« (Donaukurier vom 15. Februar)
Obwohl Universitätskanzler Gottfried Freiherr von der Heydte der Reich den Rücken freihielt, indem er die Vorwürfe als »gegenstandslos« zurückwies, hat der Stiftungsvorstand der Universität ihr die Verfügungsgewalt über die Kapuziner-Bestände mittlerweile entzogen. Gegen Reich und von der Heydte ist Strafanzeige erstattet worden (Donaukurier vom 23.Februar).
Daß die Vernichtung von rund 80 Tonnen Büchern aus Kapuziner-Archiven auch in überregionalen Medien Beachtung fand, ist der unterschiedlichen Bewertung dieser kirchenhistorischen Trouvaillen geschuldet. Es handelt sich dabei nur um die Spitze der allgemeinen Entsorgungsaktivitäten in der Bibliotheksszene.
Komplette Sammlungen
In Weblogs ist immer wieder zu lesen, daß vor Universitäten kurzfristig Papiercontainer gesichtet werden, die mit Monographien oder Zeitschriften gefüllt sind. Zum Beispiel im November 2005 vor der Bibliothek der Berliner Humboldt-Universität: In dem Entsorgungscontainer fanden sich etliche Monographien sowie komplette Sammlungen in- und ausländischer Zeitschriften mit nicht unbeträchtlichem antiquarischen Wert. Solche Aktionen werden ohne Scham durchgezogen und sind wohl eher die Regel als die Ausnahme. Im Namen von Innovation, Geld- oder Platzmangel ist das Recycling von Archivbeständen per Papiercontainer oder Auktionator salonfähig geworden.