Kulturgut
Der Direktor der Badischen Landesbibliothek, Peter Michael Ehrle, hat die Nase offenbar voll. Aus Protest gegen Kürzungspläne des Landesrechnungshofes geht er in den vorzeitigen Ruhestand. Grund sei die anvisierte Reduzierung seines Personals um rund ein Viertel, bestätigte der Historiker einen Bericht der 'Badischen Neuesten Nachrichten'. Ehrle hatte die Landesbibliothek in Karlsruhe 14 Jahre lang geleitet. Im Streit über den mittlerweile rückgängig gemachten Verkauf einer mittelalterlichen Handschrift hatte der Direktor kürzlich Kritik geübt. Er hält Veräußerungen von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern für unzulässig.
https://www.dradio.de/kulturnachrichten/2008022711/1/
https://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=17146

Quelle: BLB Karlsruhe https://www.blb-karlsruhe.de
Es ist schade, dass ein so mutiger Behördenleiter vorzeitig in den Ruhestand geht. Ehrle hat sich nicht gescheut, Klartext zu reden.
https://www.dradio.de/kulturnachrichten/2008022711/1/
https://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=17146

Quelle: BLB Karlsruhe https://www.blb-karlsruhe.de
Es ist schade, dass ein so mutiger Behördenleiter vorzeitig in den Ruhestand geht. Ehrle hat sich nicht gescheut, Klartext zu reden.
noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
Regierungschef Günther Oettinger (CDU) kann sich durchaus vorstellen, dass das Hausbuch nach Klärung der Rechtsfragen mit dem Fürstenhaus Waldburg-Wolfegg erneut an den bayerischen Käufer veräußert wird: "Ich halte das nicht für ausgeschlossen." Aber das Land behalte sich ausdrücklich alle Rechte vor. Am Freitag hatte das Fürstenhaus erklärt, dass der Erwerber - dabei soll es sich um den Münchner Milliardär August von Finck handeln - das Kulturgut an die Familie Waldburg-Wolfegg zurückgibt. Zuvor hatte die Landesregierung den Verkauf der auf 20 Millionen Euro geschätzten historischen Handschrift für unwirksam erklärt, da das Adelshaus dafür keine behördliche Genehmigung eingeholt hatte. "Dieser Kaufvertrag wird nicht vollzogen", sagte Oettinger. Trotzdem ist nun guter Rat teuer. In Gesprächen zwischen Fürstenhaus, dem zunächst ausgebooteten Käufer und den Ministerien für Wissenschaft sowie Wirtschaft soll in Kürze das weitere Prozedere vereinbart werden. Die Anwälte der Familie Waldburg-Wolfegg bezweifeln bei einer Verkaufabsicht das Veto- und das Vorkaufsrecht, die das Land für sich in Anspruch nimmt. Beides aber hat das Oberlandesgericht Stuttgart 1956 in einem Beschluss festgeschrieben. Die spannendere Frage ist daher, ob das Land sein Vorkaufsrecht im Zweifelsfall überhaupt in Anspruch nehmen will. Das fordert der Kulturexperte der Grünen, Jürgen Walter: "Das Land muss in die Bresche springen und den hohen historischen Wert des Hausbuchs auf lange Zeit sichern, indem es sich bemüht, das kostbare Hausbuch zu erwerben." Und auch die SPD-Kulturexpertin Helen Heberer fordert die Regierung auf, alles dafür zu tun, damit das Hausbuch im Land bleibt - notfalls auch durch den Kauf des Kulturguts. Das indes hat die Regierung offenbar nicht vor. In der Kabinettssitzung war der Tenor laut Teilnehmern eindeutig: Ziel der Verhandlungen müsse es sein, Wissenschaft und Öffentlichkeit den Zugang zu dem Kulturgut zu ermöglichen. Das Vorkaufsrecht wolle man aber möglichst nicht ausüben - wegen der hohen Summe und der Furcht vor einem "Nachahmereffekt". Auch in den Fraktionen herrscht Skepsis: "Man sollte seine Rechte nie von vornherein aus der Hand geben. Aber wenn wir alle Vorkaufsrechte auf Kulturgüter realisieren müssten, könnten wir die Nullverschuldung abschreiben", sagte FDP-Fraktionschef Ulrich Noll der SÜDWEST PRESSE. Zusätzliches Geld für das Werk will auch Klaus Hermann, Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises Finanzen, nicht ausgeben: "Mehr Geld als im Etat zur Verfügung steht, ist nicht da."
Heidenheimer Zeitung

Heidenheimer Zeitung

noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
Im Tauziehen um den Verkauf einer kostbaren Handschrift leitet die Landesregierung Gespräche ein. "Wir sind dabei, einen Termin zu vereinbaren", sagte ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums gestern in Stuttgart.
An dem zeitlich noch nicht festgelegten Treffen nähmen die Stuttgarter Wirtschaft-und Wissenschaftsministerien, die Adelsfamilie Waldburg-Wolfegg und der Käufer teil. Dabei werde über das "rechtliche Prozedere im Zusammenhang mit der Veräußerung des Handbuchs" gesprochen. Morgenweb

An dem zeitlich noch nicht festgelegten Treffen nähmen die Stuttgarter Wirtschaft-und Wissenschaftsministerien, die Adelsfamilie Waldburg-Wolfegg und der Käufer teil. Dabei werde über das "rechtliche Prozedere im Zusammenhang mit der Veräußerung des Handbuchs" gesprochen. Morgenweb

noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
(zu https://archiv.twoday.net/stories/4727682/)
Ob der Abschlussbericht der Bayerischen Staatsbibliothek der Presse eigentlich inzwischen vorliegt, wie dieser Artikel vermuten lässt, ist unklar. Es gibt auch weiterhin zu viele Ungereimtheiten und Widersprüche. Im Artikel ist von einem Bestand von geschätzten 70.000 Bänden vor 1802 die Rede, nach den Schätzungen im Vertrag von 1999 sollten es ca. 10% (30-40.000 Bde.) sein. Wurde mit den genannten 80t tatsächlich "der Großteil des Kapuzinerbestandes makuliert", wie die FAZ schreibt? Waren und wurden tatsächlich die Bestände vor 1802 und die neueren Bestände physisch nicht getrennt? Wenn das so war, dann stünde Schlimmstes zu befürchten, und die Aussage, es gäbe keinerlei Anhaltspunkte, dass die aufgetauchten Bände aus dem Altbestand tatsächlich aus den Containern stammten (verbunden mit der inzwischen kolportierten Unterstellung, es sei möglicherweise Holzbauer selbst gewesen, der diese Bände "abgezweigt" habe), könnte kaum Anlaß zur "Entwarnung" geben. Man las es aber auch schon anders (vgl. die Berichte zur Pressekonferenz in Eichstätt Anf. Januar, archiv.twoday.net/stories/4601496/). Waren das damals Schutzbehauptungen oder liegt hier nur eine ungenaue Berichterstattung der FAZ vor?
Wir werden es - wenn überhaupt - wohl erst dann genauer wissen, wenn der Untersuchungsbericht der BSB veröffentlicht wird.
Der Vortrag von Dr. Klaus Littger auf der Jahrestagung der AKThB im Juni 2007 in Freising, den ich leider nicht im Wortlaut kenne, hat ja Berichten zufolge deutlich betont, wie wichtig eine verbesserte gegenseitige Information und Zusammenarbeit bei Aussonderungen oder gar Auflösungen ganzer Bibliotheken ist. Dr. Littger machte seine Ausführungen auch in Hinblick auf die von Eichstätt übernommenen Bestände der ehemaligen Zentralbibliothek der Kapuziner von Altötting. Ich halte es für unerläßlich, dass sich die bibliothekarische Fachöffentlichkeit über die Hintergründe und Begleitumstände der Vorgänge in Eichstätt unterrichten kann, damit nach den Ursachen gefragt und daraus für die Zukunft Lehren gezogen werden können.
In dem FAZ-Artikel findet sich auch ein beachtenswertes Zitat von Dr. Rolf Griebel, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek (zugleich Fachbehörde für das Bibliothekswesen in Bayern ist) zur Frage der Erhaltung von Buchbeständen: Er selbst sei in dieser Frage kein Purist und hinge nicht der Meinung mancher Kollegen an, jedes Buch könne und müsse erhalten werden - auch sei da schon aus Kostengründen der Rechnungshof vor.
Der Kontext des FAZ-Artikels, wo auch von Mehrfachexemplaren von Zeitschriften, Krimis, Reiseführern oder Taschenlexika die Rede ist, könnte glauben machen, Griebel beziehe sich auf Bestände solcher Art. Aber dann wäre es eine triviale, auch unter Kollegen unstrittige Aussage. Nein, Griebel bezieht sich hier durchaus auf den Erhalt von Altbeständen, und seine Aussage geht gegen die Auffassung von Altbestandsbibliothekaren wie etwa Dr. Reinhard Feldmann (ULB Münster) vom Forum Bestandserhaltung (s.u.).
Dass Altbestandsbibliothekare hinsichtlich der in den bayerischen Aussonderungsrichtlinien eigentlich klaren Regelung, dass Aussonderungen von provenienztragendem Altbestand aus der Zeit vor 1830/50 in der Regel nicht zulässig sind, zunehmend unter Druck geraten, und dass das alles in der öffentlichen Diskussion (wie jetzt auch wieder im FAZ-Artikel) immer wieder undifferenziert mit "normalen" Aussonderungen in einen Topf geworfen wird, an deren Notwendigkeit ja niemand vernünftigerweise Zweifel hegen kann, ist bedauerlich genug. Klare Stimmen wie die des Heidelberger Handschriftenbibliothekars Dr. Armin Schlechter, der in seinem lesenswerten Aufsatz "Anmerkungen zum kulturellen Wert des alten Buchs - vgl. https://archiv.twoday.net/stories/3486988/ - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Auseinandersetzungen von Dr. Klaus Graf mit diesem Themenkomplex, zuletzt eben im Falle Eichstätt, beklagt, dass sich der Ensemblebegriff im wissenschaftlichem Bibliothekswesen längst noch nicht habe durchsetzen können und der es verwunderlich findet, welche Rolle der längst überholte Dublettenbegriff im wissenschaftlichen Bibliothekswesen immer noch spielen kann, sind selten genug. Stattdessen steht zu befürchten, dass ein lockerer Umgang damit angesichts leerer öffentlicher Kassen weiter um sich greift.
Im Protokoll der 10. Sitzung der Kommission Altes Buch im BVB am 9.7.2007 ist nun unter Top 7 nachzulesen, dass man sich in Bayern aus gegebenem Anlass nun erneut mit den "Aussonderungs- und Abgaberichtlinien im Altbestand" befasst. Zum Eichstätt-Komplex ist dort zu lesen:
Im Protokoll heißt es weiter:
Ich habe mich bei der BSB inzwischen erkundigt, ob die 11. Sitzung bereits stattgefunden und einen Beschluss hierzu gefasst hat. Die bayerischen Beschlüsse dürften Signalwirkung auch für andere Bundesländer und Bibliotheksverbünde haben und sollten aufmerksam verfolgt werden.
Dem Eindruck, den der FAZ-Artikel allemal vermittelt, dass der Bestand der Kapuziner "keine gewachsene Sammlung" und deshalb weitgehend wertlos gewesen sei, ist entschieden entgegenzutreten. Wir verweisen hierzu auf die Darstellung zur Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner von Pater Alfons Sprinkhart im Handbuch der Historischen Buchbestände Bd. 11 (1997) (vgl. hierzu auch https://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg32952.html ) und den Beitrag "Bayerische Kapuzinerbibliotheken" von P. Kosmas Wührer in der Festschrift Holzbauer (2003), vgl. www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg32959.html.
Die darin wiedergegebene Vollzugmeldung nach abgeschlossenem Umzug von Hermann Holzbauer am 26. Januar 2000 an den Oberen der Provinz der Bayerischen Kapuziner steht im Übrigen im krassen Widerspruch zu der jetzigen Darstellung der FAZ, die schreibt, es sei von vornherein klar gewesen, "dass es sinnlos sein würde, diese Unmengen von Dubletten an theologischer Literatur und Fachzeitschriften nach Eichstätt zu verfrachten - in ein von Haus aus mit Platzmangel geschlagenes Institut" und suggeriert, dass dies geschehen sei. Vielmehr hat Holzbauer schon vor Ort "sowohl Bücher an Antiquare verkauft als auch Bestände vorab ausgeschieden"; wie Holzbauer später erklärte, sind hierbei auch "ungebundene und lückenhafte Mehrfachdubletten, die für den Antiquariatsverkauf nicht mehr in Frage kamen", entsorgt worden.
Wie absurd die implizite Unterstellung ist, Dr. Holzbauer habe seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum Abschied noch Tonnen an Altpapier hinterlassen hat nach dem Motto: "bin dann weg, nun katalogisiert mal schön, die schönen Sachen hab ich aber versteckt und die müsst ihr selber suchen"! gab bereits Hans Vogt zu Protokoll, der jedenfalls Holzbauer aus Erzählungen ehemaliger Mitarbeiter kannte.
Littger zufolge (Die Übernahme der Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner in Altötting durch die Universitätsbibliothek Eichstätt, in: Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 1 (2000), S. 133-140) hatte man bereits 5 Jahre vor Vertragsschluß, also 1994, mit dem Abgleich der Bestände der UB Eichstätt mit der Zentralbibliothek in Altötting begonnen. Littger schreibt weiter (vgl. auch https://archiv.twoday.net/stories/3143469/ ), die ZB Altötting sei
Was die Bewertung der Rolle Holzbauers angeht, so könnte der Kontrast kaum größer sein zwischen der Sündenbockrolle, die er aus eher durchsichtigen Motiven und mit allzu simpel gestrickten halbgaren Argumentationsmustern unterfüttert jetzt zugewiesen bekommt, um seine Nachfolgerin zu entlasten, und der Würdigung, die er allseits bei seinem Abschied erfahren hat. Vgl. z.B. die oben bereits genannten Zitate aus der Festschrift Holzbauer in Inetbib und die Kommentierung der Geschichte mit den Dissertationen aus Oslo in
https://archiv.twoday.net/stories/3359620/#3361189
Auf der Basis des Überlassungsvertrag zur Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner und der damals vorliegenden Fakten (inkl. des Archivalia bereits damals vorliegenden ausführlichen Berichts des Kapuzinerprovinzials) hatte Klaus Graf bereits am 27. Februar 2007 eine eingehende Bewertung der Vorgänge in Eichstätt vorgenommen ( https://archiv.twoday.net/stories/3374403/ ); aus meiner Sicht ist diese Bewertung nach wie vor gültig und nicht als widerlegt anzusehen. Inwieweit die Untersuchung der BSB tatsächlich neue Erkenntnisse erbracht hat, kann erst beurteilt werden, wenn der Untersuchungsbericht vorgelegt wird.
Sollte die Vorgehensweise in Eichstätt "bibliotheksfachlich im Grundsatz nicht zu beanstanden" sein, wie es im Untersuchungsbericht laut FAZ steht, stellt sich die Frage, wie es mit der Aufarbeitung der verbliebenen, immer noch eine große Halle voller Umzugskartons (vgl. https://archiv.twoday.net/stories/3588853/) füllenden Bestände jetzt weitergehen soll? Makulierung in großem Umfang wie bisher?
Zur Buchkultur der Kapuziner vgl. auch die Diskussion über die Eichstätter "Müllbücher" unter https://archiv.twoday.net/stories/3384384/ und unsere Literaturübersicht unter https://archiv.twoday.net/stories/3337985/. Es bleibt bedauerlich, dass nun ausgerechnet in Bayern mit seinen ursprünglich besonders reichhaltigen Beständen aus Kapuzinerbibliotheken durch das Desaster von Eichstätt die größten Kulturgutverluste zu verzeichnen sind.
Ob der Abschlussbericht der Bayerischen Staatsbibliothek der Presse eigentlich inzwischen vorliegt, wie dieser Artikel vermuten lässt, ist unklar. Es gibt auch weiterhin zu viele Ungereimtheiten und Widersprüche. Im Artikel ist von einem Bestand von geschätzten 70.000 Bänden vor 1802 die Rede, nach den Schätzungen im Vertrag von 1999 sollten es ca. 10% (30-40.000 Bde.) sein. Wurde mit den genannten 80t tatsächlich "der Großteil des Kapuzinerbestandes makuliert", wie die FAZ schreibt? Waren und wurden tatsächlich die Bestände vor 1802 und die neueren Bestände physisch nicht getrennt? Wenn das so war, dann stünde Schlimmstes zu befürchten, und die Aussage, es gäbe keinerlei Anhaltspunkte, dass die aufgetauchten Bände aus dem Altbestand tatsächlich aus den Containern stammten (verbunden mit der inzwischen kolportierten Unterstellung, es sei möglicherweise Holzbauer selbst gewesen, der diese Bände "abgezweigt" habe), könnte kaum Anlaß zur "Entwarnung" geben. Man las es aber auch schon anders (vgl. die Berichte zur Pressekonferenz in Eichstätt Anf. Januar, archiv.twoday.net/stories/4601496/). Waren das damals Schutzbehauptungen oder liegt hier nur eine ungenaue Berichterstattung der FAZ vor?
Wir werden es - wenn überhaupt - wohl erst dann genauer wissen, wenn der Untersuchungsbericht der BSB veröffentlicht wird.
Der Vortrag von Dr. Klaus Littger auf der Jahrestagung der AKThB im Juni 2007 in Freising, den ich leider nicht im Wortlaut kenne, hat ja Berichten zufolge deutlich betont, wie wichtig eine verbesserte gegenseitige Information und Zusammenarbeit bei Aussonderungen oder gar Auflösungen ganzer Bibliotheken ist. Dr. Littger machte seine Ausführungen auch in Hinblick auf die von Eichstätt übernommenen Bestände der ehemaligen Zentralbibliothek der Kapuziner von Altötting. Ich halte es für unerläßlich, dass sich die bibliothekarische Fachöffentlichkeit über die Hintergründe und Begleitumstände der Vorgänge in Eichstätt unterrichten kann, damit nach den Ursachen gefragt und daraus für die Zukunft Lehren gezogen werden können.
In dem FAZ-Artikel findet sich auch ein beachtenswertes Zitat von Dr. Rolf Griebel, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek (zugleich Fachbehörde für das Bibliothekswesen in Bayern ist) zur Frage der Erhaltung von Buchbeständen: Er selbst sei in dieser Frage kein Purist und hinge nicht der Meinung mancher Kollegen an, jedes Buch könne und müsse erhalten werden - auch sei da schon aus Kostengründen der Rechnungshof vor.
Der Kontext des FAZ-Artikels, wo auch von Mehrfachexemplaren von Zeitschriften, Krimis, Reiseführern oder Taschenlexika die Rede ist, könnte glauben machen, Griebel beziehe sich auf Bestände solcher Art. Aber dann wäre es eine triviale, auch unter Kollegen unstrittige Aussage. Nein, Griebel bezieht sich hier durchaus auf den Erhalt von Altbeständen, und seine Aussage geht gegen die Auffassung von Altbestandsbibliothekaren wie etwa Dr. Reinhard Feldmann (ULB Münster) vom Forum Bestandserhaltung (s.u.).
Dass Altbestandsbibliothekare hinsichtlich der in den bayerischen Aussonderungsrichtlinien eigentlich klaren Regelung, dass Aussonderungen von provenienztragendem Altbestand aus der Zeit vor 1830/50 in der Regel nicht zulässig sind, zunehmend unter Druck geraten, und dass das alles in der öffentlichen Diskussion (wie jetzt auch wieder im FAZ-Artikel) immer wieder undifferenziert mit "normalen" Aussonderungen in einen Topf geworfen wird, an deren Notwendigkeit ja niemand vernünftigerweise Zweifel hegen kann, ist bedauerlich genug. Klare Stimmen wie die des Heidelberger Handschriftenbibliothekars Dr. Armin Schlechter, der in seinem lesenswerten Aufsatz "Anmerkungen zum kulturellen Wert des alten Buchs - vgl. https://archiv.twoday.net/stories/3486988/ - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Auseinandersetzungen von Dr. Klaus Graf mit diesem Themenkomplex, zuletzt eben im Falle Eichstätt, beklagt, dass sich der Ensemblebegriff im wissenschaftlichem Bibliothekswesen längst noch nicht habe durchsetzen können und der es verwunderlich findet, welche Rolle der längst überholte Dublettenbegriff im wissenschaftlichen Bibliothekswesen immer noch spielen kann, sind selten genug. Stattdessen steht zu befürchten, dass ein lockerer Umgang damit angesichts leerer öffentlicher Kassen weiter um sich greift.
Im Protokoll der 10. Sitzung der Kommission Altes Buch im BVB am 9.7.2007 ist nun unter Top 7 nachzulesen, dass man sich in Bayern aus gegebenem Anlass nun erneut mit den "Aussonderungs- und Abgaberichtlinien im Altbestand" befasst. Zum Eichstätt-Komplex ist dort zu lesen:
Für die Sichtung der in Eichstätt zusammengeführten Bibliotheken wurden 2003 Richtlinien erstellt, wonach in jedem Fall eine Prüfung im Verbund auf bereits nachgewiesene Exemplare erfolgen muss. Der BSB sollen Säkularisationsgut, SDD-relevante Bestände bis 1600 und für Bayern wichtige Bücher angeboten werden, nicht aber unvollständige Teile von mehrbändigen Werken und Stücke in schlechtem Erhaltungszustand. Dies galt nicht für Objekte aus der Zeit 1830-1945. Wenn von Seiten der BSB kein Interesse bestand, wurden Angebote über Antiquariate an potentielle Interessenten weitergegeben, wobei zur Deckung der Katalogisierungskosten so auch Einnahmen erzielt werden.Hieraus geht klar hervor, dass - sofern von der BSB kein Interesse angemeldet wurde - mit Rückendeckung und Zustimmung der BSB ein Verkauf von "Altbestandsdubletten" an Antiquariate erfolgte, in Eichstätt wie möglicherweise auch an anderen bayerischen Bibliotheken.
Im Protokoll heißt es weiter:
Demgegenüber wird u.a. von Herrn Feldmann, Münster (Forum Bestandserhaltung) die Ansicht vertreten, dass jedes Exemplar eines vor 1800 gedruckten Werks erhaltenswert sei. Ein solcher Erhalt müßte aber nicht zwingend zentral geleistet werden, sondern könnte auch in der betroffenen (bayerischen) Bibliothek erfolgen. Allerdings ist ein solches Verfahren schon aus Kapazitätsgründen wohl nicht zu realisieren. Vielmehr ist zu prüfen, nach welchen Kriterien (Mehrfach-)Exemplare in Bayern in welcher Verantwortlichkeit erhalten bleiben.Eine Diskussionsgrundlage hierzu sollte lt. Protokoll von Frau Dr. Fabian erstellt und für die nächste Kommission-Sitzung versandt werden.
Ich habe mich bei der BSB inzwischen erkundigt, ob die 11. Sitzung bereits stattgefunden und einen Beschluss hierzu gefasst hat. Die bayerischen Beschlüsse dürften Signalwirkung auch für andere Bundesländer und Bibliotheksverbünde haben und sollten aufmerksam verfolgt werden.
Dem Eindruck, den der FAZ-Artikel allemal vermittelt, dass der Bestand der Kapuziner "keine gewachsene Sammlung" und deshalb weitgehend wertlos gewesen sei, ist entschieden entgegenzutreten. Wir verweisen hierzu auf die Darstellung zur Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner von Pater Alfons Sprinkhart im Handbuch der Historischen Buchbestände Bd. 11 (1997) (vgl. hierzu auch https://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg32952.html ) und den Beitrag "Bayerische Kapuzinerbibliotheken" von P. Kosmas Wührer in der Festschrift Holzbauer (2003), vgl. www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg32959.html.
Die darin wiedergegebene Vollzugmeldung nach abgeschlossenem Umzug von Hermann Holzbauer am 26. Januar 2000 an den Oberen der Provinz der Bayerischen Kapuziner steht im Übrigen im krassen Widerspruch zu der jetzigen Darstellung der FAZ, die schreibt, es sei von vornherein klar gewesen, "dass es sinnlos sein würde, diese Unmengen von Dubletten an theologischer Literatur und Fachzeitschriften nach Eichstätt zu verfrachten - in ein von Haus aus mit Platzmangel geschlagenes Institut" und suggeriert, dass dies geschehen sei. Vielmehr hat Holzbauer schon vor Ort "sowohl Bücher an Antiquare verkauft als auch Bestände vorab ausgeschieden"; wie Holzbauer später erklärte, sind hierbei auch "ungebundene und lückenhafte Mehrfachdubletten, die für den Antiquariatsverkauf nicht mehr in Frage kamen", entsorgt worden.
Wie absurd die implizite Unterstellung ist, Dr. Holzbauer habe seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum Abschied noch Tonnen an Altpapier hinterlassen hat nach dem Motto: "bin dann weg, nun katalogisiert mal schön, die schönen Sachen hab ich aber versteckt und die müsst ihr selber suchen"! gab bereits Hans Vogt zu Protokoll, der jedenfalls Holzbauer aus Erzählungen ehemaliger Mitarbeiter kannte.
Littger zufolge (Die Übernahme der Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner in Altötting durch die Universitätsbibliothek Eichstätt, in: Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen. Jahrbuch 1 (2000), S. 133-140) hatte man bereits 5 Jahre vor Vertragsschluß, also 1994, mit dem Abgleich der Bestände der UB Eichstätt mit der Zentralbibliothek in Altötting begonnen. Littger schreibt weiter (vgl. auch https://archiv.twoday.net/stories/3143469/ ), die ZB Altötting sei
ein Konglomerat aus mehreren teilweise deckungsgleichen Bibliotheksbestaenden aufgehobener Konvente (...) Schon der Bibliothekar der Zentralbibliothek hatte daher zahlreiche Dubletten ausgesondert und verkauft. Bei der Übernahme der Bibliothek fand sich ein eigener Dublettenbestand von ca. 40.000 Bänden, die noch während des Umzugs verkauft wurden. Auch weiterhin werden Dubletten in der Regel ausgesondert. Der Erlös kommt den Erschließungskosten zugute".Es ist also keinesfalls so, dass mit dem Abverkauf "von Unmengen von Dubletten" und der Aussonderung von Unbrauchbarem erst in Eichstätt und womöglich erst nach Amtsantritt von Holzbauers Nachfolgerin begonnen wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass dieser Eindruck bewußt erweckt wird, um zu verschleiern, dass der Umgang mit den aufzuarbeitenden Beständen in der Ägide Reich aufgrund rigider Vorgaben Berichten zufolge eine ganz andere "Qualität" annahm (die von Klaus Graf - soweit auch Altbestand betroffen war - wiederholt kritisierte Praxis des Abverkaufs von Dubletten gab es bereits vorher, nicht jedoch die undokumentierte Vernichtung großer Bestände). Der Kapuzinerprovinzial machte ja konkrete Angaben zu der Zusammensetzung des Vernichtungsguts: danach waren von den 83 t lediglich 4,2 t verschimmelte Bücher, 2,8 t Varia wie die genannten Krimis, Reiseführer oder Taschenlexika, 20,6 t Zeitschriftendubletten, aber satte 40,8 t (angebliche) Monographiendubletten, die von Holzbauer offenbar nicht für "Schrott" gehalten und vorab ausgesondert worden waren ( https://archiv.twoday.net/stories/3374403/ ).
Was die Bewertung der Rolle Holzbauers angeht, so könnte der Kontrast kaum größer sein zwischen der Sündenbockrolle, die er aus eher durchsichtigen Motiven und mit allzu simpel gestrickten halbgaren Argumentationsmustern unterfüttert jetzt zugewiesen bekommt, um seine Nachfolgerin zu entlasten, und der Würdigung, die er allseits bei seinem Abschied erfahren hat. Vgl. z.B. die oben bereits genannten Zitate aus der Festschrift Holzbauer in Inetbib und die Kommentierung der Geschichte mit den Dissertationen aus Oslo in
https://archiv.twoday.net/stories/3359620/#3361189
Auf der Basis des Überlassungsvertrag zur Zentralbibliothek der Bayerischen Kapuziner und der damals vorliegenden Fakten (inkl. des Archivalia bereits damals vorliegenden ausführlichen Berichts des Kapuzinerprovinzials) hatte Klaus Graf bereits am 27. Februar 2007 eine eingehende Bewertung der Vorgänge in Eichstätt vorgenommen ( https://archiv.twoday.net/stories/3374403/ ); aus meiner Sicht ist diese Bewertung nach wie vor gültig und nicht als widerlegt anzusehen. Inwieweit die Untersuchung der BSB tatsächlich neue Erkenntnisse erbracht hat, kann erst beurteilt werden, wenn der Untersuchungsbericht vorgelegt wird.
Sollte die Vorgehensweise in Eichstätt "bibliotheksfachlich im Grundsatz nicht zu beanstanden" sein, wie es im Untersuchungsbericht laut FAZ steht, stellt sich die Frage, wie es mit der Aufarbeitung der verbliebenen, immer noch eine große Halle voller Umzugskartons (vgl. https://archiv.twoday.net/stories/3588853/) füllenden Bestände jetzt weitergehen soll? Makulierung in großem Umfang wie bisher?
Zur Buchkultur der Kapuziner vgl. auch die Diskussion über die Eichstätter "Müllbücher" unter https://archiv.twoday.net/stories/3384384/ und unsere Literaturübersicht unter https://archiv.twoday.net/stories/3337985/. Es bleibt bedauerlich, dass nun ausgerechnet in Bayern mit seinen ursprünglich besonders reichhaltigen Beständen aus Kapuzinerbibliotheken durch das Desaster von Eichstätt die größten Kulturgutverluste zu verzeichnen sind.
BCK - am Dienstag, 26. Februar 2008, 17:13 - Rubrik: Kulturgut
Vor einem Jahr, am 21.02.2007 brachte das Feuilleton der FAZ den Artikel von Klaus Graf zum Eichstätter Kulturgutdesaster (83 Tonnen Bücher als Müll", FAZ, 21.02.2007, Nr. 44, S. 35, in der FAZ nur in gekürzter Form wiedergegeben; die vollständige, ungekürzte Originalfassung ist in https://archiv.twoday.net/stories/3344981/ dokumentiert.) Der Artikel erregte überregional Aufsehen, wie vorher schon die Berichte im Donaukurier seit Anfang 2007. Im März 2007 wurde Anzeige gegen die Leiterin der Universitätsbibliothek Eichstätt erstattet. Am 7.01.2008 erhob die Staatsanwaltschaft Ingolstadt Anklage wegen Untreue in 5 Fällen ( https://archiv.twoday.net/stories/4593537/ ), am 09.01.2008 legte die Bayerische Staatsbibliothek als Aufsichtsbehörde das Ergebnis ihrer eigenen Untersuchungen zur Causa Eichstätt vor ( https://archiv.twoday.net/stories/4601496/#4602026 ).
Genau ein Jahr später greift die FAZ das Thema nun erneut auf, in einem Beitrag des Feuilleton-Redakteurs Hannes Hintermeier, übrigens gebürtig aus Altötting (Jg. 1961). Wir dokumentieren den Beitrag hier. Ein ausführlicher Kommentar folgt später (siehe https://archiv.twoday.net/stories/4730431/).
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2008, Nr. 44, Feuilleton, S. 33
Das nächste Kloster schließt bestimmt
Vor einem Jahr machte die Büchervernichtung an der Universität Eichstätt Schlagzeilen. Jetzt liegt ein Abschlussbericht vor, der Entwarnung gibt. Aber ausgestanden ist der Fall längst nicht.
Von einer zweiten Säkularisation war die Rede, von Kulturgutvernichtung - als Anfang des Jahres 2007 bekannt wurde, was in Altötting und später in Eichstätt geschehen war: Buchentsorgung im ganz großen Stil: Apokalyptische Szenen von Arbeitern in Schutzanzügen mit Atemmasken, die verschimmelte Bücherberge in Container schaufeln. Das machte die Runde, und Leute, denen das Kulturgut Buch sonst reichlich gleichgültig ist, erkannten in diesem Bild den Untergang der abendländischen Schriftkultur, ohne die Vorgeschichte zu kennen.
Sie beginnt 1999, als die bayerischen Kapuziner mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt einen Vertrag schlossen. Er sah vor, die in der Zentralbibliothek des Kapuzinerklosters St. Konrad in Altötting zusammengeführten Bestände des Bettelordens an die Universitätsbibliothek zu überführen, dort zu sichten, Wertloses auszusondern, Wertvolles zu bewahren, gegebenenfalls auch Bestände - gemäß den Richtlinien für die Abgabe von Bibliotheksgut - zu verkaufen, um diese Aktion finanziell zu unterstützen.
Der Bestand der Kapuziner war keine gewachsene Sammlung. Dazu muss man wissen, dass von jedem Pater die private Büchersammlung in dieses Konvolut gewandert war und auch die Bestände aus rund zwanzig Konventen, die von den Kapuzinern seit Mitte der sechziger Jahre aufgelöst worden waren. Es war von vornherein klar, dass es sinnlos sein würde, diese Unmengen von Dubletten an theologischer Literatur und Fachzeitschriften nach Eichstätt zu verfrachten - in ein von Haus aus mit Platzmangel geschlagenes Institut. Erschwerend kam hinzu, dass schon eine erste Prüfung in Altötting den Befund ergab: Schimmelalarm. Denn die Keller im Altöttinger Konvent waren feucht, und es war tatsächlich nur mit Schutzkleidung möglich, die teilweise sehr schlecht erhaltenen Bestände zu entsorgen.
Immerhin: Allein in Altötting wurden vierundfünfzig Tonnen Bücher verwertet, wie die Vernichtung auf Amtsdeutsch heißt. Nach Eichstätt wanderten danach noch geschätzte 350 000 bis 420 000 Bände inklusive Dubletten (deren Anteil man auf mindestens fünfzig Prozent schätzt). Das macht in Zahlen: 4670 Umzugskartons. Die bis 1802 erschienenen Bände sollten gemäß Vertrag dem Staat gehören (geschätzte siebzigtausend Bände); die nach 1802 erschienenen und sich im Besitz der Kapuziner befindlichen Bücher gingen in den Besitz der Universitätsbibliothek Eichstätt über; physisch getrennt waren die Bestände freilich nicht. Die Erschließung dieses Erbes ging - man denke an die chronische Geld- und Personalknappheit der Bibliotheken - langsam vonstatten.
Dann trat im Februar 2005 Angelika Reich die Nachfolge des Bibliotheksleiters Hermann Holzbauer in Eichstätt an. Sie traf auf 3061 unbearbeitete Kartons. Frau Reich entschied, das Sichtungsverfahren zu beschleunigen - schon aus dem einfachen Grund, weil die Bücher auch in Eichstätt nur unzureichend in Außenlagern untergebracht waren. Deren Verfall ging also ungebremst weiter. Und hier in der beschleunigten Abwicklung beginnt dann die Grauzone, wo möglicherweise zu großzügig aussortiert wurde. Darauf scheint der leidenschaftliche Sammler Holzbauer gewartet zu haben, der 1986 der Bibliothek sechshunderttausend Dissertationen bescherte, die von der norwegischen Staatsbibliothek verschenkt worden waren (in Zahlen: achtzig Tonnen, zweieinhalb Regalkilometer). Ohne auf die Schlammschlacht im Detail eingehen zu wollen, sei die These gewagt, dass sich hinter vermeintlich nüchternen Archivaren häufig leidenschaftlich liebende und also auch hassende Büchertriebtäter verbergen. Angeblich aus den Containern gefischte Pretiosen wurden den Behörden zugespielt, der Skandal nahm seinen Lauf (F.A.Z. vom 21. Februar 2007).
Ein Jahr später hat sich nun der Pulverdampf verzogen. Das Gutachten der Bayerischen Staatsbibliothek, die als Aufsichtsbehörde eine Expertenkommission entsandt hatte, kommt zu dem Schluss, "der Vorwurf der massenweisen Vernichtung wertvoller Bücher aus dem Kapuzinerbestand kann nicht bestätigt werden". Aber zu einem Freispruch erster Klasse reicht es denn doch nicht, wenn es weiter heißt: "Die Vorgehensweise von Frau Dr. Reich ist bibliotheksfachlich im Grundsatz nicht zu beanstanden. Einzelne Fehlentscheidungen lassen sich jedoch insbesondere im Hinblick auf die zu bearbeitende Menge nicht ausschließen."
Der Provinzial der bayerischen Kapuziner, Pater Josef Mittermaier, ist nach anfänglichen Bauchschmerzen - die wohl auch damit zusammenhängen, dass er auf diese Art von Öffentlichkeit gerne verzichtet hätte - mit der Angelegenheit im Reinen. "Wir haben den Bestand gekannt und um seinen Zustand gewusst", sagt Mittermaier. Die Büchervernichtung habe er deswegen auch nicht als Überraschung, sondern als Notwendigkeit empfunden: "Wenn Sie zwanzigmal die gleichen Fachzeitschriften haben, dann wird es schwierig mit der Frage, was davon zu erhalten ist. Müssen Krimis, Reiseführer oder Taschenlexika aufgehoben werden?" In seiner Privatbibliothek belaufe sich der Anteil bibliophiler Kostbarkeiten auf etwa zehn Prozent, rechnet der Provinzial vor. Dass der Eindruck entstanden sei, die Kapuziner neigten zum Bücherschreddern, findet er misslich.
Das Eichstätter Problem wird kein Einzelfall bleiben. Viele Ordensgemeinschaften stehen vor ähnlichen Fragen, weil bei ausbleibendem Nachwuchs in den kommenden Jahrzehnten noch mehr Klöster aufgelöst werden. Da es keine kirchliche Stelle gibt, die sich dieser Bücherberge annimmt, wird der Staat einspringen müssen. Das zumindest deutet der Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, Rolf Griebel, im Gespräch mit dieser Zeitung an. "Wir treten in diesen Fällen hilfsweise ein, wer soll es auch sonst machen?" Er selbst sei in dieser Frage aber kein Purist und hänge nicht der Meinung mancher Kollegen an, jedes Buch könne und müsse erhalten werden - auch sei da schon aus Kostengründen der Rechnungshof vor.
Der Großteil des Kapuzinerbestandes, achtzig Tonnen Bücher, wurde makuliert; ein Dutzend Exemplare wurden der Polizei vorgelegt - ob sie tatsächlich aus den Containern stammen, in der die makulierten Bücher landeten, kann laut Staatsbibliothek-Gutachten nicht "festgestellt oder gar nachgewiesen werden". Zwei Exemplare seien auf dem Ramschmarkt aufgetaucht, andere im Antiquariat, wo sie billig abgegeben und zum Teil für niedrige vierstellige Beträge weiterverkauft werden sollten. Welche Rolle dabei Reichs Vorgänger Holzbauer, unter dessen Ägide der Vertrag unterzeichnet wurde, spielt, muss offenbleiben; eine Erlanger Rechtsanwältin erstattete jedenfalls Anzeige gegen die Bibliotheksleiterin (F.A.Z. vom 6. März 2007), weswegen die Geschichte nun ein juristisches Nachspiel hat.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat mittlerweile in fünf Fällen Anklage gegen Angelika Reich erhoben - wegen Untreue. Der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter will sich über ein mögliches Strafmaß nicht äußern, verweist aber auf den Umstand, dass sich im Fall eines Schuldspruchs vermutlich noch ein Disziplinarverfahren anschließen werde - "für einen Beamten ist so eine Anklage immer bedrohlich". Man solle so eine Aufgabe nicht annehmen, wenn man sie nicht leisten könne, umreißt er die Position der Anklage. Frau Reich wollte sich zu dem Thema nicht äußern - ihr Anwalt habe ihr wegen des laufenden Verfahrens dazu geraten. HANNES HINTERMEIER
Genau ein Jahr später greift die FAZ das Thema nun erneut auf, in einem Beitrag des Feuilleton-Redakteurs Hannes Hintermeier, übrigens gebürtig aus Altötting (Jg. 1961). Wir dokumentieren den Beitrag hier. Ein ausführlicher Kommentar folgt später (siehe https://archiv.twoday.net/stories/4730431/).
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2008, Nr. 44, Feuilleton, S. 33
Das nächste Kloster schließt bestimmt
Vor einem Jahr machte die Büchervernichtung an der Universität Eichstätt Schlagzeilen. Jetzt liegt ein Abschlussbericht vor, der Entwarnung gibt. Aber ausgestanden ist der Fall längst nicht.
Von einer zweiten Säkularisation war die Rede, von Kulturgutvernichtung - als Anfang des Jahres 2007 bekannt wurde, was in Altötting und später in Eichstätt geschehen war: Buchentsorgung im ganz großen Stil: Apokalyptische Szenen von Arbeitern in Schutzanzügen mit Atemmasken, die verschimmelte Bücherberge in Container schaufeln. Das machte die Runde, und Leute, denen das Kulturgut Buch sonst reichlich gleichgültig ist, erkannten in diesem Bild den Untergang der abendländischen Schriftkultur, ohne die Vorgeschichte zu kennen.
Sie beginnt 1999, als die bayerischen Kapuziner mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt einen Vertrag schlossen. Er sah vor, die in der Zentralbibliothek des Kapuzinerklosters St. Konrad in Altötting zusammengeführten Bestände des Bettelordens an die Universitätsbibliothek zu überführen, dort zu sichten, Wertloses auszusondern, Wertvolles zu bewahren, gegebenenfalls auch Bestände - gemäß den Richtlinien für die Abgabe von Bibliotheksgut - zu verkaufen, um diese Aktion finanziell zu unterstützen.
Der Bestand der Kapuziner war keine gewachsene Sammlung. Dazu muss man wissen, dass von jedem Pater die private Büchersammlung in dieses Konvolut gewandert war und auch die Bestände aus rund zwanzig Konventen, die von den Kapuzinern seit Mitte der sechziger Jahre aufgelöst worden waren. Es war von vornherein klar, dass es sinnlos sein würde, diese Unmengen von Dubletten an theologischer Literatur und Fachzeitschriften nach Eichstätt zu verfrachten - in ein von Haus aus mit Platzmangel geschlagenes Institut. Erschwerend kam hinzu, dass schon eine erste Prüfung in Altötting den Befund ergab: Schimmelalarm. Denn die Keller im Altöttinger Konvent waren feucht, und es war tatsächlich nur mit Schutzkleidung möglich, die teilweise sehr schlecht erhaltenen Bestände zu entsorgen.
Immerhin: Allein in Altötting wurden vierundfünfzig Tonnen Bücher verwertet, wie die Vernichtung auf Amtsdeutsch heißt. Nach Eichstätt wanderten danach noch geschätzte 350 000 bis 420 000 Bände inklusive Dubletten (deren Anteil man auf mindestens fünfzig Prozent schätzt). Das macht in Zahlen: 4670 Umzugskartons. Die bis 1802 erschienenen Bände sollten gemäß Vertrag dem Staat gehören (geschätzte siebzigtausend Bände); die nach 1802 erschienenen und sich im Besitz der Kapuziner befindlichen Bücher gingen in den Besitz der Universitätsbibliothek Eichstätt über; physisch getrennt waren die Bestände freilich nicht. Die Erschließung dieses Erbes ging - man denke an die chronische Geld- und Personalknappheit der Bibliotheken - langsam vonstatten.
Dann trat im Februar 2005 Angelika Reich die Nachfolge des Bibliotheksleiters Hermann Holzbauer in Eichstätt an. Sie traf auf 3061 unbearbeitete Kartons. Frau Reich entschied, das Sichtungsverfahren zu beschleunigen - schon aus dem einfachen Grund, weil die Bücher auch in Eichstätt nur unzureichend in Außenlagern untergebracht waren. Deren Verfall ging also ungebremst weiter. Und hier in der beschleunigten Abwicklung beginnt dann die Grauzone, wo möglicherweise zu großzügig aussortiert wurde. Darauf scheint der leidenschaftliche Sammler Holzbauer gewartet zu haben, der 1986 der Bibliothek sechshunderttausend Dissertationen bescherte, die von der norwegischen Staatsbibliothek verschenkt worden waren (in Zahlen: achtzig Tonnen, zweieinhalb Regalkilometer). Ohne auf die Schlammschlacht im Detail eingehen zu wollen, sei die These gewagt, dass sich hinter vermeintlich nüchternen Archivaren häufig leidenschaftlich liebende und also auch hassende Büchertriebtäter verbergen. Angeblich aus den Containern gefischte Pretiosen wurden den Behörden zugespielt, der Skandal nahm seinen Lauf (F.A.Z. vom 21. Februar 2007).
Ein Jahr später hat sich nun der Pulverdampf verzogen. Das Gutachten der Bayerischen Staatsbibliothek, die als Aufsichtsbehörde eine Expertenkommission entsandt hatte, kommt zu dem Schluss, "der Vorwurf der massenweisen Vernichtung wertvoller Bücher aus dem Kapuzinerbestand kann nicht bestätigt werden". Aber zu einem Freispruch erster Klasse reicht es denn doch nicht, wenn es weiter heißt: "Die Vorgehensweise von Frau Dr. Reich ist bibliotheksfachlich im Grundsatz nicht zu beanstanden. Einzelne Fehlentscheidungen lassen sich jedoch insbesondere im Hinblick auf die zu bearbeitende Menge nicht ausschließen."
Der Provinzial der bayerischen Kapuziner, Pater Josef Mittermaier, ist nach anfänglichen Bauchschmerzen - die wohl auch damit zusammenhängen, dass er auf diese Art von Öffentlichkeit gerne verzichtet hätte - mit der Angelegenheit im Reinen. "Wir haben den Bestand gekannt und um seinen Zustand gewusst", sagt Mittermaier. Die Büchervernichtung habe er deswegen auch nicht als Überraschung, sondern als Notwendigkeit empfunden: "Wenn Sie zwanzigmal die gleichen Fachzeitschriften haben, dann wird es schwierig mit der Frage, was davon zu erhalten ist. Müssen Krimis, Reiseführer oder Taschenlexika aufgehoben werden?" In seiner Privatbibliothek belaufe sich der Anteil bibliophiler Kostbarkeiten auf etwa zehn Prozent, rechnet der Provinzial vor. Dass der Eindruck entstanden sei, die Kapuziner neigten zum Bücherschreddern, findet er misslich.
Das Eichstätter Problem wird kein Einzelfall bleiben. Viele Ordensgemeinschaften stehen vor ähnlichen Fragen, weil bei ausbleibendem Nachwuchs in den kommenden Jahrzehnten noch mehr Klöster aufgelöst werden. Da es keine kirchliche Stelle gibt, die sich dieser Bücherberge annimmt, wird der Staat einspringen müssen. Das zumindest deutet der Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek, Rolf Griebel, im Gespräch mit dieser Zeitung an. "Wir treten in diesen Fällen hilfsweise ein, wer soll es auch sonst machen?" Er selbst sei in dieser Frage aber kein Purist und hänge nicht der Meinung mancher Kollegen an, jedes Buch könne und müsse erhalten werden - auch sei da schon aus Kostengründen der Rechnungshof vor.
Der Großteil des Kapuzinerbestandes, achtzig Tonnen Bücher, wurde makuliert; ein Dutzend Exemplare wurden der Polizei vorgelegt - ob sie tatsächlich aus den Containern stammen, in der die makulierten Bücher landeten, kann laut Staatsbibliothek-Gutachten nicht "festgestellt oder gar nachgewiesen werden". Zwei Exemplare seien auf dem Ramschmarkt aufgetaucht, andere im Antiquariat, wo sie billig abgegeben und zum Teil für niedrige vierstellige Beträge weiterverkauft werden sollten. Welche Rolle dabei Reichs Vorgänger Holzbauer, unter dessen Ägide der Vertrag unterzeichnet wurde, spielt, muss offenbleiben; eine Erlanger Rechtsanwältin erstattete jedenfalls Anzeige gegen die Bibliotheksleiterin (F.A.Z. vom 6. März 2007), weswegen die Geschichte nun ein juristisches Nachspiel hat.
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat mittlerweile in fünf Fällen Anklage gegen Angelika Reich erhoben - wegen Untreue. Der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter will sich über ein mögliches Strafmaß nicht äußern, verweist aber auf den Umstand, dass sich im Fall eines Schuldspruchs vermutlich noch ein Disziplinarverfahren anschließen werde - "für einen Beamten ist so eine Anklage immer bedrohlich". Man solle so eine Aufgabe nicht annehmen, wenn man sie nicht leisten könne, umreißt er die Position der Anklage. Frau Reich wollte sich zu dem Thema nicht äußern - ihr Anwalt habe ihr wegen des laufenden Verfahrens dazu geraten. HANNES HINTERMEIER
BCK - am Dienstag, 26. Februar 2008, 17:01 - Rubrik: Kulturgut
noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1644076
Der Streit um den Verkauf einer kostbaren mittelalterlichen Handschrift in Süddeutschland steht vor der Entscheidung. Nach der überraschenden Rückführung des 20 Millionen Euro schweren Hausbuchs aus dem 15. Jahrhundert werde nun „sehr rasch“ über den endgültigen Verbleib des Kulturguts verhandelt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa am Sonntag in Stuttgart. [...]
Den privaten Verkauf von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern hält der Chef der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Peter Michael Ehrle, für grundsätzlich bedenklich. „Der jüngste Verkauf der wertvollen mittelalterlichen Handschrift 'Hausbuch' durch ein baden-württembergisches Adelshaus ist unzulässig“, sagte er. „Was hier abgelaufen ist, war einfach ungesetzlich.“
Die SPD-Landtagsfraktion in Stuttgart forderte von der CDU/FDP-Landesregierung eine schnelle Klärung offener Fragen über den Verkauf. Auch die Grünen kritisierten die Landesregierung scharf. „Wie kann es nach dem Handschriftenskandal passieren, dass wieder mit unglaublich wichtigen Kunstgegenständen höchst unsensibel umgegangen wird?“, sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete, Jürgen Walter. Das Land müsse endlich erklären, warum es das Hausbuch nicht selbst erworben habe.
Ehrle wird bereits in einem früheren Artikel zitiert:
Der Chef der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Peter Michael Ehrle, nannte den privaten Verkauf von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern für grundsätzlich bedenklich. Nach seiner Ansicht müssten wesentlich mehr herausragende Kunstwerke auf die nationale Kulturgutliste gesetzt werden, als dies bisher der Fall ist. Zwar könne nicht jedes Kulturgut auf der Schutzliste stehen, es müsse aber ein Weg gefunden werden, um zumindest den Privatverkauf von wirklichen Raritäten wie das Hausbuch außer Landes zu verhindern. "Wer ohne Befreiung von gesetzlichen Auflagen wichtige Kulturgüter privat verkauft, handelt falsch", betonte der Kunstexperte.
https://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=3192246/1hb39kb/

Der Streit um den Verkauf einer kostbaren mittelalterlichen Handschrift in Süddeutschland steht vor der Entscheidung. Nach der überraschenden Rückführung des 20 Millionen Euro schweren Hausbuchs aus dem 15. Jahrhundert werde nun „sehr rasch“ über den endgültigen Verbleib des Kulturguts verhandelt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa am Sonntag in Stuttgart. [...]
Den privaten Verkauf von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern hält der Chef der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Peter Michael Ehrle, für grundsätzlich bedenklich. „Der jüngste Verkauf der wertvollen mittelalterlichen Handschrift 'Hausbuch' durch ein baden-württembergisches Adelshaus ist unzulässig“, sagte er. „Was hier abgelaufen ist, war einfach ungesetzlich.“
Die SPD-Landtagsfraktion in Stuttgart forderte von der CDU/FDP-Landesregierung eine schnelle Klärung offener Fragen über den Verkauf. Auch die Grünen kritisierten die Landesregierung scharf. „Wie kann es nach dem Handschriftenskandal passieren, dass wieder mit unglaublich wichtigen Kunstgegenständen höchst unsensibel umgegangen wird?“, sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete, Jürgen Walter. Das Land müsse endlich erklären, warum es das Hausbuch nicht selbst erworben habe.
Ehrle wird bereits in einem früheren Artikel zitiert:
Der Chef der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Peter Michael Ehrle, nannte den privaten Verkauf von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern für grundsätzlich bedenklich. Nach seiner Ansicht müssten wesentlich mehr herausragende Kunstwerke auf die nationale Kulturgutliste gesetzt werden, als dies bisher der Fall ist. Zwar könne nicht jedes Kulturgut auf der Schutzliste stehen, es müsse aber ein Weg gefunden werden, um zumindest den Privatverkauf von wirklichen Raritäten wie das Hausbuch außer Landes zu verhindern. "Wer ohne Befreiung von gesetzlichen Auflagen wichtige Kulturgüter privat verkauft, handelt falsch", betonte der Kunstexperte.
https://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=3192246/1hb39kb/

noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
Hausbuch kehrt ins Land zurück. Käufer verzichtet auf das Kulturgut
Zeitgewinn im Streit um das "Mittelalterliche Hausbuch": Der Käufer gibt das Kulturgut vorerst an das Fürstenhaus Waldburg-Wolfegg zurück (Südwestpresse, 23.02.2008, Roland Muschel)
Kurz vor Ende der für gestern Nacht gesetzten Frist hat sich die Fürstenfamilie zu Waldburg-Wolfegg über ihre Anwälte beim Wissenschaftsministerium gemeldet - mit einer Erklärung, die den Streit um die Rechtmäßigkeit des Verkaufs des wertvollen "Mittelalterlichen Hausbuchs" von 1480 erst einmal entspannt: Danach gibt der Erwerber - eine Name wird nicht genannt, es soll sich dabei aber um den Münchner Milliardär August von Finck handeln - das Kulturgut an die Familie Waldburg-Wolfegg zurück, bis zur Klärung der Rechtsfragen. Damit ist der Streit erst einmal vertagt, vor allem muss er nicht vor Gericht ausgefochten werden.
"Ich halte das für einen vernünftigen Schritt", sagte Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) am Abend der SÜDWEST PRESSE. "Jetzt können wir die strittigen Punkte in Ruhe klären."
Die Landesregierung hatte den vom Kunsthändler Christoph Graf Douglas eingefädelten Verkauf des kulturhistorisch wertvollen Hausbuchs, für das 20 Millionen Euro geflossen sein sollen, für unwirksam erklärt, da sich das Adelshaus dafür keine Genehmigung vom Regierungspräsidium Tübingen eingeholt hatte. Bis gestern Mitternacht hatte Frankenberg Aufklärung über den Verbleib des Werks verlangt, das auf der Liste der nationalen Kulturgüter unter der Nummer 01404 eingetragen ist. Wäre es im Ausland gelandet, hätte die Regierung am Montag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Denn ein nicht genehmigter Verkauf eines auf der Liste des nationalen Kulturguts stehenden Gegenstands steht unter Strafe. Darauf wollten es Erwerber und Verkäufer offenbar nicht anlegen.
Trotzdem haben Regierung und Adelshaus weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen. Nach Meinung der Ministerien darf das Fürstenhaus das reich illustrierte Hausbuch auch im Inland nur mit Zustimmung des Regierungspräsidiums Tübingen verkaufen. Die Anwälte der Familie Waldburg-Wolfegg indes bezweifeln sowohl das Veto- als auch das Vorkaufsrecht des Landes, das das Oberlandesgericht Stuttgart 1956 in einem Beschluss festgeschrieben hat. In diesen Fragen, kündigten Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium gestern an, werde man "unverzüglich" ein Gespräch mit den Beteiligten anberaumen.
Der Verkauf des Werks, das die spätmittelalterliche Lebenswelt in Texten und Zeichnungen zeigt und von Experten als "hochbedeutend" eingestuft wird, steht damit weiter im Raum. Den früher von Graf Douglas, Ex-Deutschland-Chef des Auktionshauses Sothebys, geäußerten Vorschlag, das Hausbuch gegen veräußerungsfähige Akten des Landes zu tauschen, hatte das Wissenschaftsministerium abgelehnt. Bei den kolportierten 20 Millionen Euro für den Erwerb des Hausbuchs dürfte es dem Land jedoch schwer fallen, sein Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen. Dass der Kulturgüter-Streit mit dem Haus Baden ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist, macht eine Lösung politisch nicht einfacher.
Die Süddeutsche Zeitung (Verkauft? Verworren: Die Hausbuch-Affäre in Baden-Württemberg, SZ 23.02.2008, Nr. 46, S. 13) schreibt:
vgl. auch die Pressemitteilung
"Wissenschaftsministerium und Wirtschaftsministerium zum Mittelalterlichen Hausbuch: Hausbuch kehrt zurück nach Baden-Württemberg" des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 23.02.2008.
Zeitgewinn im Streit um das "Mittelalterliche Hausbuch": Der Käufer gibt das Kulturgut vorerst an das Fürstenhaus Waldburg-Wolfegg zurück (Südwestpresse, 23.02.2008, Roland Muschel)
Kurz vor Ende der für gestern Nacht gesetzten Frist hat sich die Fürstenfamilie zu Waldburg-Wolfegg über ihre Anwälte beim Wissenschaftsministerium gemeldet - mit einer Erklärung, die den Streit um die Rechtmäßigkeit des Verkaufs des wertvollen "Mittelalterlichen Hausbuchs" von 1480 erst einmal entspannt: Danach gibt der Erwerber - eine Name wird nicht genannt, es soll sich dabei aber um den Münchner Milliardär August von Finck handeln - das Kulturgut an die Familie Waldburg-Wolfegg zurück, bis zur Klärung der Rechtsfragen. Damit ist der Streit erst einmal vertagt, vor allem muss er nicht vor Gericht ausgefochten werden.
"Ich halte das für einen vernünftigen Schritt", sagte Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) am Abend der SÜDWEST PRESSE. "Jetzt können wir die strittigen Punkte in Ruhe klären."
Die Landesregierung hatte den vom Kunsthändler Christoph Graf Douglas eingefädelten Verkauf des kulturhistorisch wertvollen Hausbuchs, für das 20 Millionen Euro geflossen sein sollen, für unwirksam erklärt, da sich das Adelshaus dafür keine Genehmigung vom Regierungspräsidium Tübingen eingeholt hatte. Bis gestern Mitternacht hatte Frankenberg Aufklärung über den Verbleib des Werks verlangt, das auf der Liste der nationalen Kulturgüter unter der Nummer 01404 eingetragen ist. Wäre es im Ausland gelandet, hätte die Regierung am Montag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Denn ein nicht genehmigter Verkauf eines auf der Liste des nationalen Kulturguts stehenden Gegenstands steht unter Strafe. Darauf wollten es Erwerber und Verkäufer offenbar nicht anlegen.
Trotzdem haben Regierung und Adelshaus weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen. Nach Meinung der Ministerien darf das Fürstenhaus das reich illustrierte Hausbuch auch im Inland nur mit Zustimmung des Regierungspräsidiums Tübingen verkaufen. Die Anwälte der Familie Waldburg-Wolfegg indes bezweifeln sowohl das Veto- als auch das Vorkaufsrecht des Landes, das das Oberlandesgericht Stuttgart 1956 in einem Beschluss festgeschrieben hat. In diesen Fragen, kündigten Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium gestern an, werde man "unverzüglich" ein Gespräch mit den Beteiligten anberaumen.
Der Verkauf des Werks, das die spätmittelalterliche Lebenswelt in Texten und Zeichnungen zeigt und von Experten als "hochbedeutend" eingestuft wird, steht damit weiter im Raum. Den früher von Graf Douglas, Ex-Deutschland-Chef des Auktionshauses Sothebys, geäußerten Vorschlag, das Hausbuch gegen veräußerungsfähige Akten des Landes zu tauschen, hatte das Wissenschaftsministerium abgelehnt. Bei den kolportierten 20 Millionen Euro für den Erwerb des Hausbuchs dürfte es dem Land jedoch schwer fallen, sein Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen. Dass der Kulturgüter-Streit mit dem Haus Baden ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist, macht eine Lösung politisch nicht einfacher.
Die Süddeutsche Zeitung (Verkauft? Verworren: Die Hausbuch-Affäre in Baden-Württemberg, SZ 23.02.2008, Nr. 46, S. 13) schreibt:
"Der Verkauf war physisch offenbar vollzogen, ein Eintrag in die Kulturgüterliste des Freistaates stand bevor."Rainer Ruf (Stuttgarter Zeitung, 23.02.2008, Nr. 46, S. 8) schreibt unter der Überschrift "Der Streit ums Hausbuch ist nicht zu Ende":
Allerdings wird der Streit um das auf 20 Millionen Euro taxierte Hausbuch nach der Rückkehr nach Wolfegg kein Ende finden. In dem Anwaltsschreiben wird die denkmalschutzrechtliche Aufsicht des Landes über das Hausbuch in Frage gestellt. Diese Aufsicht leitet sich aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart aus dem Jahr 1956 ab, in welchem dem Land auch ein Vorkaufsrecht eingeräumt wird.Auch der SWR bekundet "Freude über Rückkehr von kostbarem Hausbuch". Zitiert wird auch Ehrle. Der Leiter der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Peter Michael Ehrle, hält den privaten Verkauf von landesgeschichtlich bedeutenden Kulturgütern für grundsätzlich bedenklich. Nach seiner Ansicht müssten wesentlich mehr herausragende Kunstwerke auf die nationale Kulturgutliste gesetzt werden, als dies bisher der Fall ist. Zwar könne nicht jedes Kulturgut auf der Schutzliste stehen, es müsse aber ein Weg gefunden werden, um zumindest den Privatverkauf von wirklichen Raritäten wie das Hausbuch außer Landes zu verhindern. "Wer ohne Befreiung von gesetzlichen Auflagen wichtige Kulturgüter privat verkauft, handelt falsch", betonte Ehrle.
Das Mittelalterliche Hausbuch war Bestandteil des früheren Familienfideikommisses des Hauses Waldburg-Wolfegg. Dabei handelt es sich um eine Verfügungsbeschränkung über Teile des Familieneigentums. Mit dem OLG-Beschluss wurde die Verfügungsbeschränkung durch eine öffentlich-rechtliche Aufsicht abgelöst. Danach bedarf der Verkauf des Buches der staatlichen Zustimmung. Die Mitteilung der Anwälte ist ein klares Anzeichen dafür, dass die Adelsfamilie diese Fessel abstreifen will.
vgl. auch die Pressemitteilung
"Wissenschaftsministerium und Wirtschaftsministerium zum Mittelalterlichen Hausbuch: Hausbuch kehrt zurück nach Baden-Württemberg" des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 23.02.2008.
BCK - am Samstag, 23. Februar 2008, 10:30 - Rubrik: Kulturgut
meint die Welt.
Wolf Thomas - am Montag, 18. Februar 2008, 18:49 - Rubrik: Kulturgut
noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
https://pages.prodigy.net/ptheroff/gotha/waldburg.html
Der Chef des Hauses und Hausbuchverkäufer heisst:
JOHANNES Franz Xaver Willibald Maria Josef Philipp Jeningen Leonhard [Reichserbtruchseß] Fürst von Waldburg zu Wolfegg und Waldsee

Der Chef des Hauses und Hausbuchverkäufer heisst:
JOHANNES Franz Xaver Willibald Maria Josef Philipp Jeningen Leonhard [Reichserbtruchseß] Fürst von Waldburg zu Wolfegg und Waldsee

noch kein Kommentar - Kommentar verfassen
Es gibt jetzt im Netz ein größeres Bild einer Seite, siehe
https://archiv.twoday.net/stories/4387974/

https://archiv.twoday.net/stories/4387974/

noch kein Kommentar - Kommentar verfassen