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Geschichtswissenschaft

In Ansbach fand vom 15. bis 18. Mai 1485 ein sogenanntes Vierlandeturnier statt, über das mehrere Turnierbeschreibungen ausführlich berichten. Es wird nun darum gehen 1. die fehlerhaften Zuordnungen der Turnierer zu Turniergesellschaften in den Editionen (zuletzt: Thumser 2002, Stamm 1986) der Aufzeichnungen von Ludwig dem Älteren von Eyb und seines Sohns Ludwig des Jüngeren aufzudecken; 2. den Quellenwert der Beschreibung im Rüxnerschen Turnierbuch einzuschätzen und 3. das in seiner Authentizität umstrittene Eptinger Hausbuch als weitere von Rüxner wahrscheinlich unabhängige Quelle, die auf eine alte Aufzeichnung zurückgeht, zu erweisen.

Hans H. Pöschko: Turniere in Mittel- und Süddeutschland von 1400 bis 1550. Katalog der Kampfspiele und der Teilnehmer. Diss. Stuttgart (Mikrofiche) 1987, S. 111f. hat die ihm bekannten Quellen zum Ansbacher Turnier zusammengetragen. In Betracht kommen hier nur die längeren Beschreibungen bei Rüxner (Pöschko lit. a), Ludwig von Eyb dem Jüngeren (lit. b), aus Raidenbuchers Turnierbuch (lit. c), bei Ludwig von Eyb dem Älteren (lit. g) und im Eptinger Hausbuch (lit. f).

Die übrigen zeitgenössischen Quellen sollen nur kurz aufgelistet werden.

Die 1515/16 niedergeschriebene Familienchronik des fränkischen Ritters Michel von Ehenheim (Pöschko lit. d) ist zu benutzen in der Ausgabe von Sven Rabeler: Das Familienbuch des Ritters Michel von Ehenheim (um 1462/63–1518). Frankfurt am Main 2007. Die Stelle zum Ansbacher Turnier S. 67f. Digitalisate der älteren Ausgaben:
https://de.wikisource.org/wiki/Michel_von_Ehenheim
Ausgabe von Christian Meyer:
https://archive.org/stream/ZeitschriftFrDeutscheKulturgeschichte1-1891#page/n135/mode/2up

Siegmund von Gebsattels "Turnierbüchlein" (Pöschko lit. e) zu 1484-1487 (überliefert im Cgm 300, 1484-1487 https://www.handschriftencensus.de/9559 ) wurde im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit NF 1 (1853/54), Sp. 67-69 ediert:
https://archive.org/stream/anzeigerfurkunde01germ#page/n53/mode/2up
Zum Text vgl. Gundolf Keil in ²VL 8 (1992), Sp. 1207f.

Die Aufzeichnung über den Streit zwischen Graf Eberhard im Bart von Württemberg und Graf Hans von Sonnenberg (Pöschko lit. h) wurde von Hans von Aufseß im Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters 1 (1832), Sp. 214-216 aus einer Vorlage im Hauptstaatsarchiv Stuttgart abgedruckt (alte Signatur ebd., Sp. 69 angegeben, das Stück habe ich im elektronischen Findbuch nicht gefunden):
https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/277766
["befindet sich heute im Bestand A 186 (Grafen von Sonnenberg), Bü 1, fol. 4-5." Auskunft des Archivs, 13. Juli 2012.]

In der Ausgabe der Politischen Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles durch Felix Priebatsch Bd. 3, Leipzig 1898 beziehen sich fünf Schriftstücke (Pöschko lit. i, k nennt nur zwei) auf das Ansbacher Turnier: S. 372 Nr. 1058
https://archive.org/stream/politischecorre01priegoog#page/n373/mode/2up
S. 381 Nr. 1065 sowie drei bei Nr. 1058 erwähnte Schreiben.

2002 gab Matthias Thumser "Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502). Schriften" heraus, in denen er auch "Mein Buch" des ansbachischen Politikers edierte. Dieses nicht erhaltene Amtsbuch war die Grundlage von Staatsarchiv Nürnberg, Fürstentum Ansbach, Herrschaftliche Bücher Nr. 17 (angelegt 1492). Die Beschreibung des Ansbacher Turniers in dieser Vorlage Bl. 84v-93v steht bei Thumser S. 383-401. Wer Thumsers Edition nicht zur Hand hat, kann mit den älteren Ausgaben vorlieb nehmen, die digitalisiert vorliegen.
- Christian Meyer 1904
https://archive.org/stream/quellenundforsc13unkngoog#page/n220/mode/2up
- Schnitzlein 1774
https://books.google.de/books?id=xvM-AAAAcAAJ&pg=PA318
- Jung 1739
https://www.bsb-muenchen-digital.de/~web/web1001/bsb10016194/images/index.html?digID=bsb10016194&pimage=382

1510 ist "Raidenbuchers Turnierbuch" datiert, das nur durch den auszugsweisen Abdruck Gumppenbergs bekannt ist:
https://archiv.twoday.net/stories/83809128/
Der Inhalt geht auf Hans Judman zurück, der am Ansbacher Turnier selbst teilnahm (Stamm, wie unten S. 51f.). Zum Ansbacher Turnier: S. 113-123
https://books.google.de/books?id=LeUSAAAAYAAJ&hl=de&pg=PA113

Sowohl als Digitalisat als auch in der Ausgabe von Heide Stamm - Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb (cgm 961), Stuttgart 1986, hier S. 174-185 - liegt das Turnierbuch von Ludwig Eyb dem Jüngeren von 1519 vor. Bl. 80v-92r zum Ansbacher Turnier.
Zur Ausgabe Stamms siehe https://archiv.twoday.net/stories/83809128/
Münchner Digitalisat:
https://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00038996/image_168

Ein Digitalisat der Erstausgabe von Georg Rüxners Turnierbuch (Simmern 1530) wird womöglich noch lange auf sich warten lassen [1 Jahr später ist es bei Google ex ÖNB Wien: https://archiv.twoday.net/stories/351210529/]. Ich benutze daher das Digitalisat der Ausgabe von 1532. Das Ansbacher Turnier ist bei Rüxner das 33. seiner (überwiegend erfundenen) Turniere:
https://www.dilibri.de/rlbdfg/content/pageview/324668

Auf das Eptinger Hausbuch oder Familienbuch der Herren von Eptingen wird noch näher einzugehen sein. Die Ausführungen zum Ansbacher Turnier sind - in mäßiger Qualität - ediert bei Dorothea A. Christ: Das Familienbuch der Herren von Eptingen. Kommentar und Transkription, Liestal 1992, S. 386-390 nach einer Handschrift von 1621 in Schweizer Privatbesitz.
Siehe auch
https://de.wikisource.org/wiki/Burgunderkriege#Ludwig_von_Eptingen

Am 15. November 2011 erhielt ich eine Mail von Dr. Mario Müller über eine geplante Publikation, in der es heißt: "Der Ansbacher Stadtarchivar, Werner Bürger, wird einen kleineren Beitrag zum Ansbacher Turnier unter Albrecht Achilles im Jahr 1482 verfassen, da die entsprechende Beschreibung des Turniers in seinem Haus aufbewahrt wird." Über diese Quelle ist mir noch nichts bekannt. [Am 23. Juli 2012 erreichte ich den Ansbacher Stadtarchivar, der eine entsprechende Anfrage per Mail unbeantwortet gelassen hatte, und dieser teilte mir mit, dass es sich nicht um eine Turnierbeschreibung handle, sondern um eine Stallungsliste (Liste der Ansbacher Bürger mit Angabe der Anzahl der Pferde, die sie von den Turniergästen unterstellen mussten), die in einem Sammelband des 18. Jahrhunderts überliefert sei.]

1. Fehlzuordnungen von Überschriften in "Mein Buch" Ludwigs von Eyb des Älteren

Das Missverständnis beginnt bereits bei Ludwig von Eyb dem Jüngeren, wenn nicht schon in der Abschrift von "Mein Buch" in der Handschrift von 1492. Ärgerlicherweise ist die derzeit maßgebliche Edition von Thumser genauso gedankenlos verfahren wie alle vorherigen, obwohl man bei genauem Hinschauen vergleichsweise schnell bemerkt, dass mit den Zuordnungen der Turnierer zu Rittergesellschaften in den Abschnitten "item dise sein geordnet worden auß den vier landen, kuntschafft zu hören" (Entscheidung über die Zulassung, Thumser S. 395-397) und "item dise hernach geschriben sein zu dem teyll geordent" (Helmteilung, S. 397-398) etwas nicht stimmen kann. Bayerische Ritter erscheinen etwa als Schwaben (obwohl sie in einem vorhergehenden Abschnitt Thumser S. 392 richtig eingeordnet sind), Wilhelm von Urbach ist einmal angeblich König von Fisch und Falken, bei der zweiten Nennung aber König der Einhörner.

Ludwig der Jüngere von Eyb (Stamm S. 182), der den gleichen Text wie sein Vater bietet, wollte natürlich nicht akzeptieren, dass eindeutig fränkische Ritter in der Überschrift als Bayern erscheinen und hat das Bayern der Vorlage (Thumser S. 396) in Franken geändert. Thumser hat diese Verschlimmbesserung übernommen und bayern in Franncken geändert, obwohl ihm seine textkritische Anmerkung auf S. 398 "Überschrift steht nach den Personeneinträgen" eigentlich zu denken hätte geben müssen. Es handelt sich nämlich um Unterschriften, nicht um Überschriften. Die Namen der Rittergesellschaften stehen in den beiden genannten Abschnitten also unter den Listen der Teilnehmer.

Es ist also zu lesen (S. 395)
"Graff Jorg von Werdenberg
Cunrat von Schellenberg ritter
Burckhart von Ellerbach
Heintz von Zulnhart
Auß der geselschafft Visch und Valcken"

Dann ist Wilhelm von Urbach (in Thumsers Register falsch bei Auerbach eingeordnet) König der Gesellschaft im Leidbracken. Die richtigen Zuordnungen hat Raidenbuchers Turnierbuch, wo unter den Schwaben S. 113 als erste die Leidbracken-Gesellschaft erscheint mit ihrem König Wilhelm von "Awrbach" (Horst Carl, Der Schwäbische Bund, 2000, S. 107 Anm. 237 erwähnt ihn auch als solchen, ebenso in: Gelungene Anpassung? 2005, S. 47).

Raidenbuch hat also - in anderer Reihenfolge - die richtigen Zuordnungen, desgleichen das Eptinger Hausbuch, in dem ebenfalls Wilhelm von "Urbach" als Leidbracken-König fungiert. Auch bei Rüxner ist Wilhelm von "Aurbach" König der Gesellschaft Bracken und Kranz.

In beiden angegebenen Abschnitten muss man also die unter den Namen stehenden Gesellschaften für die Zuordnung nutzen, um die verhängnisvolle Druckanordnung Thumsers, die vermutlich der Handschrift folgt, zu berichtigen.

2. Rüxner als Redaktor

Wie die wörtliche Übereinstimmung der Einleitung bei Rüxner mit der Einleitung bei Thumser S. 384 zeigt, lag ihm eine Fassung des bei Eyb d. Ä. und Eyb d. J. gegebenen Berichts vor, während Raidenbuchers Turnierbuch so sehr abweicht, dass ich anders als Thumser nicht von einer "anderen Redaktion" sprechen möchte.

Rüxner hat die einzelnen Abschnitte anders angeordnet und mit kurzen eigenen überleitenden Texten versehen. Rüxners Gliederung ist chronologisch und auch sonst schlüssiger. Erst kommt die Liste der Verordneten, die über die Zulassung entscheiden sollten (Kundschafts-Hörer), dann die Liste der Helmteiler (beide sind, wie eben gezeigt, bei Thumser in Unordnung geraten), gefolgt von der Angabe derjenigen, die an den Seilen standen, und der Grieswertel. Auf diese "Amtsträger"-Listen folgt eine Aufzeichnung über die Zulassung (Bl. 194r), die mit Thumser S. 393 zu vergleichen ist. Das Eptinger Hausbuch S. 389 entspricht mit wenigen Ausnahmen Eyb d.Ä., während Raidenbucher wieder abweicht (S. 122f.). Nur Rüxner hat die Dreiteilung Beweisführende, Ausgebliebe und Zugelassene, wobei die drei Ausgebliebenen nur bei ihm zu finden sind. Seine Angaben scheinen zuverlässig zu sein.

Bei Rüxner folgen nun noch die Teilnehmerliste der Helmschau, die Namen der Herolde, das Verzeichnis der Damen, Angaben über das Gesellenstechen und den abschließenden Tanz mit Ritter- und Stechdank.

Ein grober Fehler Rüxners ist die Angabe derjenigen, die zu Blatt getragen wurden. Eyb d. Ä./J. und Raidenbucher haben ganz andere vier Namen. Einige Fehlzuordnungen gibt es bei den Rittergesellschaften. Die Kronen-Mitglieder erscheinen fälschlich als Bracken-Mitglieder, Steinbock und Wolf sind verwechselt, die Einhörner stehen anders als Rüxner angibt nicht unter den Franken, sondern sind die von ihm als Bär und Fürspang bezeichnete Gruppe. Im Verzeichnis der Helmschau sind die Bayern falsch als Franken rubriziert.

Abgesehen von kleinen Zusätzen bei den Namen und dem erwähnten Sondergut zur Zulassung erübrigt sich somit eine Verwertung Rüxners als Faktenquelle. Rüxners fehlerhafte Zuordnungen sollten davor warnen, seine Angaben zu anderen Vierlande-Turnieren, bei denen es keine zeitgenössischen Berichte gibt, unkritisch zu übernehmen.

3. Zum Eptinger Hausbuch

Ich möchte vorausschicken, dass ich an meiner Skepsis hinsichtlich der Annahme einer einzigen spätmittelalterlichen Vorlage des Eptinger Hausbuchs festhalte:
https://swbplus.bsz-bw.de/bsz031802702rez.html
https://h-net.msu.edu/cgi-bin/logbrowse.pl?trx=vx&list=h-museum&month=0110&week=&msg=pxJa91%2bAD%2btCu2X9p99W7w&user=&pw=

Aber da gerade im Bereich des Turnierwesens authentische spätmittelalterliche Dokumente in dem am Anfang des 17. Jahrhunderts entstandenen Familienbuch der Herren von Eptingen verarbeitet wurden, ist eine übertriebene Vorsicht nicht am Platz. Offenbar liegt in dem Familienbuch eine stark gekürzte Fassung eines der Version von Eyb d.Ä./d.J. nahestehenden Berichts vor. Das Sondergut (S. 386: 305 Helme, S. 389 Notiz zu den Neuzugelassenen, S. 390 3800 Pferde) scheint mir unverdächtig. Als einzige Quelle bietet das Hausbuch S. 388 der offenbar gemeinsam auftretenden Bären und Fürspänger, wobei zwei Turnierer den Fürspängern zugewiesen werden, 12 Namen aber den Bären. Wenn die Bären dem Ansbacher Hof besonders nahestanden, ist das durchaus denkbar.

Nun gab es handschriftliche Rüxner-Register und einem sehr kundigen Bearbeitet wäre es womöglich auch ohne ein solches Hilfsmittel möglich gewesen, die Rüxnerschen Fehlzuordnungen von Rittergesellschaften für das Hausbuch auszubessern. Aber hätte ein solcher genialer Redaktor dann nicht auch einen Rüxner-Druck herangezogen, um die Namensentstellungen zu emendieren?

Da sich das Hausbuch an Listen hält, die auch Rüxner vorlagen, kann man bei Annahme eines genialen Redaktors nicht ohne weiteres die Eigenständigkeit des Hausbuchs erweisen. Der Redaktor hätte dann aber den in den Quellen sonst nicht auftauchenden Zusatz bei Kunz von Aufseß "zue Wolckhenstein" aus einem anderen Rüxner-Abschnitt einfügen müssen. Und er hätte auch bei den Herolden/Gesellschaftsknechten die ursprüngliche Reihenfolge Burggraf (Persevant, Knecht im Bär) wiederherstellen müssen, denn Rüxner ordnet hierarchisch, erst den Kündiger der Wappen (Hausbuch wie Eyb d.Ä./d.J.: König der Wappen), dann Burggraf, der aufgrund des Veranstalters - er war wohl auch markgräflicher Herold - in den Eyb-Handschriften an erster Stelle steht.

Die Liste auf Bl. 227v des Hausbuchs lautet (Christ S. 389f.):
"item Hanß Burggraf Persenant Knecht Im Beren, ein Kunig der Woppen.
Item ein König der Woppen auß dem Niderlandt.
Item ein Persenant der Gesellschafft Im Steinbockh
Item Hanß Monfort Psenant im falckhen undt Fisch genannt Pfaffhanß. [S. 390]
Item Utz Holffenstein Persenant Im Leytbrackhen.
Item Dummer Muot Knecht Im Steinbockh
Item Lazarus Beham Knecht Im Eßell
Item Manng Grünnenwaldt Knecht Im Landt zue Beyern.
Item Hannß Frey ein nachvolger der Wappen."

Mein Buch Bl. 89v (Thumser S. 393f.) hat:
"Item Hans Burgraff, persevant knecht im Bern [zu Recht nach Eyb dem Jüngeren emendiert aus: in bayern]
Item ein kunig der wappen auß dem Nyderland, ein persevant der geselschafft des Steynpocks
Item Hans Monfart, persevant im Visch und Valcken, genant Pfaff hans
Item Utz Helffenstein, persevant im Laytbracken
Item Heintz Thumernut, knecht im Steinpock
Item Lazarus Behem, knecht im Esell [S. 394]
Item Mang Grundwald, der Bayern knecht
Item Hans Frey, ein nach volger der wappen"

In der älteren Überlieferung muss stutzig machen, wieso ein Wappenkönig Steinbock-Persevant sein soll. Die Herolds-Hierarchie war: Persevant, Herold, Wappenkönig. War der Wappenkönig der Ruwieren, damals Hermann Brüninghausen, in Ansbach? Und womöglich noch ein weiterer Wappenkönig? Ich glaube aber nicht, dass man Burggraf als Wappenkönig sehen kann, und auch die Lesart Burggraf, Wappenkönig aus dem Niederland, weiterer Wappenkönig, Persevant des Steinbocks geht wohl zu weit. Dagegen könnte man dem Hausbuch durchaus Glauben schenken, wenn es den Steinbock-Persevanten vom Wappenkönig der Niederlande trennt. Nach beiden Überlieferungen war der Steinbock-Persevant jemand anderes als der Steinbock-Knecht Heinz Dummermut.

Sehr viel schlüssiger als mit inhaltlichen Erwägungen kann anhand der Reihenfolge der Abschnitte gezeigt werden, dass die Eptinger Quelle keine bloße Rüxner-Ableitung ist. Denn auch wenn die Eybschen Aufzeichnungen und das Hausbuch sich in der Reihenfolge unterscheiden, lehnt sich das Hausbuch eben nicht an Rüxner an, sondern an die älteren Zeugnisse. Die Reihenfolge Zugelassene - Grieswärtel - Herolde stimmt überein, und auch der zweite Teil der Eybschen Aufzeichnungen (ab dem Ritterdank) liegt in gekürzter Form und ohne die an anderer Stelle verwerteten Damen im Hausbuch in gleicher Reihenfolge vor.

Dem Abschnitt im Hausbuch liegt also eine von Rüxner unabhängige zeitgenössische Quelle zugrunde, die es durchaus verdient hat, dass man sie nicht (wie Thumser das tut) übergeht.

***

Zum Würzburger Vierlande-Turnier 1479:
https://archiv.twoday.net/stories/83809128/

Zum Heidelberger Vierlande-Turnier 1481
https://archiv.twoday.net/stories/96991891/

Turniere in Archivalia
https://archiv.twoday.net/search?q=turnier

#forschung


J.W. macht mich via Twitter aufmerksam auf:

https://jobo72.wordpress.com/2012/04/18/hexen/

Die fehlerhaften Darstellungen in populärwissenschaftlichen Medienberichten und die daraus folgenden Fehlurteile basieren dabei zum Teil auf waschechten Fälschungen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema „Hexen“. Oft ist zu hören und zu lesen, die (katholische) Kirche habe im Mittelalter Millionen von Frauen in Europa als Hexen verbrannt, bevor die Aufklärung kam und dem Spuk ein Ende bereitete. In dieser Aussage stecken fünf Fehler.

Wir erinnern uns an unseren umstrittenen Link zu kreuz.net https://archiv.twoday.net/stories/96993842/

Bis auf die Falschaussage, die letzte Hexe sei 1775 verbrannt worden (die Kemptener Hexenhinrichtung fand NICHT statt, wie man seit geraumer Zeit weiß), entsprechen die Ausführungen teilweise etwa dem Forschungsstand der heutigen Hexenforschung.

- Die meisten Hexenverfolgungen fanden in der Frühen Neuzeit statt. Stimmt

- Es gab keine 9 Millionen Opfer, sondern "nur" einige zehntausend. Stimmt

Anderes ist fragwürdig: Dass der Schwerpunkt der Hexenverfolgungen in Afrika liegt kann allenfalls dann behauptet werden, wenn man das Postulat eines überzeitlichen Hexenglaubens akzeptiert.

Insgesamt ist der Beitrag von unangenehmer katholischer Apologetik durchdrungen. Aber wer über Jahrhunderte Prügel bezogen hat, dem darf man nicht verwehren, dass er bei der Zurückweisung von Geschichtsmythen nun über die Stränge schlägt.

Klara Hübner: Rezension zu: Hiltmann, Torsten: Spätmittelalterliche Heroldskompendien. Referenzen adeliger Wissenskultur in Zeiten gesellschaftlichen Wandels (Frankreich und Burgund, 15. Jahrhundert). München 2011, in: H-Soz-u-Kult, 18.04.2012, https://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-2-048

Deutlich wird der Rückstand des deutschsprachigen Raums, was die entsprechende Schriftlichkeit angeht.

Blicke ins Buch von Hiltmann ermöglichen:
https://books.google.de/books?id=qQ-rOpexELEC
https://www.libreka.de/9783486591422
https://www.amazon.de/Sp%C3%A4tmittelalterliche-Heroldskompendien-Wissenskultur-gesellschaftlichen-Jahrhundert/dp/3486591428

Hier (bei Amazon) kann man etwa S. 372 Hiltmanns wichtigen Fingerzeig auf Zusammenhänge des Empereur-Traktats mit dem deutschen Quaternionensystem nachlesen, wobei Hiltmann mein kurzer Hinweis von 1993 auf die Rolle der Herolde für die Ausbildung und Verbreitung dieses Konzepts nicht entgangen ist:

https://periodika.digitale-sammlungen.de/bdlg/Blatt_bsb00000333,00194.html

Weder Google noch Libreka finden zum Suchwort Quaternionen etwas, während Amazon zwei Treffer hat!

Zu Herolden in Archivalia:
https://archiv.twoday.net/search?q=herold

https://derstandard.at/1334530997125/Mittelalterliches-Dokument-Sensationsfund-in-der-Wegwerfbox

Im Wiener Schottenstift wurde in einer Fragmentenschachtel eine Urkunde Friedrichs II. aus dem Jahr 1250 aufgefunden. Wenn die Darstellung des Standard zutrifft, ist das nur ein weiteres Beispiel für eine schändliche Kultur der Achtlosigkeit in kirchlichen Institutionen. In profanen Bibliotheken oder Archiven würde der Inhalt einer Fragmentenschachtel ganz und gar nicht weggeworfen. Aber im Wiener Kloster hat man offenbar zuviele Kulturgüter ...

Ein instruktiver Artikel dazu:

https://www.kreuz.net/article.3453.html [wenn es den Text auf Deutsch auch anderswo gibt, verzichte ich gern auf die Verlinkung von kreuz.net, laut Wikipedia ein "Blog mit religions- und kirchenbezogenen Texten sowie rechtsextremen, antisemitischen und homosexuellenfeindlichen Inhalten"]
englische Fassung:
https://www.draeconin.com/database/witchhunt.htm

Norman Cohn (Europe's Inner Demons, erstmals 1975) zeigte nicht nur, dass Lamothe-Langon gefälscht hat, er erwies auch ein Gutachten von Bartolo de Sassoferrata zu einem angeblichen Hexenprozess ca. 1340 in Novara als spätere Fälschung.

https://books.google.de/books?id=3mK_SJSZTooC (Auszüge aus Kieckhefers Buch, der unabhängig von Cohn Lamothe-Langon als Fälscher verdächtigte)

Fälschungen in Archivalia:
https://archiv.twoday.net/stories/96987511/

"Die Stuttgarter Stadt-Glocke verbreitete Fortsetzungsgeschichten historischen und vaterländischen Inhalts, angekündigt als Sagen oder Erzählungen, die mündlich oder schriftlich von früheren Generationen überliefert worden seien. Tatsächlich waren die Texte jedoch frei erfunden, was der Leserschaft indes offenbar nicht immer klar war: Der fiktive Held der ersten Serie war Anton Webercus, ein angeblich mehr als hundertjähriger Mann, der in Tagebuchform die Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts niedergeschrieben haben sollte. Webercus, der angeblich am 1. April beim Abzählen von 500 Wäscheklammern gestorben war, fand Eingang in die Allgemeine Deutsche Biographie"
https://de.wikipedia.org/wiki/Stuttgarter_Stadt-Glocke

Zu Webercus siehe auch
https://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Webercus,_Anton

Die derzeit maßgebliche Darstellung zu Munders angeblichen "Sagen" habe ich 1995 in "Sagen rund um Stuttgart" vorgelegt:

https://books.google.de/books?id=DCbaAAAAMAAJ&pg=PA56

Ich vermute dort, dass die Geschichten doch auf den Stuttgarter Buchdrucker Johann Gottfried Munder zurückgehen, nicht, wie zuvor angenommen, auf seinen Bruder, den Pfarrer.

Wie man Munders Phantasien in Schwäbisch Gmünd als authentische Überlieferungen auffasste (Georg Stütz, Alois Marquart, Hildegard Meschenmoser) zeigte ich im einhorn-Jahrbuch 1998:

https://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/enzing.htm
Siehe auch
https://de.wikisource.org/wiki/Untergang_der_Enzinger

Württemberg wie es war und ist 1 (1854):
https://books.google.de/books?id=2ak7AAAAcAAJ
2 (1854)
https://books.google.de/books?id=Fqo7AAAAcAAJ
3 (1854)
https://books.google.de/books?id=G7G2jSxxPPwC
4 (1855)
https://books.google.de/books?id=ev-DtvGkLpUC

Siehe auch
https://catalog.hathitrust.org/Record/000300416

Zu Fälschungen in Archivalia
https://archiv.twoday.net/stories/96987511/


https://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/kunst_architektur/grosse-bohrung--kleine-hoffnung_1.16391952.html

Update zu:
https://archiv.twoday.net/stories/75231519/

Aufgrund breiterer Quellen- und Literaturkenntnis und aufgrund strikterer Beachtung der Herolds-Hierarchie möchte ich meine Hypothese, Jörg Rüxner (alias Rugen, Jerusalem, Brandenburg) sei mit dem 1495 in Worms auftretenden königlichen Persevanten Jörg Elässer identisch, zurückziehen.

Ich knüpfe an meine Argumentation und die Belege in

https://archiv.twoday.net/stories/11475805/

an.

Die Belege zu Rüxner finden sich unter

https://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7140/

Das Hierarchie-Argument:

https://archiv.twoday.net/stories/96991398/

Rüxner nennt sich bis 1505 stets Persevant, als Herold ("ernhalt") erscheint er erstmals in der 1505 entstandenen Beschreibung des Kölner Reichstags. Im autographen Wiener Cod. 2799 nennt er sich 1515 erstmals König der Wappen (und gradierter Ernhalt auf Brandenburg, was immer das ist).

Da der ehemalige königliche Persevant Jörg Elsässer von Maximilian am 8. Oktober 1495 ausdrücklich als Herold bezeichnet wird, kann er - der Heroldshierarchie zufolge - nicht mit dem erst 1505 zum Herold promovierten Rüxner identisch sein.

Schon auf dem Regensburger Reichstag 1471 begegnet ein Herold Elsas des Erzherzogs Sigmund von Tirol (RTA ältere Reihe Bd. 22,2, 1999, S. 541) bzw. "Jorgen Elsess herzog Sigmunds zu Osterreich herolt" (ebd., S. 947). Wäre das Rüxner, müsste er - 1526 letztmals sicher zu belegen - recht alt geworden sein. Aber es gibt Gründe, in diesem Jörg Elässer nicht den späteren Persevanten zu sehen.

Der Herold ist mit dieser Bezeichnung in zwei Quellen 1471 bezeugt, ein Irrtum scheidet zwar nicht ganz aus, ist aber eher unwahrscheinlich. Denn noch ein zweites Argument kommt zu Hilfe, wenn es darum geht, einen älteren Herold von einem jüngeren Persevanten zu trennen. Am 16. September 1486 (RTA mittlere Reihe Bd. 1, 1989, S. 662f. Nr. 656) empfiehlt Kaiser Friedrich III. den zur Besprechung verschiedener Angelegenheiten zu Sigmund gesandten kaiserlichen Persevanten Jörg Elsässer: Dieser habe sich um die Belange des Hauses Österreich bereits sehr verdient gemacht. Es ist nicht anzunehmen, dass Friedrich seinem Verwandten eine Person in dieser Weise ans Herz legte, die dem Adressaten bereits 15 Jahre zuvor als Herold gedient hatte. Beide Argumente lassen es als plausibel erscheinen, einen älteren und einen jüngeren Herold Elässer zu unterscheiden.

Eine recht absurde Vorstellung von "bekannt" kultivierte Gerhard Pietzsch, Archivalische Forschungen zur Geschichte der Musik an den Höfen der Grafen und Herzöge von Kleve-Jülich-Berg (Ravensberg) bis zum Erlöschen der Linie Jülich-Kleve im Jahre 1609 (1971), S. 62f. als er vom "bekannten" Herold Jorg Elsass sprach, der Erzherzog Sigmund, Kaiser Friedrich III. und König Maximilian gedient habe. Dass ihm aufgrund seiner intensiven Quellenstudien (etwa in den Augsburger Baumeisterbüchern, aber auch in unzähligen anderen Quellen) diese Person gut vertraut war, mag sein. Aber von einem "Forschungsstand" kann man ganz und gar nicht sprechen (Elässer fehlt z.B. in Heinigs Herolde-Aufsatz). Pietzsch gibt leider nur einen einzigen Beleg zu dem "bekannten" Elsässer, nämlich Staatsarchiv Nürnberg Rep. 54, Nr. 18, Bl. 237v zu 1479: "Jorgen Elsasser herolt". Das wäre also noch der ältere Elsässer. Ob er später noch bezeugt ist, wusste vielleicht Pietzsch - ich kann die mir bekannten jüngeren Belege nur auf den Persevanten beziehen, der als Herold erstmals 1495 erscheint (zugleich sein letzter Beleg).

Pietzsch zitiert einen Geleitbrief Herzog Wilhelms von Jülich-Berg vom Juli 1494 für "Jorghe Elsaisser, bewyser des brieffs, mancherley koenygen ind fuirstenhoue erfaren ind sich dermaissen daselffs gehalden hait dat he sulcher gunst erfolgen mocht wirdig geschatzt zo werden mit edem tytell ind namen wapen genoiss mit dem he wyder ind mere heymsoechonge ind erfaronge verdienen mocht hyralt zo werden". Elässer wolle viele Reiche sehen, um erfahrener wiederzukehren (HStA Düsseldorf Jülich-Berg I Nr. 69/30 = Bl. 30-31 nach Nijsten, Shadow of Burgundy, 2003, S. 178f. mit ionghe statt Jorghe). Natürlich konnte Pietzsch diese Person nicht mit dem älteren Herold gleichsetzen, weil ja ausdrücklich in der Quelle stand, dass er erst Herold werden wollte. Er dachte daher an einen Verwandten (Sohn?).

In Augsburg erscheint 1511 ein Herold Jörg des Herzogs von Jülich (Pietzsch S. 63). Ich halte es für viel zu hypothetisch, diesen mit dem Elsässer von 1494 gleichzusetzen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich 1511 um Rüxner gehandelt hat, der ja bei vielen Herren ein und aus ging. Die fragmentarische Überlieferung zu Heroldsnamen verleitet dazu, bei gleichen Vornamen oder Amtsnamen an eine Kontinuität im Sinne einer "Festanstellung" zu denken.

Könnte der Jülicher Jörg Elsässer von 1494 der königliche Persevant sein? Ein Jahr später wollte dieser als Herold in die weite Welt: "KM gibt seinem Herold Georgio Elsas Heraldo einen Empfehlungsbrief an alle Kge, Fsten, Hge, Gfen etc.: Georg Elsaß hat die Absicht, das Hl. Grab in Jerusalem zu besuchen und verschiedene Teile der Welt zu bereisen, um die Sitten der Höfe, deren tapfere Taten (fortia gesta), ihre Wappen und alles, was zu seinen Pflichten gehört, zu erkunden. Wormatie 8. Octobris 1495." Von einem Dienstverhältnis spricht die Jülicher Quelle anscheinend nicht, obwohl es für Pietzsch plausibel war, ihn als Jülicher Herold aufzufassen. Dass die sich ähnlichen Empfehlungsbriefe von 1494/95 sich auf zwei verschiedene Personen, die beide Jörg Elsässer hießen, beziehen, halte ich für eher unwahrscheinlich. Wenn man das trotzdem annehmen möchte und zugleich meiner Argumentation, dass es einen Herold Sigmunds Jörg Elsässer und einen davon verschiedenen Persevanten Jörg Elsässer gab, folgen, hätte man mit drei Personen des Namens zu rechnen!

Ich hatte ja argumentiert, dass der Persevant Jörg Rugen = Rüxner, der ja anscheinend Graf Eberhard im Bart auf dem Wormser Reichstag über die Reichsverfassung unterrichtete, mit dem Persevanten Elsässer identisch sein muss, wenn er in der Teilnehmerliste aufgeführt sein sollte (ausschließen wollte ich den Wind-Gesellschaftsknecht Jörg von Giengen, der wohl mit dem 1487 RTA mR Bd. 2, 2001, S. 661 auftretenden Jorg Aman, Wind-Gesellschaftsknecht identisch ist). Wenn Rüxner und Elsässer aber verschiedene Personen sind, was ich jetzt annehmen möchte, wird man zu folgern haben, dass entweder Rugen in der Teilnehmerliste vergessen wurde (etwa weil er nur zeitweilig anwesend war) oder dass er gar nicht anwesend war. Rüxner könnte ja beispielsweise aus Heidelberg eine schriftliche Äußerung an Eberhard gesandt haben.

Aber bei solchen Bastelarbeiten sollte man immer im Auge behalten, dass angesichts der schlechten Quellenlage bzw. der schlechten Erschließung der allzu verstreuten Quellen jede neue Quelle die bisherigen Konstruktionen wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lassen kann.

Nachtrag: Zu den Belegen für den Persevanten Elsässer kommt der bislang älteste hinzu:

Jörig Elsasser persinant (sic!) 1480 August 2
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/jbksak1900/0312

Ein Herold Elsosser auf der Landshuter Hochzeit 1475:
https://archiv.twoday.net/stories/1022403203/

#forschung

Harm von Seggern hat 2002 dem Wappenkönig der Ruwieren Hermann von Brüninghausen eine kleine Studie gewidmet, in der er die zerstreute ältere Forschung zu dem niederrheinischen Herold zusammenfasste und neue Belege vor allem aus burgundischen Quellen beibrachte (Hermann von Brüninghausen. Wappenkönig der Ruwieren, in: Menschenbilder - Menschenbildner, 2002, S. 109-117. Ohne diesen Beitrag zur Kenntnis zu nehmen hat die Kunsthistorikerin Leonie Gräfin Nesselrode in ihrem Buch "Die Chorfenster von Ehrenstein" (2008) [Auszüge] die Urheberschaft Brüninghausens am Heroldsbuch des Jülicher Hubertusordens bestritten. Außer einem Aufsatz in einer Krakauer Zeitschrift (in: Prace Historyczne Zeszytów Naukowych Uniwersytetu Jagiellonskiego (History Notebooks) 137, 2010, S. 43-78, non vidi) hat sie ihre Beobachtungen auch im Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 36 (2010) publiziert (Neue Erkenntnisse zum Heroldsbuch und Bruderschaftsbuch des jülich-bergischen Hubertusordens, S. 131-162). Ihr Aufsatz in den Rheinischen Vierteljahresblättern 75 (2011) geht auf diese Frage nicht ein.

Das Heroldsbuch des unmittelbar nach der siegreichen Schlacht bei Linnich (1444) durch Herzog Gerhard II. von Jülich-Berg gegründeten gegründeten Hubertusordens war lange verschollen. Die Berliner Handschrift mgq 1479 befindet sich heute unter der alten Signatur in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau.

https://www.handschriftencensus.de/5306 (mit weiteren Nachweisen)

Bilder:
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Heroldsbuch_des_j%C3%BClich-bergischen_Hubertusordens [vor allem Schwarzweissfotos aus dem Aufsatz von Nesselrode, polnischer Publikationsort]

Nesselrode zeigt schlüssig, dass die bisherige Datierung um 1480 und die Zuschreibung an Hermann von Brüninghausen (sie nennt ihn Brunshofen) unzutreffend sind. Bl. 13v sagt "herman eyn tornyrkunde heralt", dass er das Heroldsbuch gemacht und geordnet habe. Seine Hand unterscheidet sich von dem Vermerk Bl. 127v des Wappenkönigs Hermann von "brumhoyften" (so die Lesung Nesselrodes, auf meinem Gebrauchsscan der Abbildung 6 kann ich kaum etwas erkennen).

Da Nesselrode keine Angabe zu den einzelnen Händen der Handschrift macht - Degering meinte, sie sei im "wesentlichen von der Hand des Verfassers geschrieben - können ihre Angaben nicht nachvollzogen werden. Entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Eingangsvermerks des Herolds Hermann sieht sie in ihm nur den Bearbeiter eines bereits vor 1463 bestehenden Buchs. Sie findet seine markante Hand in Eintragungen aus der Zeit um 1463, seine einzige datierte Eintragung stamme von 1463 (S. 140). Für die Anlage des Bandes erscheint der Zeitraum 1452/63 wahrscheinlich (S. 141). Hoffentlich wird der Codex in absehbarer Zeit digitalisiert, dann können Nesselrodes Beobachtungen besser überprüft werden. Nesselrode rechnet offensichtlich nicht mit der Möglichkeit, dass Hermann der geistige Urheber des Codex war, die Schreib- und Malarbeit aber anderen überlassen hat. Angaben über die Wasserzeichen liegen noch nicht vor.

Wenn die Frühdatierung (um oder vor 1463) zutrifft - daran möchte ich nicht zweifeln - kann gemäß der strengen Hierarchie des Heroldswesens (Persevant, Herold, Wappenkönig) Brüninghausen nicht mit dem 1463 wirkenden Herold Hermann (des Herzogs von Jülich bzw. des Hubertusordens) identisch sein (Nesselrode S. 142).

Zum Persevanten, Herold und schließlich Wappenkönig Hermann von Brüninghausen hat sich Wim van Anrooij 2009 geäußert (King of Arms of the Ruwieren: A Special Function in the German Empire, in: The Herald in Late Medieval Europe, 2009, S. 111-132, wobei er auf die unveröffentlichte Datenbank heraudica.org von Torsten Hiltmann und Franck Viltart zurückgreifen durfte.

Nach ebd., S. 128 wurde Hermann von Brüninghausen im Jahr 1470 Herold, er kann daher nicht mit dem um 1463 wirkenden Herold Hermann identisch sein.

Außer dem Aufsatz von Seggern bieten Belege zu Brüninghausen Gerhard Pietzsch, Archivalische Forschungen zur Geschichte der Motiv an den Höfen der Grafen und Herzöge von Kleve-Jülich-Berg (Ravensberg) bis zum Erlöschen der Linie Jülich-Kleve im Jahre 1609 (1971), S. 41f.; Gerard Nijsten, In the Shadow of Burgundy ... (2003), S. 78 [Auszug] (Persevant Hermann zu 1470, auch bei Nesselrode S. 142).

Die bekannten Belege reichen von 1461 (Persevant Hermann) bis 1501/02 (Stadtrechnung Neuss, Herold Hermann). Zwischen 1471 und 1477 wurde er Wappenkönig der Ruwieren.

[Auch Heinrich von Heessel - https://archiv.twoday.net/stories/59206605/ - war Wappenkönig der Ruwieren. Die Bezeichnung geht auf den Raumnamen Ripuarien zurück.]

Außerdem ist auf eine Urkunde aus Brauweiler hinzuweisen: "Hermann von Brüninghausen, Herold, und seine Frau Barbara haben dem Abt und Konvent 6 1/4 Morgen Wiesen in der Herrlichkeit Kernen verkauft. - 1489 Jan. 21. Orig.: HStAD, B, Urk. 96."
(FS Odilo Engels 1993, S. 216 [Schnipsel]

Leider nicht auf den Herold bezieht sich eine Nennung eines "Hen(n)man von Brünykofen hofmeister", die ich in der Eheabrede zwischen Graf Heinrich von Württemberg und Graf Simon Wecker von Zweibrücken-Bitsch (1485) im Hauptstaatsarchiv Stuttgart fand:

https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-24954-1 (Digitalisat)

Die Adelsfamilie nannte sich nach Brünighofen bei Altkirch im Elsass:

https://gov.genealogy.net/item/show/BRUFENJN37OQ

Diverse Belege zur Familie und Sekundärliteratur gibt:

https://www.monuments-alsace.com/alsatia/alsatia.pdf

Ein Hamman von Brünighofen war zeitweilig in Mulhouse ansässig:

https://books.google.de/books?id=KFlMAAAAMAAJ&q="von+brunighofen"

Henemann de Brinighoffen heiratete 1488 Marie de Vaudrey nach

https://books.google.de/books?id=IYD4_xhf2MAC&pg=PA184

Die Herkunft des Herolds bleibt im Dunkeln. Aufgrund einiger in Betracht kommender Orte hat Seggern ganz darauf verzichtet, auf den Ortsnamen Brüninghausen einzugehen. Im Rheinland gibt es anscheinend keinen Ort, der in Betracht kommt, von den westfälischen Orten kommen am ehesten die nächstgelegenen Siedlungen bei Dortmund (Brüninghausen, Brünninghausen) und Brüninghausen bei Lüdenscheid in Betracht. Brüninghausen bei Lüdenscheid war ein wichtiger Ort der Grafschaft Mark und Sitz eines Freigerichts. Kleve-Jülich-Berg gab es um 1440 - damals dürfte Hermann geboren worden sein - noch nicht, aber Kleve-Mark. Über Kleve am Niederrhein könnte die Beziehung zu Jülich-Berg gelaufen sein, doch könnte man sich natürlich auch einen direkten Kontakt zum Herzogtum Berg vorstellen. Mehr als eine vage Hypothese ist die Herkunft aus Brüninghausen bei Lüdenscheid aber nicht, andere Möglichkeiten können keineswegs ausgeschlossen werden.

Außer dem Heroldsbuch soll Brüninghausen nach Seggern und Anrooij auch das Bruderschaftsbuch des Hubertusordens, laut Nesselrode eine "Bestandsaufnahme unter Herzog Wilhelm 1481/82" (S. 143), geschrieben haben, aber die Beschreibung von Marianne Reuter sagt davon nichts:

https://codicon.digitale-sammlungen.de/inventiconCod.icon.%20318.pdf

BSB Cod, icon. 318 ist im Netz:
https://codicon.digitale-sammlungen.de/Band_bsb00006309.html

Ich möchte seine Schrift eigentlich nicht mit der Schriftprobe Brüninghausens aus dem Heroldsbuch gleichsetzen, will mich aber nicht auf paläographisches Glatteis begeben.

Seit kurzem im Netz ist der 1481 von Brüninghausen nachweislich geschriebene Wiener Cod. 2899

https://manuscripta.at/?ID=4735 (mit weiteren Nachweisen)

Digitalisat über
https://data.onb.ac.at/rec/AL00167269

Wunderschöne Bilder! Aus dieser Handschrift stammt das Umschlagsbild von Barbara Hammes, Ritterlicher Fürst ... 2011.

"Herman von Bruninckusen", wie Menhardt liest, nennt sich als Autor dieser pfälzischen Genealogie, die nun bequem näher untersucht werden könnte.

Zwischen dem u und dem c befinden sich drei Striche mit einem waagerechten Strich darüber. Bruinnkusen, Brunnikusen, Brummkusen usw. wären also paläographisch ebenso möglich. Aber auf Bruninckusen kann man sich wohl einigen.

In ihrer Beschreibung des von Hartmann Schedel wohl um 1480 angelegten Clm 338 weist Birgit Studt, Fürstenhof und Geschichte, 1992, S. 86f. auf hochinteressante "pfälzische Heroldsdichtung" Bl. 194v-198v hin. Die Wiener Handschrift gibt eine Ahnenprobe Philipps von der Pfalz und seiner Frau Margarethe von Bayern (die Hochzeit war 1474), die Münchner Handschrift bietet eine gereimte Ahnenprobe für das gleiche Fürstenpaar, gefolgt Bl. 195r-198v von einem gereimten Gedicht auf die Lehensträger der Pfalz wohl von einem Herold (Textbeginn: "Ich heralt in myn wapencleid"), das von der landesgeschichtlichen Forschung anscheinend nicht weiter beachtet wurde, obwohl es hinsichtlich des "Repräsentationsaspekts" doch ein interessantes Seitenstück zum mit Wappen geschmückten pfälzischen Lehenbuch darstellt. Ob auch diese Gedichte von Bruninghusen stammen, schreibt Studt, bleibe zu prüfen. Sie sagt leider nicht, wie eine solche Prüfung erfolgen könne. Die Schreibsprache des Stücks spricht jedenfalls nicht für die Verfasseridentität.

Nachtrag August 2014:

Krakau Mgq 1479 ist online:

https://fbc.pionier.net.pl/id/oai:jbc.bj.uj.edu.pl:194948



Mögliche Darstellung Hermanns von Brüninghausen (Juliers Herold) in einer Handschrift des 17. Jahrhunderts, Brüssel, Königl. Bibliothek IV 164, vor Bl. 1r. Anrooij S. 128 Anm. 59 verweist auf C. van den Bergen-Pantens, De heraldiek ... Brüssel 1985, S. 57.

#forschung

Wichtig sind die Hinweise von Dieter Martin: Barock um 1800 (2000), S. 449f.
https://books.google.de/books?id=PlowdbAI6ioC&pg=PA449

***

Syndikus Koch erschuf Valentin Gierth

"Das im Jahr 1830 erschienene Werk Denkwürdigkeiten aus dem Leben der Herzogin Dorothea Sibylla von Liegnitz und Brieg: geborenen Markgräfin von Brandenburg und ihrer Leib- und Hebeamme Margaretha Fuss. Wörtlich aus des Rothgerbers Valentin Gierths Haus-und Tagebuche mit einem Vorworte des Syndicus Koch (Falch, 1830[2]) stellte wenige Jahre später der Historiker Heinrich Wuttke als Erfindung des Verfassers heraus."
https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_Sibylle_von_Brandenburg

Text von Koch:
https://books.google.de/books?id=RbBJAAAAIAAJ

Zum Autor Ernst Koch
https://books.google.de/books?id=g2YYAQAAIAAJ&pg=PA630
https://books.google.de/books?id=dp4FAAAAQAAJ&pg=PA674

Kritik von Heinrich Wuttke
https://books.google.de/books?id=28oDAAAAcAAJ

Hinweis auf weitere Kritik Kaysers
https://books.google.de/books?id=d2o_AAAAYAAJ&pg=PA337

Erinnerungen Hoffmanns von Fallersleben
https://books.google.de/books?id=JzM6AAAAcAAJ&pg=PA112

Grieger, Rudolf: Denkwürdigkeiten aus dem Leben der Herzogin Dorothea Sibylla von Liegnitz und Brieg gebornen Markgräfin von Brandenburg": Geschichte einer Fälschung (Jb Schles KiG 71, 1992, 69-104).

[Siehe auch Staatsarchiv Darmstadt
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2849079

Grünhagen 1869
https://www.sbc.org.pl/dlibra/docmetadata?id=7251 (Scan 142)
Siehe dazu auch die Stellungnahme von Müller
https://books.google.de/books?id=LkYKAAAAIAAJ&pg=PA199 ]

***

Meinholds Bernsteinhexe, angeblich nach einem alten Manuskript

diverse Beiträge in

https://www.listserv.dfn.de/cgi-bin/wa?S1=hexenforschung

***

Wackernagels Erfindung "Zwey bruchstükke" (Waltram-Skandal) behandelt Günter Hess, Minnesangs Ende, in: Befund und Deutung 1979 sowie Richter, Massmann:

https://books.google.de/books?id=-QaKZnakYbQC&pg=PA213

***

Wackernagels Rezension der Norica-Novellen Augusts von Hagen

https://books.google.de/books?id=FNoAAAAAcAAJ&pg=PA711

[ https://archiv.twoday.net/stories/714905947/ ]

***

Allgemeines

Elisabeth Frenzel: Gefälschte Literatur, in: Archiv für die Geschichte des Buchwesens 1963 (anscheinend sehr wenig rezipiert)

Klaus Weimar: Fälschung, RL LitG 1 (1997)
https://books.google.de/books?id=twEAYhU3eckC&pg=PA562

[Ausstellungskatalog: Gabriele Hooffacker: Literarische Fälschungen der Neuzeit (1986)]

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Geschichtsf%C3%A4lschung

https://de.wikipedia.org/wiki/Betrug_und_F%C3%A4lschung_in_der_Wissenschaft#Geschichtsquellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Fingierter_Lexikonartikel

Auch sonst ist die Wikipedia sehr materialreich, siehe zum Beispiel:

https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Wilkens

Siehe auch den Seminarplan:

https://amor.cms.hu-berlin.de/~h2187e6n/WS_2011_12_MA_Taeuschung_Seminarplan.pdf

Zum Band "Lügen und Betrügen" (2000):
https://www.koeblergerhard.de/ZRG119Internetrezensionen/LacourLuegen20010903.htm

[Nachtrag:

Band "Fake"
https://books.google.de/books?id=LaUnOztbkP4C Vollansicht ]

***

Beiträge in Archivalia:
https://archiv.twoday.net/stories/96987511/

 

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