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Kulturgut

https://www.ub.uni-leipzig.de/service/aktuell/protest.htm

Erklärung der Leiter der deutschen Handschriftenzentren
gegen den geplanten Verkauf von Handschriften
aus dem Bestand der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe

Gegen den geplanten Verkauf von Teilen der bedeutenden Karlsruher Handschriftensammlung haben bereits zahlreiche Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Bibliotheken und öffentlichem Leben massiven Einspruch erhoben und gewichtige Argumente vorgebracht. Auch wir, die Vertreter der deutschen Handschriftenzentren, sind fassungslos und protestieren entschieden gegen die Pläne der baden-württembergischen Landesregierung.

Als Leiter derjenigen Institutionen, an denen seit Jahrzehnten die wissenschaftliche Erschließung der deutschen Handschriftenbestände hauptsächlich erfolgt, haben wir täglich vor Augen, welche Bedeutung die handschriftliche Überlieferung für unser Wissen über die eigene Vergangenheit hat. Und wir erleben unmittelbar, welchen nicht zu heilenden Verlust es bedeutet, wenn Handschriften aus ihrem Sammlungskontext entfernt oder gar dem öffentlichen Zugang entzogen werden.

Was wir über die Kenntnisse der Menschen aus der Zeit bis zum frühen 16. Jahrhundert und die geistigen Auseinandersetzungen in diesen Jahrhunderten wissen - über den theologischen, juristischen, medizinischen, philosophischen, literarischen, naturwissenschaftlichen, technischen oder astronomischen Informationsstand -, das beziehen wir aus den Manuskripten, die die Zeiten überdauert haben und auf uns gekommen sind. Jede Handschrift ist ein Unikat, ein unersetzliches Stück in einem großen Puzzle, das ohnehin schon viele Lücken hat. Wer ein solches Stück der Öffentlichkeit entzieht, läßt einen weiteren blinden Fleck entstehen.

Jede Handschrift steht aber nicht isoliert für sich, sondern war stets Teil einer Sammlung und wird nur im Zusammenhang dieses Sammlungsverbundes erst richtig verständlich. Sie wurde von denselben Schreibern wie andere Bücher der Sammlung geschrieben oder wurde mit anderen Bänden zu einem bestimmten Zeitpunkt erworben. Sie diente als Vorlage oder Ausgangsbasis für neue Manuskripte, wurde exzerpiert und kommentiert. Sie erhielt mit anderen Stücken der Sammlung in einer bestimmten Phase einen neuen Einband, der von der örtlichen Ornamentkunst zeugt, und weist als Buchbindemakulatur dieselben Fragmente älterer Textzeugen auf, die sich auch in anderen Büchern der Sammlung finden. Kurz, sie steht mit den anderen Bänden der Sammlung in einem vielfältigen Kommunikationszusammenhang, der nur ersichtlich ist, solange der Sammlungszusammenhang erhalten bleibt. Die ehemaligen Kloster- und Adelsbibliotheken, die in der Badischen Landesbibliothek bewahrt werden, sind dort jeweils geschlossen aufgestellt - ein Glücksfall für die historische Erforschung. Was hier steht, gehört zusammen und darf nicht getrennt werden.

Besonders absurd ist die Vorstellung, innerhalb des Karlsruher Handschriftenbestandes ließe sich eine Trennung in badische und für Baden nicht relevante Stücke vornehmen. Wissen und geistige Austauschprozesse waren schon immer überregional. Jede Handschriftensammlung beherbergt Stücke aus unterschiedlichsten Gebieten. Ist es etwa nicht von Bedeutung für die badische Landes- und Kulturgeschichte, wann eine Handschrift nach Baden geholt und dort benutzt wurde. Hat sie über die Jahrhunderte keine Wirkung in Baden entfaltet? Sind die Kommentare und Randbemerkungen, die in späteren Jahrhunderten von örtlichen Lesern eingetragen wurden, nicht von Belang? Spielt es keine Rolle, wenn das Manuskript in einem Kloster des späteren Baden abgeschrieben wurde oder einen kunstfertigen Einband erhalten hat? Für die Geschichte ist ebenso wichtig, was vor Ort produziert wie was vor Ort rezipiert wurde. Wer hier das bloße Herkunftsprinzip anwenden will, offenbart eine beschämende und provinzielle Bildungsferne.

Noch heute leiden wir unter der Vernichtung und Zerstreuung historischer Buchbestände durch Säkularisierungen und Kriege in den vergangenen Jahrhunderten. Niemand von uns hätte sich vorstellen können, daß eine Landesregierung hier aktiv weiteren Schaden anrichten würde und auf die Idee käme, das, was für die Allgemeinheit in öffentliche Sammlungen hinübergerettet werden konnte, zugunsten adliger Privatbesitzer zu veräußern.

Kein Politiker hat das Recht, das Volk seiner geistigen Vergangenheit zu berauben. Der Verkauf von Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe muß verhindert werden.

gezeichnet:

Dr. Helmar Haertel, Abteilung Handschriften und Sondersammlungen, Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel

Dr. Christoph Mackert, Handschriftenzentrum Universitätsbibliothek Leipzig

Prof. Dr. Eef Overgaauw, Zentrum Handschriftenkatalogisierung Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Prof. Dr. Herrad Spilling, Handschriftenzentrum Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

Dr. Bernhard Tönnies, Handschriftenzentrum Universitätsbibliothek Frankfurt/Main

Dr. Bettina Wagner, Handschriftenerschließungszentrum Bayerische Staatsbibliothek München

Handschriften können sprechen
Von Rose-Maria Gropp

Auszug:

Was folgt aus der Stuttgarter Handschriftenaffäre? Das Werkzeug, das die Liste des national wertvollen Kulturguts darstellt, muß endlich vernünftig eingesetzt werden. Viel zu gering ist die Transparenz dieses Verzeichnisses, das die dort aufgeführten Objekte vor dem Export ins Ausland schützt. Damit sind sie den Begehrlichkeiten des internationalen Kunstmarkts entzogen, was Spekulationen die Spitze abbricht. Die Hoffnung, die vom Land und Haus Baden erwünschten 70 Millionen Euro mit den Karlsruher Handschriften zu erzielen, ließ sich nur so erklären.


Doch die Lehre aus der Affäre ist zweischneidig: Besteht wirklich Einigkeit darüber, daß die Objekte und Güter, die in den Museen und in den Bibliotheken in Deutschland aufbewahrt werden, grundsätzlich nicht dazu da sind, Finanzlöcher zu stopfen? Wenn Oettinger sich ausdrücklich Verkäufe aus den Sammlungen vorbehält, stellt er sich nicht nur gegen Kulturstaatsminister Neumann. Nichts Gutes verheißt die Feststellung der Regierung, sie halte es "keineswegs für einen Akt von Kulturbarbarei, im Sinne einer Profilbildung von Kunst- und Kultureinrichtungen die Sammlungen zu überprüfen und weiterzuentwickeln". Die amerikanischen Gelehrten, die in einem Brief an die Herausgeber dieser Zeitung geäußert hatten, Oettingers Pläne liefen auf einen Vandalismus hinaus, den man nur aus Kriegszeiten kenne, dürfen diesen Satz als Retourkutsche lesen. Bis gestern sah die für Karlsruhe geplante Profilbildung so aus, daß man eine weltweit angesehene Büchersammlung zerstören wollte. Jetzt gibt die Regierung ihren Kritikern recht - nicht ohne ihnen nachzurufen, daß man in Stuttgart keine Belehrung darüber brauche, was sich für ein Kulturvolk gehört.

Text: F.A.Z., 11.10.2006, Nr. 236 / Seite 1

https://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1603228/mpdid=1604652/tvh7rl/index.html

Mehrere Rechtsgutachten konnten bisher keine Klärung bringen, wem die Schriften überhaupt gehören. Die Unterzeichner des öffentlichen Briefes sind jedoch der Auffassung, die rechtliche Frage, wem die Handschriften gehören, sei gar nicht so unklar, wie die Landesregierung behauptet. Die Eigentumsverhältnisse würden in einem Gesetz, das bereits im Jahr 1919 existierte, geregelt, meint etwa der Historiker Klaus Graf. Dort würden unter anderem einige Kunstwerke erwähnt, die sich in der Kunsthalle befänden. Über diese sollte eine gesonderte Erklärung die Regelung treffen. "Im Umkehrschluss kann man daraus schließen, dass alle von staatlichen Institutionen wie der Hof- und Landesbibliothek verwahrten Sammlungen nun tatsächlich dem Land gehört haben", erklärt der Freiburger Wissenschaftler.

Keine Privatbibliothek des Großherzogs
Zudem sei die ehemalige Hof- und Landesbibliothek, die später in die Badische Landesbibliothek überging, niemals eine Privatbibliothek des Großherzogs gewesen, behauptet der Heidelberger Rechtswissenschaftler Reinhard Mußgnug. Dem Großherzog von Baden hätten die Kulturgüter lediglich in seiner Eigenschaft als Herrscher gehört. Es handele sich damit um so genanntes Patrimonialeigentum und nicht um Privateigentum. Nach dem Fall der Monarchie 1918 sei dieses in das Eigentum des Landes Baden übergegangen.

Sanierung durch Verkauf von Privatbesitz
Im Oktober 1995 hatte sich der hoch verschuldete Max von Baden schon einmal mit einem Ausverkauf von Kulturgütern aus einer klammen finanziellen Situation gerettet: Eine 17-tägige Versteigerung von Kunstschätzen und Gebrauchsgegenständen im Neuen Schloss in Baden-Baden brachte den damaligen Rekorderlös von 77,6 Millionen Mark.


Zur Argumentation mit dem Gesetz von 1919 siehe:
https://archiv.twoday.net/stories/2708484/

https://www.juraforum.de/jura/news/news/p/1/id/111158/f/196/

Prof. Dr. Helmut G. Walther von der Universität Jena ist vom Thüringer Kultusminister für eine dritte Amtszeit in den Sachverständigenausschuss National wertvolle Archive des Freistaats berufen worden. Damit gehört der Jenaer Mittelalter-Historiker in den nächsten fünf Jahren erneut zu den fünf Experten, die das Land dabei beraten werden, welche wertvollen Archivalien als Landeskulturgut betrachtet werden sollten.

"Der Schutz national wertvollen Archivguts gehört natürlich zu den grundlegenden Aufgaben eines Mediävisten", begründet Prof. Walther die Annahme des Ehrenamtes. "Gerade der aktuelle Fall der geplanten Veräußerung von als Zeugnissen kulturellen Gedächtnisses einzigartiger mittelalterlicher Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe im Zuge eines Finanzausgleichs des Landes Baden-Württemberg mit dem großherzoglichen Haus Baden macht deutlich, welche Bedeutung einem wachsamen Auge für solche Schätze zukommt", ergänzt Walther. "Denn Kulturgüter entziehen sich per Definition einer Kommerzialisierung".

Quelle: idw

https://www.bundesregierung.de/nn_23334/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2006/10/2006-10-09-bkm-verkauf-von-kulturguetern.html

Mo, 09.10.2006

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, hat heute in Bonn die Fachkonferenz „Im Labyrinth des Rechts? Wege zum Kulturgüterschutz“ eröffnet.

In seiner Begrüßungsrede ging der Kulturstaatsminister unter anderem auf den Verkauf von Kulturgütern aus Museumsbeständen ein: „Es beunruhigt mich sehr, wenn öffentliche Sammlungen aus kurzsichtigen finanziellen Erwägungen dazu angehalten werden, Stücke aus dem ihnen anvertrauten Kulturerbe zu verkaufen. Einmal verkauftes Kulturgut ist in der Regel für die Öffentlichkeit unwiederbringlich verloren. Ich bin deswegen strikt gegen den Verkauf von Kulturgütern aus Museen, wie er jetzt in Krefeld geplant ist.

Besonderen Anlass zur Sorge geben für mich außerdem die geplanten Verkäufe von Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Ein solcher Verkauf wäre ein fahrlässiger Umgang mit unserem kulturellen Erbe, und aus kulturpolitischer Sicht nicht vertretbar.

Da die kulturelle Bedeutung der Sammlung weit über Baden-Württemberg hinausgeht und von nationalem Gewicht ist, habe ich in der vergangenen Woche mit Minister Frankenberg und Ministerpräsident Oettinger einen intensiven Gesprächsaustausch gehabt und deutlich gemacht, was für die Kultur auf dem Spiel steht. Erfreulicherweise bestand Einmütigkeit darin, dass dieses nationale Gut nicht ins Ausland abwandern darf und kulturverträgliche Lösungen gefunden werden müssen.“

https://www.stm.baden-wuerttemberg.de/de/Meldungen/155257.html?referer=103611&template=min_meldung_html&_min=_stm

Ministerrat verständigt sich auf wesentliche Eckpunkte zur Sicherung der badischen Kulturgüter
Ministerpräsident Günther H. Oettinger und Finanzminister Gerhard Stratthaus: Sicherung der badischen Kulturgüter auf gutem Weg

Staatssekretär Dr. Dietrich Birk: Drei-Säulen-Modell zur Finanzierung weiterentwickelt

10.10.2006 Auf wesentliche Eckpunkte zur Sicherung der Kulturgüter in Baden hat sich der Ministerrat am Montag (9. Oktober) verständigt. Dies erklärte Ministerpräsident Günther H. Oettinger am Dienstag (10. Oktober 2006) in Stuttgart.

Ministerpräsident Oettinger stellte fest, dass es das wichtigste Ziel der Landesregierung sei, Schloss Salem und das Kulturgut der badischen Geschichte auf Dauer und im größtmöglichen Umfang für die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg, insbesondere auch im badischen Landesteil, zu sichern. „Dauerhafte Rechtsklarheit, langfristiger Schutz des badischen Kulturerbes und verlässliche Finanzierbarkeit sind unsere Leitlinien, an denen wir unser Handeln orientieren.“ Die Landesregierung wolle ein seit Jahrzehnten schwelendes Problem lösen und den anhaltenden Streit um Eigentum und Verantwortung für das badische kulturelle Erbe beenden. Kulturgüter im Wert von fast 300 Mio. € seien auf Dauer zu sichern, ohne andere Aufgaben wie die Sanierung des Landeshaushaltes, insbesondere die Nullverschuldung, außer Acht zu lassen.

Rechtslage unsicher

Ministerpräsident Oettinger legte die Handlungsoptionen des Landes dar. Wie von der SPD vorgeschlagen nichts zu tun und Verhandlungen mit dem Haus Baden zu verweigern, sei dabei der verantwortungsloseste Weg. Der Erhalt von Schloss Salem, an dessen kulturhistorischem Erbe das Land höchstes Interesse habe, verursache zunehmende finanzielle Schwierigkeiten beim Haus Baden. Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation des Hauses Baden bestehe die konkrete Gefahr, dass das Haus Baden ihm unzweifelhaft gehörende oder sogar in der Eigentumsfrage zwischen Land und Haus Baden streitige Vermögensgegenstände aus dem badischen Kulturgut „unter den Hammer bringen“ werde. Im Falle einer Zwangsvollstreckung sei sogar eine Beschlagnahme und Zwangsversteigerung wertvollster Kulturobjekte (z.B. Gemälde in der Staatlichen Kunsthalle, aber auch Handschriften) zu befürchten. Das Land könne sich in diesem Fall nur im Wege eines Rechtsstreites gegen einen unkontrollierten Ausverkauf badischen Kulturgutes, an dem es möglicherweise auch eigene Rechtsansprüche haben, wehren. Damit könne aber bei einer zu erwartenden vieljährigen Prozessdauer auf längere Sicht keine Klärung des Rechtsstatus der Kulturgüter herbeigeführt werden, noch gebe es eine schnelle und tragfähige Lösung für den Erhalt von Schloss Salem. Es liege daher im Interesse einer optimalen, schnellen und nachhaltigen Sicherung von Schloss Salem und des badischen Kulturgutes, mit dem Haus Baden zu einer außergerichtlichen Verständigung zu kommen.

Vergleich sichert wertvolles Kulturgut

Die beabsichtigte Vereinbarung im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs sei auch äußerst vorteilhaft für das Land. Das Haus Baden gebe damit abschließend Eigentumsansprüche am badischen Kulturgut auf, und zwar nicht nur im streitbefangenen Bereich, sondern besonders auch dort, wo dies bislang unstreitig in seinem Eigentum stehe. Kulturgüter in einem Wert von 68 bis 78 Mio. € - wenn nicht noch wesentlich mehr - gingen künftig in sicheres Eigentum des Landes über, obwohl die Rechtsposition des Landes insoweit klar negativ oder äußert schlecht ist. So gebe es z.B. hinsichtlich der Bilder in der Badischen Kunsthalle und der Kunst in Schloss Salem, keine ernsthaften Zweifel, dass diese Privateigentum des Hauses Baden seien. Das Eigentum an der Türkensammlung im Badischen Landesmuseum und an denjenigen Handschriften in der Badischen Landesbibliothek, die zum Teil schon Jahrhunderte vor der Gründung des Großherzogs Baden im Eigentum der markgräflichen Familie waren, sei höchst umstritten (z. B. das berühmte Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden, um 1490).

Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte gefordert - Keine Erhöhung der Kreditaufnahme

Dessen ungeachtet stelle die Durchführung der Verständigung mit dem Haus Baden das Land vor große Herausforderungen. Nach Darstellung von Ministerpräsident Oettinger könne es keinesfalls in Betracht kommen, für diese Verständigung die Kreditaufnahme zu erhöhen oder andere Ressortbereiche (z.B. Schulen, Soziales, Forschung) mit weiteren Einsparungen zu belasten. Darüber sei man sich in der gestrigen Kabinettssitzung gleichfalls ohne Einschränkung einig gewesen. „Für die Lösung kommen also nur kreative Konzepte in Betracht, bei denen alle gesellschaftlichen Kräfte in diesem Lande zusammenwirken“, unterstrichen Ministerpräsident Oettinger und Finanzminister Stratthaus. Vor diesem Hintergrund sei das vom Kabinett gestern ebenfalls gebilligte 3-Säulen-Modell zu sehen:

- Aus dem Bereich staatlicher Mittel könne grundsätzlich ein Beitrag zum Erwerb von Kulturgütern geleistet werden. Hierfür könnte man Ankaufs- und Denkmalmittel befristet für einige Jahre für die Sicherung badischen Kulturgutes bereitstellen. Daneben werde man versuchen, Mittel der Landesstiftung Baden-Württemberg für den Erwerb einzelner Kunstwerke zu gewinnen.

- Darüber hinaus erwarte die Landesregierung einen Beitrag aus dem Bereich von Privatpersonen und der Wirtschaft. „Kulturgüterschutz kann nicht nur eine Aufgabe des Landes sein, sondern ist eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Gruppen.“

- Schließlich könne auch an einen Solidarbeitrag des Kunst- und Bibliothekbereichs selbst gedacht werden. „Ich bin mir sicher, dass wir angesichts der Herausforderungen die Kunst- und Kultureinrichtungen für eine Unterstützung gewinnen können.“ Auch das Thema Verkäufe könne nicht a priori ausgeschlossen werden. Selbstverständlich sei die Landesregierung daran interessiert, dass die wesentlichen Kulturgüter im Land erhalten bleiben. „Wir wollen nicht, dass wichtige Sammlungen und Bestände zerrissen und deren Arbeitsfähigkeit dadurch beeinträchtigt wird. Die Landesregierung hält es für vertretbar und keineswegs für einen Akt von Kulturbarbarei, im Sinne einer Profilbildung von Kunst- und Kultureinrichtungen und nicht zur Sanierung der Staatsfinanzen die Sammlungen zu überprüfen und weiterzuentwickeln“, sagten Oettinger, Stratthaus und Birk.

Bereits in den nächsten Wochen würden die Möglichkeiten der Landesstiftung, aber auch Umwidmungsmöglichkeiten aus dem Landeshaushalt geprüft. Zu gleicher Zeit werde zu einer großen Spendenaktion aufgerufen werden. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sei gebeten worden, gemeinsam mit den Kultureinrichtungen die Erwirtschaftung eines Solidarbeitrags zu prüfen. „Ziel ist, damit zunächst einmal einen Betrag von 30 Mio. € zu erreichen, der unmittelbar zur Abgeltung der Leistungen des Hauses Baden für Salem und damit zu dessen Existenzsicherung erforderlich ist“, betonte der Ministerpräsident. In einem zweiten Schritt werde man eine konkrete Lösung ins Auge fassen, wie die künftigen jährlichen Aufwendungen für das Ensemble Salem - z.B. über eine Stiftung - sichergestellt werden können.
Quelle: Staatsministerium

Tagesordnung (PDF):

https://www.landtag-bw.de/aktuelles/tagesordnungen/Top/009_-Sitzung-am-11_10_2006.pdf

Antrag der SPD:

https://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/Txt/14_0341.html

Antrag der Grünen:

https://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/Txt/14_0343.html

Zum Verlauf:

https://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=1603228/mpdid=1607078/1coec0h/index.html

Darin auch die Standardausrede der letzten Jahre, wenn man unfähig ist, gute Politik zu machen: „Manches ist unglücklich in der Kommunikation gelaufen.“

Pressemitteilung des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) vom 10. Oktober 2006:


Großer Erfolg der Unterschriftenaktion des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) auf der Frankfurter Buchmesse gegen
den Baden-Württembergischen Kulturausverkauf


Berlin/Karlsruhe: Über 350 Besucher der Frankfurter Buchmesse haben sich bei der Unterschriftenaktion des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) gegen den Kulturausverkauf in Baden-Württemberg in die ausgelegten Listen eingetragen. Darunter sind zahlreiche Prominente und Organisationen wie Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste und Johano Strasser, Präsident des P.E.N.-Zentrums Deutschland und Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats.

Der VS-Vorsitzende Imre Török begrüßte das Einlenken der Landesregierung Baden-Württemberg im Streit um den Verkauf der wertvollen Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe.

»Die weltweiten Proteste aus allen Kreisen der Gesellschaft und der ‚Aufschrei‘ in der Bevölkerung zeigt, dass die Politik mit unserem kulturellen Erbe sorgsam umgehen muss.«

Allerdings, so Török, hat Ministerpräsident Günther Oettinger den Tabu-Bruch noch nicht rückgängig gemacht: »Solange Kunstschätze und Kulturgüter aus unseren Museen, Archiven und Bibliotheken zur Disposition stehen, muss der Protest weitergehen. Es geht um nichts Geringeres als das Ansehen Deutschlands als Kulturnation.«

Der VS, ver.di und andere Kulturorganisationen werden einen Gesprächs-Termin mit Ministerpräsident Günther Oettinger vereinbaren, um ihm sowohl die Listen mit den Unterschriften zu überreichen als auch die Positionen der Kultur- und Kunstschaffenden deutlich zu machen.

Die beabsichtigte Vereinbarung im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs sei auch äußerst vorteilhaft für das Land.

Unfassbar, diese Regierung ist nicht nur ignorant, sondern völlig lernresistent, siehe Link.

Wie oft muss Prof. Mußgnug eigentlich noch in FAZ, SWR & Co. die Rechtslage darlegen, damit diese Untertanengeister merken, dass das Land eine durchaus komfortable Rechtsposition innehat?

In der Stuttgarter Zeitung vom 7.10. kommentiert Tim Schleider das 3-Saeulen-Modell:

Nicht, dass damit alle Probleme gelöst wären. Da wird es zweifellos noch ein Hauen und Stechen geben, wenn es um die jeweiligen Anteile besagter Säulen geht. Aber zumindest handelt es sich um eine diskutable Vorlage. Umso fassungsloser fragt man sich, wie es eigentlich zu der kulturpolitischen Geisterbahnfahrt der vergangenen zwei Wochen in Baden-Württemberg kommen konnte. Wie es überhaupt möglich war, dass ein Ministerpräsident und mindestens zwei seiner Fachminister (darunter der Kunstminister) glaubten, es sei die geradezu wundersame Lösung drückender Probleme, wenn man einen historisch gewachsenen Bibliotheksbestand, der just in seiner Geschlossenheit ein kostbarer Teil des historischen Erbes und Gedächtnisses unserer Region im Herzen Europas ist, mutwillig zerpflückt und zur Versteigerung freigibt? War da denn wirklich niemand, der in den entsprechenden Sitzungen und Beratungen versucht hätte, dieses Debakel zu verhindern?

Es ist keineswegs nur die Idee an sich, die viele so bestürzt hat. Es war vor allem die Art und Weise, wie sie verkauft werden sollte. Während Oettinger sich vor einem Jahr beim Kulturkongress in Karlsruhe noch als ernsthaft interessierter Gesprächspartner der Künstler und Wissenschaftler gerierte, ließ er in den vergangenen Tagen in Sachen Kultur wieder ganz den knallhart-kühlen Rechner und Betriebswirt heraus hängen. Was zu den wahren Schätzen eines Landes gehört, so seine Botschaft, das verhandeln die kundigen Leser der Wirtschaftsseiten unter sich; das Gejammer der Kulturseitenfritzen störe dabei gar nicht weiter.

Nun, als Kulturseitenfritze muss man vorerst feststellen, erstens: niemand in der politischen Spitzenriege dieses Landes war sich offenbar der kulturhistorischen Bedeutung besagter Handschriftenbestände bewusst. Das ist grob fahrlässig. Zweitens: niemand in besagter Spitzenriege konnte offenbar realistisch einschätzen, welch völlig zu Recht verheerendes Echo ihr Verkaufsprojekt in der Fachwelt, aber auch in breiten Schichten der Bevölkerung haben würde. Das ist dumm. Schließlich: der Streit in Baden-Württemberg markiert eine erschreckende Distanz der politischen Führung zur Kultur, ein bestürzendes Desinteresse an ihr. Das ist wichtig zu wissen.


In einem weiteren Artikel liest man:

Der Rechtsgelehrte Mußgnug hält die Befürchtung der Landesregierung für übertrieben, das Adelshaus könne über eine Herausgabeklage das gesamte Kulturgut gerichtlich zugesprochen bekommen. Ganz im Gegenteil befinde sich das Land juristisch in einer komfortablen Position. Die Beweislast liege beim Kläger. Selbst wenn es zutreffe, dass die Verhältnisse des Eigentums an den Handschriften, Inkunabeln, Waffen und Gemälden strittig seien, müsse die Markgrafenfamilie ihren Besitzanspruch beweisen. "Das Land sitzt prozessual auf dem höheren Ross."

Nach Ansicht des Professors hat sich die Regierung von den Rechtsberatern des Adelshauses in Bockshorn jagen lassen. Maßgeblich für die Bewertung der Besitzansprüche sei nicht das Bürgerliche Gesetzbuch, sondern das Verfassungsrecht. "Es spielt das Staatsrecht des 19. Jahrhunderts mit, aber das muss man halt kennen", erklärte er. Demnach gehörten die Kulturgüter zum Patrimonialeigentum der Großherzöge von Baden. Dieses Patrimonialeigentum sei nicht mit Privateigentum gleichzusetzen, sondern an die Landeshoheit gebunden. Es diene dazu, die Landesherrschaft auszuüben. Mit dem Regentschaftsverzicht gelangte der Patrimonialbesitz an die Republik.

Allerdings anerkennt auch Mußgnug, dass bei einigen Kunst- und Kulturschätzen die Rechtslage "nicht ganz klar" sei. Dies gelte für die so genannte Türkenbeute, die im Karlsruher Schloss zu sehen ist, außerdem für Meister der Malerei wie Hans Baldung Grien. Doch diese Kostbarkeiten könnten als nationales Kulturgut zumindest vor dem Verkauf ins Ausland bewahrt werden. Andererseits seien aber nur im Ausland die erhofften Preise zu erzielen. Mußgnug widersprach auch der Auffassung, es sei allein Sache des Stuttgarter Kabinetts, die Aufnahme der Kunstwerke in die Schutzliste zu beantragen. "Wenn es sich um nationales Kulturgut handelt, dann liegt das nicht im Ermessen der Landesregierung."

Die SPD-Chefin Ute Vogt verlangt nun, weitere Verhandlungen mit dem Haus Baden zu stoppen. Genau dies lehnte Regierungschef Oettinger in dem Krisengespräch am Mittwochabend im Staatsministerium aber ab. Der SPD-Finanzexperte Nils Schmid hält insbesondere Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) vor, er habe öffentlich die "Rechtsposition des Landes schlechtgeredet". Der Minister kontert in einer Pressemitteilung mit dem Vorwurf, die SPD drücke sich um die Frage, was für den Erhalt von Schloss Salem getan werden könne. Salem sei "unbestritten eines der höchstrangigen Kulturgüter im badischen Landesteil". Für die Landesregierung komme weder in Frage, das Schloss verfallen zu lassen, noch den Landeshaushalt zu belasten.

Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) warnte erneut vor einem Prozess, der bei hohem Zeitaufwand und unverhältnismäßigen Kosten nicht zu einer befriedigenden Lösung führe.


Im Deutschlandradio schloss Minister Frankenberg Kunstverkaeufe nicht aus:

https://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/550684/

Im Streit um den Verkauf wertvoller Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe geht der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg davon aus, dass auch landeseigene Kunst veräußert werden muss.

Der CDU-Politiker sagte: "Es kann nicht den absoluten und unabdingbaren Grundsatz geben, dass überhaupt nichts an Kunst, das jemals beschafft worden ist, abgegeben werden dürfte." Als Beispiel nannte er angekaufte Kunstwerke, die "nicht mehr in eine Sammlung" passten "oder vielleicht auch noch nie richtig hineingepasst" hätten.

Außerdem verwies der Minister auf die besondere Situation, in der sich das Land befinde. Ein Verkauf von Kunstgegenständen diene nicht dazu, den Landeshaushalt zu sanieren, sondern es gehe darum, einen Vergleich mit dem markgräflichen Haus Baden zu erzielen und dadurch Rechtssicherheit zu gewinnen. Frankenberg betonte, eventuelle Veräußerungen sollten sich nicht allein auf die baden-württembergische Landesbibliothek konzentrieren, "so dass auch nicht die Gefahr besteht, dass die wertvollen Handschriften der Landesbibliothek verkauft werden oder dass Bestände zerschlagen werden, so dass die wissenschaftliche Nutzung nicht mehr gewährleistet ist".

 

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