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Kulturgut

Beschluss des 101. Landesparteitags der FDP am 5. Januar 2007 in Stuttgart (Antrag des Landesfachausschusses Kultur, eingebracht am 27.11.2006 von Jörg Brehmer, Winnenden)

Beschluss
Handschriftenstreit und die Finanzierung des Schloss Salem


Ausgehend vom Handschriftenstreit und der Finanzierung des Schloss Salems werden folgende Standpunkte der FDP/DVP erklärt:
  1. Die kulturpolitische Zielsetzung der FDP/DVP in Baden-Württemberg ist es, die Kulturgüter in unserem Land zu erhalten und das Kulturleben zu fördern. Für Forschung und Öffentlichkeit ist der freie Zugang zu diesen Gütern erforderlich.
  2. Das Land Baden-Württemberg hat bei der Sicherung der Kulturschätze eine zentrale Verantwortung.
  3. Nach Ansicht der FDP/DVP darf es dabei kein Ausspielen der Kulturträger geben. Diejenigen die Kultur produzieren dürfen nicht gegen die Kulturstätten und -betriebe ausgespielt werden, die sie bewahren.
  4. Für die Freien Demokraten ist es zweitrangig, ob die Finanzierung durch öffentliche oder private Mittel erfolgt. Die FDP/DVP setzt bei dem Erhalt der Kulturgüter auch auf das gesellschaftliche Engagement von Bürgern und den Einsatz von privaten Stiftungen.
  5. Die FDP bedauert, dass der Eindruck entstanden ist, das Land Baden-Württemberg gehe nicht angemessen mit seinen Kunstschätzen um. Die Freien Demokraten wirken diesem Eindruck entschieden entgegen.
  6. Die FDP fordert daher ein umfassendes Konzept, damit sich solche Fälle nicht wiederholen. Dazu gehören unter Anderem die Bestandserfassung der Kulturschätze und Strategien für zukünftiges Handeln.
  7. Die Aussage des Grundgesetzes "Eigentum verpflichtet" hat sich gerade auf dem Gebiet der Kultur vielfach bewährt. Wir Liberale wollen, dass diese Eigenverpflichtung für alle Akteure, Staat, Stiftungen oder private Eigentümer auch in Zukunft ihren hohen Wert behält.
Durch eine Änderung des Stiftungsrechts soll der Anreiz zum Stiften gesellschaftlich breiter verankert werden.

Stuttgart, den 5. Januar 2007

Die Jusos sehen keinen Grund mehr, die SPD zu wählen.

Aus einer Pressemitteilung der Jusos vom 16.1.2007

Seit bald einem Jahr führt Ute Vogt die SPD-Landtagsfraktion im Land. Die Jusos schauten bisher kritisch in den Stuttgarter Landtag und gaben der Pforzheimerin Bewährungsfrist. „Es gibt nicht viele Themen, mit denen man sich im Landtag profilieren kann, aber genau bei diesen versemmelt es die SPD immer wieder.“ so Daniel Campolieti, Sprecher der Jusos. Vorne dran: Ute Vogt. Erst die blamable Vorstellung zum Handschriftenstreit, nun der nächste große Unfug, indem sie mal wieder vorne dran die Kürzung der Einstiegsgehälter fordert. „Wenn Ute Vogt so weitermacht, dann verliert die SPD noch das letzte Profil, wofür sie im Land steht: Bildung“, so Campolieti weiter. „Und dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn bei der nächsten Landtagswahl ein Ergebnis unter 20% rauskommt. Es gibt ja keinen Grund mehr, uns als Partei zu wählen“.

Gemeint ist vermutlich der vorerst gescheiterte Versuch der SPD, einen Untersuchungsausschuss einsetzen zu lassen. (Dass die SPD deshalb den Gang zum Staatsgerichtshof antreten will, teilte die Landtagsfraktion am gleichen Tag mit, vgl. https://archiv.twoday.net/stories/3199012 ) Unklar bleibt allerdings die Position der Jusos in dieser Frage. Es steht zu vermuten, dass die Jusos meinen, es gebe wichtigere Themen und es reiche, mit der symbolischen Versteigerung der Landesregierung ein paar Schlagzeilen gemacht zu haben. Von den Jusos hat man seit der ebay-Aktion ("Landesregierung muss unter den Hammer") nämlich auch nichts Substantielles mehr gehört. Die GRÜNEN haben jedenfalls allemal mehr zur Aufklärung beigetragen.

Dass die Nerven blank liegen, liegt offenbar an der letzten, für die SPD desaströs ausgefallenen Forsa-Meinungsumfrage. Danach liegt die Südwest-CDU mit 44% Zustimmung dicht am Ergebnis der Landtagswahl vom März 2006, während die SPD auf 20% abgesackt ist. Die Bönnigheimer Zeitung konstatiert nüchtern, der Streit um den Handschriftenverkauf und dadurch auch bundesweit hervorgerufene Zweifel an der Arbeit des Ministerpräsidenten Günther Oettinger hätten keine Spuren hinterlassen. (Boennigheimer Zeitung 18.1.2007, Vogt liegt weit hinter Oettinger. Parteien / Umfrage gibt SPD nur noch 20 Prozent. Handschriftenstreit schadet CDU nicht / von Andreas Böhme)

Auf den gütlich beigelegten Kulturgüterstreit zwischen den Kantonen Zürich und St. Gallen hatten wir schon en passant in unserem Beitrag "Der Jurist bei den Musen", https://archiv.twoday.net/stories/2987689/ hingewiesen.

Jetzt wurde der seit immerhin 1712 schwelende Kulturgüterstreit offiziell mit einem gemeinsamen Festakt beendet, nachdem sich die Vertreter der streitenden Parteien schon im April letzten Jahres auf neutralem Berner Boden bei einer "Kappeler Milchsuppe" versöhnt hatten. Die Feierstunde im St. Galler Kantonsratssaal führte am Montag, den 15.1. die Streithähne des letzten Jahrzehnts in friedlicher Eintracht zusammen, wie die NZZ vom 16.01.2007 unter dem Titel Zürcher Beitrag zur St. Galler Identität berichtete.

Die NZZ schreibt, 1995 habe das letzte Kapitel des Streits mit der Erneuerung des Anspruchs auf Rückgabe gegenüber Zürich durch den Kanton und katholischen Konfessionsteil St. Gallens begonnen. "Das anschliessende, bisweilen äusserst gehässig geführte und von mehreren Gutachten begleitete Ringen blieb ohne Einigung. St. Gallen wandte sich an den Bund, verbunden mit der Ankündigung, im Falle eines Scheiterns der Vermittlung vor das Bundesgericht zu gehen. Weil sich die beiden Parteien nicht zu einer Einigung durchringen konnten, war erstmals der Bundesrat um Vermittlung angerufen worden." Der Zürcher Regierungsrat Markus Notter, der zähneknirschend zugestimmt hatte, daß die Zentralbibliothek Zürich nun 40 wertvolle Handschriften auf unbestimmte Zeit der Stiftsbibliothek St. Gallen überlässt, sagte, die St. Galler würden damit aus «nicht-besitzenden Eigentümern besitzende Nicht-Eigentümer» (zitiert nach nachrichten.ch). 56 Handschriften blieben aber in Zürich, was bei einigen auf Unverständnis gestoßen war. Als «sehr schöne Geste» wurde aber allgemein gewertet, dass Zürich, gewissermaßen als Zugabe, den St. Gallern die nicht zurückgeforderte Vita vetustissima Sancti Galli geschenkt hat, das älteste Zeugnis für das Leben von Gallus, des Gründers von St. Gallen. Die NZZ meinte, messe man den Kompromiss, der nach immerhin 18 Verhandlungsrunden besiegelt wurde, am Grad der Unzufriedenheit, scheine er ausgewogen zu sein.

Vielleicht gibt das Anlaß zur Hoffnung, dass man sich auch im badischen Kulturgüterstreit gütlich einigen kann, auch wenn keine direkten Parallelen gezogen werden können. Hoffen wir, dass es nicht ganz solange mehr dauert. Insofern wäre die Einschaltung eines Schiedsgerichts vielleicht nicht die schlechteste Lösung. Verkäufe standen in der Schweiz glücklicherweise nie zur Debatte, und auch das Haus Baden versteht sich inzwischen dazu, von einem anzustrebenden Vergleich zu reden (vgl. die jüngste Pressemitteilung der Landesvereinigung Baden anläßlich ihres Besuchs in Salem).

Landesvereinigung Baden in Europa e.V. - Presseinformation 18.01.2007 (pdf)

Vorstand der Landesvereinigung in Salem:
Prinz Bernhard wirbt um Versachlichung -- „Erhaltung des Klosters eindeutig Aufgabe des Landes“ / erneut unmissverständlich gegen Kulturgüter-Verkauf ausgesprochen

Der Vorsitzende der Landesvereinigung Baden in Europa e.V., Prof. Robert Mürb, und seine Stellvertreterin, die Karlsruher Regierungspräsidentin a.D. Gerlinde Hämmerle, waren dieser Tage auf Einladung des badischen Fürstenhauses in Kloster Salem. Vermittelt hatte den Besuch Prof. Günther Häßler, Ex-Vorstandsmitglied der EnBW, mit der Fürstenfamilie gut bekannt und als bekennender Badener seit Langem Mitglied der Landesvereinigung.

Das Kloster Salem, das der Markgräflichen Familie ist, stelle ein außerordentliches Weltkulturerbe dar, wie Mürb und Hämmerle betonten, auch wenn es (noch) nicht in der entsprechenden UNESCO-Liste geführt werde. Daher müsse es in jedem Fall erhalten werden. Dieses, so die Vorstandsmitglieder der Landesvereinigung weiter, sei eindeutig eine Aufgabe des Landes Baden-Württemberg. Die Führung der Landesvereinigung machte unmissverständlich deutlich, dass keine Kulturgüter verkauft werden dürften und das Land andere Wege suchen müsse. Prinz Bernhard, der die Delegation der Landesvereinigung empfing, führte die Gäste durch die Klosteranlage und erläuterte, dass es weiterhin das Bestreben seiner Familie sei, die Anlage unbedingt zu erhalten. Das Land gebe zwar immer wieder Denkmalmittel für bestimmte Maßnahmen. Es sei aber mit großem Aufwand verbunden, das historische Ensemble mit seiner Infrastruktur insgesamt zu unterhalten, weil dafür keine staatlichen Mittel zur Verfügung stünden. Die Familie Baden, so der Prinz, wolle das Kulturdenkmal mit Hilfe einer gemeinnützigen Stiftung fortführen und möchte dieses Ziel gemeinsam mit dem Land erreichen. Dies könne im Rahmen eines Vergleichs geschehen, bei dem das Haus Baden dem Land gewisse Kulturgüter überlasse, bei denen – historisch bedingt – die Eigentumsverhältnisse nach Auffassung der Fürstenfamilie unklar seien. Im Gegenzug erhält das Haus Baden Mittel, die es für die Finanzierung der „Stiftung Schloss Salem“ einsetzen möchte. Prinz Bernhard vermied den Begriff „Verkauf“, sondern wählte offenbar bewusst den Ausdruck „Vergleich“.

Der Juniorchef des Fürstenhauses sagte zu, auch in Zukunft eigene Gelder in den Erhalt der Klosteranlage zu stecken. Und er bot an, bei einer Veranstaltung der Landesvereinigung den Standpunkt der fürstliche Familie in der Frage der Kulturgüter und zum Kloster Salem öffentlich zu erläutern. Außerdem lud er die Landesvereinigung zu einem Besuch und persönlichen Führung durch die Klosteranlage ein.

Teilnehmer des Gesprächs berichten davon, dass es von Anfang bis zum Schluss von beiden Seiten in offener und konstruktiver Weise geführt worden sei und das Anliegen öffentlich unterstützt werden solle, Salem zu erhalten.

Auf der Internetseite
https://www.palaeographia.org/cipl/karlsruhe.htm
wird der Protestbrief und die Antwort der Landresregierung wiedergegeben.

An den Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen meine große Besorgnis über das Schicksal der Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe zum Ausdruck bringen.

Im Namen aller Mitglieder des Comité international de paléographie latine möchte ich Sie bitten, alles Mögliche zu unternehmen, um zu verhindern, dass die Handschriften der Badischen Landesbibliothek veräußert und, in Folge dieser Veräußerung, zerstreut werden.

Ich habe nicht die Absicht, die juristischen und wirtschaftlichen Hintergründe dieses Vorhabens zu bewerten, möchte jedoch mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die mittelalterlichen Handschriften, die in den öffentlichen Bibliotheken Europas aufbewahrt werden, seit mehr als einem Jahrhundert ein unveräußerliches Patrimonium bilden, das der internationalen 'scientific community' zur Verfügung gestellt wird. Eine Auflösung der Reichenauer Bibliothek ist, wie der Verkauf des Colosseums, der Abriß einer gotischen Kirche oder die Abholzung eines jahrhundertealten Waldes, nicht vorstellbar.

Ich bitte Sie, in dieser Angelegenheit so vorzugehen, dass das Schriftwort "Diviserunt sibi vestimenta mea" (Ps. 21, 19) nicht auf die Regierung des Landes Baden-Württemberg angewendet werden kann.

Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Stefano Zamponi,

Vorsitzender des Comité International
de Paléograpie Latine

Üblicherweise geben wir hier keine ganzen Quellentexte wieder, aber es erscheint eine Ausnahme angebracht.

Fürstenabfindung

Im Kriege stand in Berlin ein Blinden-Lazarett, in dem lagen die unglücklichsten der Soldaten. Das besuchte von Zeit zu Zeit die Frau eines Hohenzollernprinzen, huldvoll lächelnd und stramm begrüßt von den klirrenden Stabsärzten. Die hohe Frau ging von Bett zu Bett und richtete Ansprachen an die Blinden. Gut, und was noch –? Sie verteilte. Nämlich –?

Ihre Photographie mit Unterschrift.

Verlorenes Augenlicht kann nicht wiederkommen. Aber wenn das deutsche Volk noch einen Funken Verstand hat, dann gibt es für die blinden Kameraden eine andre kleine Ansichtskarte mit Unterschrift ab: einen Stimmzettel.

Als Dank, Quittung und Anerkennung für ein taktvolles Fürstenhaus.


https://de.wikisource.org/wiki/F%C3%BCrstenabfindung_%28Tucholsky%29
(mit Scan aus der Weltbühne 1926)

Die Forderung der GRÜNEN nach Absetzung des dubiosen Kunstberaters als Mitglied des nur dreiköpfigen Stiftungsrats der Zähringer Stiftung ist voll und ganz berechtigt, wie
https://archiv.twoday.net/stories/3203763/#3203912
gezeigt wurde.

Douglas Foto: Tamara Henderson, Quelle: artnet.de (§ 51 UrhG)

Jede der von ihm betreuten Versteigerungen wurde von Protesten von Fachleuten begleitet, die einen verantwortungslosen Ausverkauf von Kulturgütern beklagten.

Zur Welfenversteigerung schrieb die SZ am 17.10.2005:

"1993 hatte Gloria von Thurn und Taxis Kunstgegenstände aus ihrem Erbe für 16 Millionen Euro versteigert, zwei Jahre später trennte sich das Haus Baden für 39,7 Millionen von herrschaftlichem Inventar . Damals wie heute begleitete Protest die adeligen Schnäppchenmärkte. Im Falle der Hannoveraner landete er sogar im Parlament: Die Vorsitzende des niedersächsischen Kulturausschusses, Christina Bührmann (SPD), kritisierte das Kultusministerium, das sich "als kleiner David von einem Riesen über den Tisch hat ziehen lassen". Angeführt von Heinrich Prinz von Hannover, dem Onkel der Auktionsinitiatoren Ernst-August und Christian, beklagten Museumsdirektoren aus ganz Deutschland den Ausverkauf von Landeskultur.

Der Organisator der Versteigerung, Christoph Graf Douglas, behauptete dagegen, kaum ein Museum habe trotz Vorkaufsrechts Interesse an den Stücken gehabt."

Weitere Zitate zur Welfen-Auktion 2005
https://log.netbib.de/index.php?s=welfen

"Wertvolles niedersächsisches Kulturgut wird nach außerhalb verscherbelt, warnen Experten". So die Neue Presse in Hannover am 4. Oktober. "Der hannoversche Bauhistoriker Professor Günther Kokkelink und die Berliner Kunsthistorikerin Isabel Arends schlagen Alarm. „Durch die Auktion der Welfen wird die Marienburg als Gesamtkunstwerk entkernt“, so die beiden gestern nach einer Besichtigung der zur Versteigerung vorgesehenen Gegenstände auf der Marienburg. […] Kokkelink hat auf zahlreichen Originalfotos aus dem niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Möbel und andere Ausstattungsstücke wiedererkannt, die zweifelsfrei zum Bestand der Burg gehörten. Er spricht von „einem Skandal“. Kokkelink und Arends haben außerdem zahlreiche Gegenstände identifiziert, die ursprünglich aus dem Leineschloss und aus Schloss Herrenhausen stammen. […] Kokkelink spricht von 40 Stühlen, Möbeln und Bildern [aus Schloss Herrenhausen] […] „Einmalige Stücke darunter, von Georg Ludwig Laves und seinem Schüler Molthan.“ Die Experten haben den Wert der Gegenstände erkannt. Der Katalog lässt die Interessenten über die Herkunft vieler dieser Stücke jedoch im Unklaren. „Er strotzt von Unkenntnis“, so die Kennerin Arends. […] „Dort [im Westflügel der Marienburg] sind nur noch leere Regale geblieben, dabei bildeten die Gegenstände und die Ausstattung der Räume eine unauflösliche Einheit“, klagen die Experten. Das gelte auch für die Geweihe, die aus dem Zimmer des Grafen Solms entfernt worden sind – oder für den Kronleuchter aus den Gemächern von Königin Marie. Beispiele von vielen. Besonders vermissen werden Burgbesucher eine Marmorbüste von Daniel Rauch, die Louise von Preußen darstellt. Auch sie steht zur Versteigerung an. Kokkelink und Arends sind entsetzt: „Das alles wird in alle Winde verstreut. Wir wollen wenigstens unsere Stimme erheben.“

Als Ende 2003 der Insustrielle Würth die Alten Meister aus Donaueschingen kaufte, huldigte Frau Gropp dem "Vermittler" Graf Douglas reichlich unkritisch in der FAZ vom 9.12.2006:

"Douglas vereinigt bemerkenswerte Eigenschaften in sich: Er ist Angehöriger eines alten schottischen Geschlechts und Urururenkel einer Försterstochter aus dem Schwarzwald und des Großherzogs Ludwig von Baden. Sein Vater war Journalist, seine Mutter eine Bürgerliche. Er ist in Kunstgeschichte promoviert; sein Verhandlungsgeschick muß angeboren sein. Seine Leidenschaften sind der Wald und der Landschaftsgarten, und auf diesem Feld der Natur geht er mit derselben Sorgfalt, Geduld und Beharrlichkeit zu Werke wie bei seinem Geschäft der Kunstvermittlung. Dabei nutzt er die Regeln des Business durchaus: Als er 1992 mit Baden-Württemberg über den Ankauf der Fürstenberg-Handschriften verhandelte, lagen diese Zimelien derweil sicher im Zürcher Freihafen. Nach dem Verkauf der Handschrift C des "Nibelungenlieds" nach Karlsruhe, nach der Vermittlung von Holbein des Älteren "Grauer Passion" nach Stuttgart hat er jetzt - dank der Geduld seiner Auftraggeber und der mäzenatischen Tat Reinhold Würths - seinen Coup mit dem Fürstenberg-Besitz abschließen können. Denn nun stehen die Chancen gut, daß auch die Alten Meister des Hauses in ihrer Heimat bleiben dürfen. Douglas, dem erklärten Gegner der Zentralisierung aus gewachsenem Liberalismus heraus, ist es das schönste, die Dinge an ihrem Ort zu wissen, verbunden mit ihren Ursprüngen.

Ganz gewiß wird Douglas fortfahren, seine Form der Ordnungsliebe mit dem ihm eigenen Sinn für Tradition und mit seiner Begabung für unkonventionelle Lösungen umzusetzen. Und seine jüngste Berufung durch die Max-Planck-Gesellschaft ins Kuratorium der Herziana in Rom könnte auch dort durchaus belebend wirken; denn der Graf schätzt es außerordentlich, wenn sich Kenntnisse mit Praxistauglichkeit paaren."

Wer ernsthaft daran denkt, die kostbarsten Handschriften der Badischen Landesbibliothek zu versteigern, für den ist es gewiss nicht das schönste, die Dinge an ihrem Ort zu wissen.

Graf Douglas geht es in jedem Fall vorrangig um den Profit seiner Auftraggeber (und seinen eigenen Profit). Wenn durch geschicktes Verhandeln Stücke an die öffentliche Hand gehen, gibt ihm das natürlich ein gutes Gefühl, aber der rauschhafte Reiz des einzigartigen Events, bei dem unersetzliche Kostbarkeiten adeliger Provenienz unter den Hammer kommen, zählt für ihn eindeutig mehr. Da die Landesregierung die Provision von 10 Mio. an Graf Douglas nicht dementiert hat, darf vermutet werden, dass die Ider Versteigerung der Karlsruher Handschriften von ihm entwickelt oder zumindest gern aufgegriffen wurde. Das wäre ohne jeden Zweifel die Krönung seiner zweifelhaften Karriere als Kulturgut-Verscherbeler, der sich - und das das Zynische - als Kulturgutbewahrer feiern lässt.

Meine Vorwürfe wurden im Donaukurier aufgegriffen. Die Universitätsleitung verwahrte sich gegen die Vorwürfe, die inzwischen von dem Esperantologen Reinhard Haupenthal unterstützt wird. Dokumentation im Kommentar zum Hauptbeitrag:
https://archiv.twoday.net/stories/3143469

In der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 19 (1972) findet man auf den Seiten 21-23 den Aufsatz "Das Pflichtexemplarrecht in der Kurfalz, der Markgrafschaft Baden und in Baden" von Siegfried Schwertner, der dafür gedruckte Verordnungen ausgewertet hat.

Eine Pflichtexemplarregelung ist in Baden erstmals am 27. Oktober 1807 belegt (RegBl. S. 228). Absatz 17 der Verordnung zu den öffentlichen Verkündigungs-Anstalten lautet:

"So wie jeder innländische Verleger gedruckter Werke künftig schuldig ist, ausser den Exemplaren der Censoren drey unentgeldliche Exemplare eines für die Hofbibliothek und eines für jede der zwey Universitäts Bibliotheken abzugeben, so liegt das nemliche den Verlegern der Regierungs-Provinz-Bezirks- und Wochenblätter ob."

Zwei Jahre später wird diese Aufgabe wieder aufgehoben, wieder ein Jahr später aber wieder in Kraft gesetzt und 1813 erneuert. Mit der neuen Zensurordnung ging die Pflicht zur Ablieferung eines Bibliotheksexemplars auf den Drucker über. Aber schon 1825 wurde wieder der Verleger verpflichtet. Ausgenommen waren Landkarten, Notenbücher und Kupferstiche, sofern nicht Bestandteile eines im Großherzogtum verlegten Werkes. Weil die Eintreibung zu schwierig war verzichtete man schließlich auf das Pflichtexemplar. Das 1868 erlassene Pressegesetz erwähnt keine solche Abgabe mehr. (Erst 1936 gab es in Baden wieder eine gesetzliche Pflichtexemplarregelung.)

Mit einer kurzen Unterbrechung bestand also von 1807 bis 1868 ein gesetzliches Pflichtexemplar zugunsten der Hofbibliothek, die eindeutig als Staatsbibliothek verstanden wurde. Pflichtexemplare sind zweifelsfrei eine öffentlichrechtliche Abgabe. Was als Pflichtexemplar angeliefert wurde (mag das auch nicht sehr ins Gewicht gefallen sein), kann nicht Eigentum des Großherzogs und auch nicht des Hausfideikommisses geworden sein. Es ist damit zu rechnen, dass man bei Aufstellungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Hofbibliothek in staatliche Verwaltung dieser Tatsache nicht Rechnung getragen hat. Die pragmatische Lösung, zu der sich das BW-Kultusministerium am 28. April 1960 verstand, dass nämlich alle vor dem 1.1.1872 in Großherzoglichem Besitz befindlichen Kunst- und Bibliotheksbestände als Stiftungsbesitz anzusehen sind, hätte auch erhebliche gedruckte Bestände zu Unrecht dem Eigentum der Zähringerstiftung (nun vom Haus Baden beansprucht) zugewiesen.

Die Hofbibliothek wurde unter Karl Friedrich durch Zusammenwerfen der Bibliothek der Regierung (also einer staatlichen Sammlung) und seiner Privatbibliothek geschaffen.

Im Handbuch der historischen Buchbestände (BW II, S. 22) schreibt Gerhard Stamm: "Ausgestattet mit einem jährlichen Aversum von etwa 500 Gulden – gelegentlich kamen Sondermittel hinzu – nahm die Karlsruher Hofbibliothek in den letzten Jahrzehnten des 18. Jhs einen stetigen, wenn auch nicht außergewöhnlichen Aufschwung. Auch die den badischen Verlegern seit 1771 abverlangten Zensurexemplare trugen zum Wachstum der Bestände
bei, die 1799 von Molter auf 30.000 Bde geschätzt
wurden." Nach Stamm kamen also schon vor 1807 Pflichtexemplare über die Zensur der Bibliothek zugute. Die Zuweisungssumme von 500 Gulden hatte natürlich keinesfalls "privaten" Charakter, auch wenn damals noch keine klare Trennung zwischen Privatschatulle und Staatshaushalt bestand.

Nicht nur die Säkularisatiionshandschriften sind nicht als Privateigentum anzusehen, auch die kostbaren Reuchlin-Handschriften sind von diesem auf ewig St. Michael in Pforzheim vermacht worden und von daher kein großherzogliches Privateigentum.

Ihr Charakter als Staatsbibliothek kann auch für die Zeit vor 1872 nicht ernsthaft bestritten werden. Selbst wenn man dem Hausfideikommiss Eigentum an den umstrittenen Beständen zuspricht, fiel dieses 1918 als Pertinenz der Landeshoheit an das Land Baden. Den in einem solchen Fall von der seinerzeitigen Jurisprudenz anerkannten Entschädigungsanspruch der Familie hat das Land Baden 1919 (und 1930) erfüllt, indem ihr beträchtliche Vermögenswerte und landesgeschichtlich bedeutende Kulturgüter (u.a. das gesamte Zähringer-Museum) neben der finanziellen Regelung zugesprochen worden, von der Überlassung des Säkularisationsgutes Salem ganz abgesehen.

Die klar umreißbare Gruppe der "Hinterlegungen" in der BLB dürfte Eigentum der Zähringer Stiftung geworden sein. Angesichts des Zusammenhangs mit der Türkenbeute kann man auch für die orientalischen Handschriften, die aus der Türkenbeute in die Landesbibliothek kamen, die Zugehörigkeit zur Zähringer Stiftung annehmen.

Wenn es zutrifft, was mir zu Ohren kam, dass die Landesbibliothek der Landesstiftung die orientalischen Handschriften zum Kauf angeboten hat, so wäre das klar inakzeptabel. Die Landesbibliothek kann nicht über das Eigentum anderer, hier der Zähringer-Stiftung, das satzungsgemäß unveräußerlich ist, verfügen!

Ein Anspruch des Hauses Baden auf Leistungen aufgrund von Eigentumsrechten in der Landesbibliothek ist daher abzulehnen!

Kulturausschuss des Bundestags billigt Gesetz zum UNESCO-Kulturschutz

unesco

Deutschland hat sich lange schwer damit getan, der Vereinbarung der UNESCO von 1970 zum Schutz von Kulturgütern zuzustimmen. Gestern hat der Kulturausschuss des Bundestages einen entsprechenden Gesetzentwurf gebilligt, über den das Plenum am 1. Februar abstimmen soll. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn sagte, es seien zahlreiche Einwände von Experten berücksichtigt worden. Nach dem vorliegenden Text könne die Bundesregierung nun auch verhindern, dass Kulturgut von gesamtstaatlicher Bedeutung ins Ausland exportiert wird. Der Streit um die Badischen Handschriften haben den Handlungsbedarf deutlich gemacht, betonte Frau Griefhahn.

Weitere Nachweise:
https://www.blb-karlsruhe.de/blb/blbhtml/besondere-bestaende/verkauf.php

Die Änderungen finde ich noch nicht online, das UNESCO-Gesetz ist unter
https://dip.bundestag.de/gesta/16/XA003.pdf
https://dip.bundestag.de/brd/2006/0155-06.pdf
dokumentiert.

Nach bisherigem Recht konnte die Eintragung national wertvoller Kulturgüter von Bundesseite aus beantragt werden ("Zur Wahrung eines gemeindeutschen Interesses kann der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien die Eintragung in das Verzeichnis beantragen.",
https://www.gesetze-im-internet.de/kultgschg/BJNR005010955.html ). Die Entscheidung traf aber die zuständige oberste Landesbehörde. Nun soll die Entscheidung über die Eintragung offenbar auch vom Bund getroffen werden können.

 

twoday.net AGB

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