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Meine Aachener Studierenden sollten Kernsätze aus

Arnold Esch: Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift, 240 (1985), S. 529–570. Online:
https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/z/zsn2a044421.pdf

herausschreiben. Hier die Blütenlese.

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"Sicherlich ist das irrelevant: aber es ist eben so, als stülpe sich die Materie der Historiker an einigen Stellen entgegen und weiche an anderen zurück - Beispiele für das, was wir nicht wissen und doch gerne wüssten, müssen wir nicht eigens genannt werden, denn die Bezeichnung ,,dunkle Jahrhunderte", dark ages für das frühe Mittelalter nimmt dessen Quellenarmut gerade zu als Charakteristikum: ,,dunkel" meint hier nämlich nicht die Unerleuchtetheit (wie beim Wort vom ,,finsteren" Mittelalter), sondern die Unbeleuchtetheit des Zeitalters, eben seinen Quellenmangel." S. 531

"Größere Kriegsverluste sind bei den luccesischen Archivalien nicht anzunehmen und es wäre im übrigen auch seltsam genug, wenn Krieg und Brand in solcher Ausschließlichkeit einzig die Nachrichten übr Handel und Gewerbe dahingerafft und die Nachrichten über Grundbesitz verschont haben sollten." S. 534f.

"Aber Termingeschäft ist auch der Lehrlingsvertrag, der Liefervertrag über zwei Ballen Rohseide, das Darlehen, kurz: fast der gesamte geschäftliche Alltag einer Gewerbestadt. Solche Urkunden verloren nach Ablauf ihren Wert, wurden weggeworfen oder doch nicht mit gleichbleibender Sorgfalt aufbewahrt ihr Pergament wurde womöglich wiederverwendet.

Ganz anders bei Grundbesitz, bei Grundstücksgeschäften. Hier legte man auf Urkunden großen Wert, dass heißt man kaufte immer auch sämtliche zugehöhrige Urkunden und verwahrte sie sorgfältig, um sich notfalls gegen Ansprüche Dritter ausweisen zu können" S.535

"Daß die Kirche so viel erwirbt und so wenig verliert (geistliche Überlieferung zeigt weltlichen Grundbesitz eigentlich immer nur in Auflösung) und daß sie so oft gewinnt und so selten unterliegt, ist eben immer auch eine Frage der Überlieferungs-Chance - also (wenn man so will): nicht Klassen-Justiz, sondern Klassen-Überlieferung. Kurz, zweite Einsicht: Urkunden-Überlieferung macht das Mittelalter noch christlicher, als es ohnehin schon ist." S. 538

“Überlieferungsversuche, wie wir sie bisher zu ermessen versuchten, sind das, wovon der Historiker mit mehr oder weniger Grund annimmt, dass sie ihm fehlen, oder genauer: dass sie verloren gegangen sind, aber doch einmal existiert haben.“ S.544

"So ist die Chance, in eine Quelle zu kommen und überliefert zu werden, auch sozial bedingt. Nicht nur der Mediävist, auch der Neuhistoriker weiß, daß historische Überlieferung von der Masse der Namenlosen wenig Individuelles, wenig Spezifisches zu berichten weiß, es sei denn wiederum Fatales [...]" S. 544

"Überlieferung ist eben nie, was man so leichthin von ihr sagt: sie ist nie "dezimiert" in dem eigentlichen Sinne, dass (wie bei der meuternden römischen Truppe, bei der jeder zehnte Mann ausgelesen und getötet wurde, daher der Begriff "Dezimierung") in mechanischer Auslese jedes zenhte Stück fortgefallen sei. Natürlich nicht. Wäre es so, dann würde die Maßstäblichkeit des Einblicks gewahrt bleiben wie bei einem Lattenzaun, bei dem in schöner Regelmäßgkeit jede dritte (oder zehnte) Latte fehlt und dem Vorübergehenden gleichmäßig Einblick gewährt." S.548

"Die Frage, wieviel und vor allem: was verloren gegangen sein mag, und inwieweit es unserem Bild der Dinge empfindlich abgehe, stellt sich nicht nur dem Historiker: es ist ein Problem aller historischen Disziplinen, seien sie nun auf Monumente oder auf Literaturen gerichtet." S. 550

"Nicht alles, was überliefert ist, wird vom Historiker auch entsprechend zur Kenntnis genommen; was er nicht zur Kenntnis nimmt, ist so gut wie nicht überliefert. Man vertraut bis zu einem gewissen Grade auf die Abfolge der Historikergenerationen und ihren wechselnden Appetit, ihre unterschiedlichen Fragestellungen, die ganze Bereiche von Überlieferungen aufleben oder dahindämmern lassen, und dass so der massenhafte, doch unansehnliche Nahhandel auch einmal sein Recht bekomme gegenüber dem spektakulären, mehr Überlieferung produzierenden Fernhandel" S. 563

"Wir sollten uns bei überlieferten Beständen deutlicher fragen: Was könnte verlorengegangen sein, was muß dagewesen sein, und dabei noch mehr auf Indizien achten, die die Verzerrung, die Umverteilung von Wirklichkeit durch die Überlieferung anzeigen, und Kriterien entwickeln, die zur Entzerrung beitragen könnten. Wir sollten versuchen, dem allzuoft angerufenen Zufall einiges zu entreißen und Überlieferungsschicksale statt dessen nach all unseren Möglichkeiten aus unterschiedlicher Chance zu erklären." S. 569
 

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